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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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2) D. Luther bis 1525.
beweisen laßen, daß die ganze christliche Kirche
ein gemeinsames sichtbares höchstes Oberhaupt haben
müße? Diese und andere ähnliche Gedanken
mußten sich Luthern nothwendig darstellen. So
schwer es ihm auch ankam, von den Vorurtheilen,
worin er gebohren und erzogen war, sich zu entfer-
nen, (wie es noch jetzt fast allen Catholischen Mühe
macht, über die Sätze von der Einheit der Kirche
und von der Nothwendigkeit eines sichtbaren Ober-
haupts derselben sich hinwegzusetzen;) so kann
man doch, wenn man Luthern in seinen Schriften
und Briefen nach der Zeitordnung folget, ganz
deutlich wahrnehmen, wie nach und nach ein Ge-
danke nach dem andern sich bey ihm aufgeklärt hat,
um endlich zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß
die päbstliche Gewalt überhaupt nicht von Gott sey,
und um nun Muth zu fassen, diese und andere
nach einander erkannte Wahrheiten ohne alle Men-
schenfurcht in öffentlichen Vorträgen und Schriften
auszubreiten und zu vertheidigen.

Da galt es also nicht mehr bloß um den Miß-V.
brauch des Ablaßhandels; sondern nun fieng Luther
an zu zweiflen, ob die päbstliche Gewalt auch recht-
mäßig, ob der Pabst nicht vielmehr selbst der in
einigen Stellen der Bibel angedeutete Antichrist
sey? Er fieng an, seine Zweifel erst seinen Ver-
trauten zu offenbaren. Von Zweifeln gieng er zur
Ueberzeugung vom Gegentheil über. Nun schrieb
er (im Jun. 1520.) auf Veranlaßung verschiede-
ner Edelleute, namentlich Franz von Sickingen und
Ulrichs von Hutten, die zuerst an ihn geschrieben
hatten, eine Ermahnung an den Christlichen Adel
Teutscher Nation, worin er zuerst seine nunmeh-

rige
Z 3

2) D. Luther bis 1525.
beweiſen laßen, daß die ganze chriſtliche Kirche
ein gemeinſames ſichtbares hoͤchſtes Oberhaupt haben
muͤße? Dieſe und andere aͤhnliche Gedanken
mußten ſich Luthern nothwendig darſtellen. So
ſchwer es ihm auch ankam, von den Vorurtheilen,
worin er gebohren und erzogen war, ſich zu entfer-
nen, (wie es noch jetzt faſt allen Catholiſchen Muͤhe
macht, uͤber die Saͤtze von der Einheit der Kirche
und von der Nothwendigkeit eines ſichtbaren Ober-
haupts derſelben ſich hinwegzuſetzen;) ſo kann
man doch, wenn man Luthern in ſeinen Schriften
und Briefen nach der Zeitordnung folget, ganz
deutlich wahrnehmen, wie nach und nach ein Ge-
danke nach dem andern ſich bey ihm aufgeklaͤrt hat,
um endlich zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß
die paͤbſtliche Gewalt uͤberhaupt nicht von Gott ſey,
und um nun Muth zu faſſen, dieſe und andere
nach einander erkannte Wahrheiten ohne alle Men-
ſchenfurcht in oͤffentlichen Vortraͤgen und Schriften
auszubreiten und zu vertheidigen.

Da galt es alſo nicht mehr bloß um den Miß-V.
brauch des Ablaßhandels; ſondern nun fieng Luther
an zu zweiflen, ob die paͤbſtliche Gewalt auch recht-
maͤßig, ob der Pabſt nicht vielmehr ſelbſt der in
einigen Stellen der Bibel angedeutete Antichriſt
ſey? Er fieng an, ſeine Zweifel erſt ſeinen Ver-
trauten zu offenbaren. Von Zweifeln gieng er zur
Ueberzeugung vom Gegentheil uͤber. Nun ſchrieb
er (im Jun. 1520.) auf Veranlaßung verſchiede-
ner Edelleute, namentlich Franz von Sickingen und
Ulrichs von Hutten, die zuerſt an ihn geſchrieben
hatten, eine Ermahnung an den Chriſtlichen Adel
Teutſcher Nation, worin er zuerſt ſeine nunmeh-

rige
Z 3
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[357/0391] 2) D. Luther bis 1525. beweiſen laßen, daß die ganze chriſtliche Kirche ein gemeinſames ſichtbares hoͤchſtes Oberhaupt haben muͤße? Dieſe und andere aͤhnliche Gedanken mußten ſich Luthern nothwendig darſtellen. So ſchwer es ihm auch ankam, von den Vorurtheilen, worin er gebohren und erzogen war, ſich zu entfer- nen, (wie es noch jetzt faſt allen Catholiſchen Muͤhe macht, uͤber die Saͤtze von der Einheit der Kirche und von der Nothwendigkeit eines ſichtbaren Ober- haupts derſelben ſich hinwegzuſetzen;) ſo kann man doch, wenn man Luthern in ſeinen Schriften und Briefen nach der Zeitordnung folget, ganz deutlich wahrnehmen, wie nach und nach ein Ge- danke nach dem andern ſich bey ihm aufgeklaͤrt hat, um endlich zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß die paͤbſtliche Gewalt uͤberhaupt nicht von Gott ſey, und um nun Muth zu faſſen, dieſe und andere nach einander erkannte Wahrheiten ohne alle Men- ſchenfurcht in oͤffentlichen Vortraͤgen und Schriften auszubreiten und zu vertheidigen. Da galt es alſo nicht mehr bloß um den Miß- brauch des Ablaßhandels; ſondern nun fieng Luther an zu zweiflen, ob die paͤbſtliche Gewalt auch recht- maͤßig, ob der Pabſt nicht vielmehr ſelbſt der in einigen Stellen der Bibel angedeutete Antichriſt ſey? Er fieng an, ſeine Zweifel erſt ſeinen Ver- trauten zu offenbaren. Von Zweifeln gieng er zur Ueberzeugung vom Gegentheil uͤber. Nun ſchrieb er (im Jun. 1520.) auf Veranlaßung verſchiede- ner Edelleute, namentlich Franz von Sickingen und Ulrichs von Hutten, die zuerſt an ihn geſchrieben hatten, eine Ermahnung an den Chriſtlichen Adel Teutſcher Nation, worin er zuerſt ſeine nunmeh- rige V. Z 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/391>, abgerufen am 22.11.2024.