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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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I. Alte Zeiten bis 888.
das alte Testament und den Talmud, und die Ma-
homedanische, daß sie den Coran zum Grunde ihres
Glaubens legt, sich von anderen Religionen unter-
scheidet; ohne daß sich nach Beschaffenheit der
menschlichen Natur je erwarten läßt, daß mehrere
Menschen, geschweige in so großer Anzahl, wie
die, so sich zu einer Religion halten, über alle
mögliche Fragen, die sich von Gegenständen der
Religion aufwerfen laßen, oder über alle einzelne
Stellen der heiligen Schriften, deren Auslegung
ganz genau zu bestimmen vielleicht einige Schwie-
rigkeit hat, ganz völlig einerley denken sollten.
Aber weit entfernt, das alles zu beherzigen, glaubte
man, daß die, so sich zu einer Religion bekänn-
ten, auch ganz ohne alle Ausnahme über alle Fra-
gen, die sich von der Religion aufwerfen ließen,
unabfällig gleiche Bestimmungen annehmen müßten.
So deutete man die Ermahnung Pauli an die Ephe-
ser: "zu halten die Einigkeit im Geiste durch das
"Band des Friedens; Ein Leib und Ein Geist auf
"einerley Hoffnung des Berufes; Ein Herr, Ein
"Glaube,
Eine Taufe; Ein Gott und Vater un-
"ser aller etc." (Eph. 4, 3[:]6.) Und damit verband
man den Ausspruch Petri: daß "außer dem Na-
"men Jesu Christi von Nazareth in keinem andern
"Heil, auch kein anderer Name den Menschen
"gegeben sey, darin wir sollen selig werden"
(Apg. 4, 10. 12.). Diesen Ausspruch Petri ver-
wechselte man aber mit dem Satze: daß außer
der Christlichen Kirche kein Heil zu finden sey.
Und nun sieng man an zu bestimmen, was über
unzehlige aufgeworfene Fragen die Christliche Kirche
für eine Entscheidung annehmen müße. War
diese aber einmal auf einer Kirchenversammlung

beschlos-

I. Alte Zeiten bis 888.
das alte Teſtament und den Talmud, und die Ma-
homedaniſche, daß ſie den Coran zum Grunde ihres
Glaubens legt, ſich von anderen Religionen unter-
ſcheidet; ohne daß ſich nach Beſchaffenheit der
menſchlichen Natur je erwarten laͤßt, daß mehrere
Menſchen, geſchweige in ſo großer Anzahl, wie
die, ſo ſich zu einer Religion halten, uͤber alle
moͤgliche Fragen, die ſich von Gegenſtaͤnden der
Religion aufwerfen laßen, oder uͤber alle einzelne
Stellen der heiligen Schriften, deren Auslegung
ganz genau zu beſtimmen vielleicht einige Schwie-
rigkeit hat, ganz voͤllig einerley denken ſollten.
Aber weit entfernt, das alles zu beherzigen, glaubte
man, daß die, ſo ſich zu einer Religion bekaͤnn-
ten, auch ganz ohne alle Ausnahme uͤber alle Fra-
gen, die ſich von der Religion aufwerfen ließen,
unabfaͤllig gleiche Beſtimmungen annehmen muͤßten.
So deutete man die Ermahnung Pauli an die Ephe-
ſer: ”zu halten die Einigkeit im Geiſte durch das
„Band des Friedens; Ein Leib und Ein Geiſt auf
„einerley Hoffnung des Berufes; Ein Herr, Ein
„Glaube,
Eine Taufe; Ein Gott und Vater un-
„ſer aller ꝛc.” (Eph. 4, 3[:]6.) Und damit verband
man den Ausſpruch Petri: daß ”außer dem Na-
„men Jeſu Chriſti von Nazareth in keinem andern
„Heil, auch kein anderer Name den Menſchen
„gegeben ſey, darin wir ſollen ſelig werden”
(Apg. 4, 10. 12.). Dieſen Ausſpruch Petri ver-
wechſelte man aber mit dem Satze: daß außer
der Chriſtlichen Kirche kein Heil zu finden ſey.
Und nun ſieng man an zu beſtimmen, was uͤber
unzehlige aufgeworfene Fragen die Chriſtliche Kirche
fuͤr eine Entſcheidung annehmen muͤße. War
dieſe aber einmal auf einer Kirchenverſammlung

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[22/0056] I. Alte Zeiten bis 888. das alte Teſtament und den Talmud, und die Ma- homedaniſche, daß ſie den Coran zum Grunde ihres Glaubens legt, ſich von anderen Religionen unter- ſcheidet; ohne daß ſich nach Beſchaffenheit der menſchlichen Natur je erwarten laͤßt, daß mehrere Menſchen, geſchweige in ſo großer Anzahl, wie die, ſo ſich zu einer Religion halten, uͤber alle moͤgliche Fragen, die ſich von Gegenſtaͤnden der Religion aufwerfen laßen, oder uͤber alle einzelne Stellen der heiligen Schriften, deren Auslegung ganz genau zu beſtimmen vielleicht einige Schwie- rigkeit hat, ganz voͤllig einerley denken ſollten. Aber weit entfernt, das alles zu beherzigen, glaubte man, daß die, ſo ſich zu einer Religion bekaͤnn- ten, auch ganz ohne alle Ausnahme uͤber alle Fra- gen, die ſich von der Religion aufwerfen ließen, unabfaͤllig gleiche Beſtimmungen annehmen muͤßten. So deutete man die Ermahnung Pauli an die Ephe- ſer: ”zu halten die Einigkeit im Geiſte durch das „Band des Friedens; Ein Leib und Ein Geiſt auf „einerley Hoffnung des Berufes; Ein Herr, Ein „Glaube, Eine Taufe; Ein Gott und Vater un- „ſer aller ꝛc.” (Eph. 4, 3:6.) Und damit verband man den Ausſpruch Petri: daß ”außer dem Na- „men Jeſu Chriſti von Nazareth in keinem andern „Heil, auch kein anderer Name den Menſchen „gegeben ſey, darin wir ſollen ſelig werden” (Apg. 4, 10. 12.). Dieſen Ausſpruch Petri ver- wechſelte man aber mit dem Satze: daß außer der Chriſtlichen Kirche kein Heil zu finden ſey. Und nun ſieng man an zu beſtimmen, was uͤber unzehlige aufgeworfene Fragen die Chriſtliche Kirche fuͤr eine Entſcheidung annehmen muͤße. War dieſe aber einmal auf einer Kirchenverſammlung beſchloſ-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/56>, abgerufen am 24.11.2024.