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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
als ein feierliches Grundgesetz bekannt machen ließ,
war so eingerichtet, daß zwar Mordbrenner und
Stöhrer der öffentlichen Ruhe in die Acht erklärt
werden sollten; jedoch mit der ausdrücklichen Aus-
nahme, daß es einem jeden vorbehalten blieb, sein
Recht gegen den andern mit Gewalt auszumachen,
wenn er es seinem Widersacher nur drey Tage vor-
her verkündigen, und ihm also den Frieden absa-
gen ließe.


IX.

Daneben enthielt dieser Landfriede die merk-
würdige Clausel, daß sowohl Herzoge als Marg-
grafen, Pfalzgrafen, Landgrafen und andere Gra-
fen diejenigen, die sich eine widerrechtliche Stöh-
rung der öffentlichen Ruhe zu Schulden kommen
ließen, nicht nur im Namen des Kaisers, sondern
auch aus ihrer eignen herzoglichen oder fürstlichen
und gräflichen Befugniß in die Acht erklären soll-
ten. (Woraus sich theils die damalige Einthei-
lung der weltlichen Stände, wie sie meist noch jetzt
ist, theils schon der große Fortschritt zur landes-
herrlichen Gewalt derselben abnehmen läßt.) In-
zwischen verstand sichs, daß Achtserklärungen und
ähnliche Verurtheilungen nicht anders, als vor
feierlich gehegtem Gerichte, geschehen konnten. Und
darin erhielt sich noch lange die Altteutsche Ge-
richtsverfassung,
daß ein jeder durch seines Glei-
chen, und zwar unter dem Vorsitz des Regenten
oder eines von demselben dazu ernannten Richters,
aber mit Zuziehung und nach dem Ausspruche meh-
rerer Beysitzer oder so genannter Schöppen, geur-
theilt werden mußte.


X.

Eines der wichtigsten Beyspiele dieser Art fand
sich in den Achtserklärungen, welche unter den

bei-

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
als ein feierliches Grundgeſetz bekannt machen ließ,
war ſo eingerichtet, daß zwar Mordbrenner und
Stoͤhrer der oͤffentlichen Ruhe in die Acht erklaͤrt
werden ſollten; jedoch mit der ausdruͤcklichen Aus-
nahme, daß es einem jeden vorbehalten blieb, ſein
Recht gegen den andern mit Gewalt auszumachen,
wenn er es ſeinem Widerſacher nur drey Tage vor-
her verkuͤndigen, und ihm alſo den Frieden abſa-
gen ließe.


IX.

Daneben enthielt dieſer Landfriede die merk-
wuͤrdige Clauſel, daß ſowohl Herzoge als Marg-
grafen, Pfalzgrafen, Landgrafen und andere Gra-
fen diejenigen, die ſich eine widerrechtliche Stoͤh-
rung der oͤffentlichen Ruhe zu Schulden kommen
ließen, nicht nur im Namen des Kaiſers, ſondern
auch aus ihrer eignen herzoglichen oder fuͤrſtlichen
und graͤflichen Befugniß in die Acht erklaͤren ſoll-
ten. (Woraus ſich theils die damalige Einthei-
lung der weltlichen Staͤnde, wie ſie meiſt noch jetzt
iſt, theils ſchon der große Fortſchritt zur landes-
herrlichen Gewalt derſelben abnehmen laͤßt.) In-
zwiſchen verſtand ſichs, daß Achtserklaͤrungen und
aͤhnliche Verurtheilungen nicht anders, als vor
feierlich gehegtem Gerichte, geſchehen konnten. Und
darin erhielt ſich noch lange die Altteutſche Ge-
richtsverfaſſung,
daß ein jeder durch ſeines Glei-
chen, und zwar unter dem Vorſitz des Regenten
oder eines von demſelben dazu ernannten Richters,
aber mit Zuziehung und nach dem Ausſpruche meh-
rerer Beyſitzer oder ſo genannter Schoͤppen, geur-
theilt werden mußte.


X.

Eines der wichtigſten Beyſpiele dieſer Art fand
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[184/0218] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. als ein feierliches Grundgeſetz bekannt machen ließ, war ſo eingerichtet, daß zwar Mordbrenner und Stoͤhrer der oͤffentlichen Ruhe in die Acht erklaͤrt werden ſollten; jedoch mit der ausdruͤcklichen Aus- nahme, daß es einem jeden vorbehalten blieb, ſein Recht gegen den andern mit Gewalt auszumachen, wenn er es ſeinem Widerſacher nur drey Tage vor- her verkuͤndigen, und ihm alſo den Frieden abſa- gen ließe. Daneben enthielt dieſer Landfriede die merk- wuͤrdige Clauſel, daß ſowohl Herzoge als Marg- grafen, Pfalzgrafen, Landgrafen und andere Gra- fen diejenigen, die ſich eine widerrechtliche Stoͤh- rung der oͤffentlichen Ruhe zu Schulden kommen ließen, nicht nur im Namen des Kaiſers, ſondern auch aus ihrer eignen herzoglichen oder fuͤrſtlichen und graͤflichen Befugniß in die Acht erklaͤren ſoll- ten. (Woraus ſich theils die damalige Einthei- lung der weltlichen Staͤnde, wie ſie meiſt noch jetzt iſt, theils ſchon der große Fortſchritt zur landes- herrlichen Gewalt derſelben abnehmen laͤßt.) In- zwiſchen verſtand ſichs, daß Achtserklaͤrungen und aͤhnliche Verurtheilungen nicht anders, als vor feierlich gehegtem Gerichte, geſchehen konnten. Und darin erhielt ſich noch lange die Altteutſche Ge- richtsverfaſſung, daß ein jeder durch ſeines Glei- chen, und zwar unter dem Vorſitz des Regenten oder eines von demſelben dazu ernannten Richters, aber mit Zuziehung und nach dem Ausſpruche meh- rerer Beyſitzer oder ſo genannter Schoͤppen, geur- theilt werden mußte. Eines der wichtigſten Beyſpiele dieſer Art fand ſich in den Achtserklaͤrungen, welche unter den bei-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/218>, abgerufen am 25.11.2024.