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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
wenn in einem Niedersächsischen Stifte Bischof und
Domherren ihrer Ueberzeugung von anderen Reli-
gionssätzen folgten? Oder sollte der Niedersächsische
hohe und niedere Adel den Vortheil in der bischöfli-
chen Würde oder in Domherrenstellen ihre Versor-
gung zu finden, wegen ihrer veränderten Religions-
gesinnungen nun etwa dem Bairischen Adel über-
laßen, da doch jene Vortheile ursprünglich gewiß
von ihren eignen Vorfahren, nicht von Vorfahren
des Bairischen Adels gestiftet waren? Mit eben
dem Rechte hätten dann auch die Catholischen in
Spanien, Portugall u. s. w. darauf dringen kön-
nen, daß bischöfliche und andere geistliche Ehren-
stellen in Dänemark, Schweden, England, nur
ihnen zu gute kommen müßten.


X.

Warum sollte also in Lübeck, Magdeburg,
Halberstadt, Bremen, Verden u. s. w., wo das
Land selbst, und großentheils auch das Capitel
schon evangelisch war, nicht auch ein evangelischer
Bischof oder Erzbischof gewehlt werden können?
Oder wenn einer, der noch als catholisch Bi-
schof oder Domherr geworden war, jetzt mit ver-
änderten Religionsgesinnungen sich zur evangeli-
schen Religion bekannte, sollte er darum seine bi-
schöfliche Stelle oder seine Pfründe verliehren? --
also nur darum, weil er die Augsburgische Con-
fession annahm, mit dem Verluste seiner Versor-
gung gestrafet werden? So wäre es dann ein
Verbrechen, sich zur evangelischen Religion zu be-
kennen! Das war doch dem evangelischen Religions-
theile auf keine Weise zuzumuthen, bis in solche
Grundsätze mit ihrer Nachgiebigkeit hineinzugehen.


Der

V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
wenn in einem Niederſaͤchſiſchen Stifte Biſchof und
Domherren ihrer Ueberzeugung von anderen Reli-
gionsſaͤtzen folgten? Oder ſollte der Niederſaͤchſiſche
hohe und niedere Adel den Vortheil in der biſchoͤfli-
chen Wuͤrde oder in Domherrenſtellen ihre Verſor-
gung zu finden, wegen ihrer veraͤnderten Religions-
geſinnungen nun etwa dem Bairiſchen Adel uͤber-
laßen, da doch jene Vortheile urſpruͤnglich gewiß
von ihren eignen Vorfahren, nicht von Vorfahren
des Bairiſchen Adels geſtiftet waren? Mit eben
dem Rechte haͤtten dann auch die Catholiſchen in
Spanien, Portugall u. ſ. w. darauf dringen koͤn-
nen, daß biſchoͤfliche und andere geiſtliche Ehren-
ſtellen in Daͤnemark, Schweden, England, nur
ihnen zu gute kommen muͤßten.


X.

Warum ſollte alſo in Luͤbeck, Magdeburg,
Halberſtadt, Bremen, Verden u. ſ. w., wo das
Land ſelbſt, und großentheils auch das Capitel
ſchon evangeliſch war, nicht auch ein evangeliſcher
Biſchof oder Erzbiſchof gewehlt werden koͤnnen?
Oder wenn einer, der noch als catholiſch Bi-
ſchof oder Domherr geworden war, jetzt mit ver-
aͤnderten Religionsgeſinnungen ſich zur evangeli-
ſchen Religion bekannte, ſollte er darum ſeine bi-
ſchoͤfliche Stelle oder ſeine Pfruͤnde verliehren? —
alſo nur darum, weil er die Augsburgiſche Con-
feſſion annahm, mit dem Verluſte ſeiner Verſor-
gung geſtrafet werden? So waͤre es dann ein
Verbrechen, ſich zur evangeliſchen Religion zu be-
kennen! Das war doch dem evangeliſchen Religions-
theile auf keine Weiſe zuzumuthen, bis in ſolche
Grundſaͤtze mit ihrer Nachgiebigkeit hineinzugehen.


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[428/0462] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. wenn in einem Niederſaͤchſiſchen Stifte Biſchof und Domherren ihrer Ueberzeugung von anderen Reli- gionsſaͤtzen folgten? Oder ſollte der Niederſaͤchſiſche hohe und niedere Adel den Vortheil in der biſchoͤfli- chen Wuͤrde oder in Domherrenſtellen ihre Verſor- gung zu finden, wegen ihrer veraͤnderten Religions- geſinnungen nun etwa dem Bairiſchen Adel uͤber- laßen, da doch jene Vortheile urſpruͤnglich gewiß von ihren eignen Vorfahren, nicht von Vorfahren des Bairiſchen Adels geſtiftet waren? Mit eben dem Rechte haͤtten dann auch die Catholiſchen in Spanien, Portugall u. ſ. w. darauf dringen koͤn- nen, daß biſchoͤfliche und andere geiſtliche Ehren- ſtellen in Daͤnemark, Schweden, England, nur ihnen zu gute kommen muͤßten. Warum ſollte alſo in Luͤbeck, Magdeburg, Halberſtadt, Bremen, Verden u. ſ. w., wo das Land ſelbſt, und großentheils auch das Capitel ſchon evangeliſch war, nicht auch ein evangeliſcher Biſchof oder Erzbiſchof gewehlt werden koͤnnen? Oder wenn einer, der noch als catholiſch Bi- ſchof oder Domherr geworden war, jetzt mit ver- aͤnderten Religionsgeſinnungen ſich zur evangeli- ſchen Religion bekannte, ſollte er darum ſeine bi- ſchoͤfliche Stelle oder ſeine Pfruͤnde verliehren? — alſo nur darum, weil er die Augsburgiſche Con- feſſion annahm, mit dem Verluſte ſeiner Verſor- gung geſtrafet werden? So waͤre es dann ein Verbrechen, ſich zur evangeliſchen Religion zu be- kennen! Das war doch dem evangeliſchen Religions- theile auf keine Weiſe zuzumuthen, bis in ſolche Grundſaͤtze mit ihrer Nachgiebigkeit hineinzugehen. Der

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/462>, abgerufen am 23.11.2024.