Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.3) Territorialjustitzwesen. neue Gesetzbuch wegen seines innern Werthes auchin seinem Gebiete aufzunehmen. -- Nein, man sah die Sache gar nicht von der Seite an, als ob das Römische Recht noch erst einer Aufnahme in Teutschland bedürfte, sondern man hielt Teutsch- land selbst für das Römische Reich, oder doch für einen Theil desselben, und den Kaiser Justinian für einen der Vorfahren in der Regierung sowohl vom Kaiser Max als von den ehemaligen Kaisern, die nach Justinianen zu Constantinopel oder zu Rom regiert hatten. Da man also in der Eides- formel, die den Beysitzern des Cammergerichts vor- geschrieben wurde, einfließen ließ, daß sie nach ge- meinen Rechten urtheilen sollten; so erklärte man dadurch nicht eine jetzt erst zu bewerkstelligende Aufnahme des Römischen Rechts, sondern man nahm es schon als bekannt an, daß die beiden Gesetzbücher, die Päbsten und Kaisern ihr Ansehen zu danken hätten, des Römischen Reichs, und also auch Teutschlandes gemeine Rechte wären. Eigentlich schloß man damit noch nicht aus,IX. Reiche
3) Territorialjuſtitzweſen. neue Geſetzbuch wegen ſeines innern Werthes auchin ſeinem Gebiete aufzunehmen. — Nein, man ſah die Sache gar nicht von der Seite an, als ob das Roͤmiſche Recht noch erſt einer Aufnahme in Teutſchland beduͤrfte, ſondern man hielt Teutſch- land ſelbſt fuͤr das Roͤmiſche Reich, oder doch fuͤr einen Theil deſſelben, und den Kaiſer Juſtinian fuͤr einen der Vorfahren in der Regierung ſowohl vom Kaiſer Max als von den ehemaligen Kaiſern, die nach Juſtinianen zu Conſtantinopel oder zu Rom regiert hatten. Da man alſo in der Eides- formel, die den Beyſitzern des Cammergerichts vor- geſchrieben wurde, einfließen ließ, daß ſie nach ge- meinen Rechten urtheilen ſollten; ſo erklaͤrte man dadurch nicht eine jetzt erſt zu bewerkſtelligende Aufnahme des Roͤmiſchen Rechts, ſondern man nahm es ſchon als bekannt an, daß die beiden Geſetzbuͤcher, die Paͤbſten und Kaiſern ihr Anſehen zu danken haͤtten, des Roͤmiſchen Reichs, und alſo auch Teutſchlandes gemeine Rechte waͤren. Eigentlich ſchloß man damit noch nicht aus,IX. Reiche
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3) Territorialjuſtitzweſen.
neue Geſetzbuch wegen ſeines innern Werthes auch
in ſeinem Gebiete aufzunehmen. — Nein, man
ſah die Sache gar nicht von der Seite an, als
ob das Roͤmiſche Recht noch erſt einer Aufnahme
in Teutſchland beduͤrfte, ſondern man hielt Teutſch-
land ſelbſt fuͤr das Roͤmiſche Reich, oder doch fuͤr
einen Theil deſſelben, und den Kaiſer Juſtinian
fuͤr einen der Vorfahren in der Regierung ſowohl
vom Kaiſer Max als von den ehemaligen Kaiſern,
die nach Juſtinianen zu Conſtantinopel oder zu
Rom regiert hatten. Da man alſo in der Eides-
formel, die den Beyſitzern des Cammergerichts vor-
geſchrieben wurde, einfließen ließ, daß ſie nach ge-
meinen Rechten urtheilen ſollten; ſo erklaͤrte man
dadurch nicht eine jetzt erſt zu bewerkſtelligende
Aufnahme des Roͤmiſchen Rechts, ſondern man
nahm es ſchon als bekannt an, daß die beiden
Geſetzbuͤcher, die Paͤbſten und Kaiſern ihr Anſehen
zu danken haͤtten, des Roͤmiſchen Reichs, und alſo
auch Teutſchlandes gemeine Rechte waͤren.
Eigentlich ſchloß man damit noch nicht aus,
daß daneben nicht auch noch einheimiſche gemei-
ne Rechte ſtatt finden koͤnnten; wie dann mit
aller Gewalt, die das Roͤmiſche Recht in Teutſch-
land bekommen hat, doch nicht alles, was vorher
ſchon allgemeines Recht in Teutſchland war, hat
verdraͤnget werden koͤnnen, als z. B. daß doch
bloße Vertraͤge ohne die Feierlichkeit der Roͤmi-
ſchen Stipulation gelten, und daß Erbvertraͤge nicht
fuͤr unerlaubt zu halten ſind. Doch das ſah man
damals nur als beſondere Gewohnheiten der Teut-
ſchen Nation an, ſo wie von je her im Roͤmiſchen
Reiche
IX.
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