Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.VII. Neuere Zeit. Westph. Fr. 1648. der Umstand alleine, daß die Person des Kaiserscatholisch blieb, in Bestimmung des Religionsver- hältnisses für das ganze Teutsche Reich den Aus- schlag nicht geben. Bey einem so zusammenge- setzten Staatskörper, wie dieser war, kam es viel- mehr auf das Verhältniß an, worin die verschie- denen besonderen Staaten, woraus Teutschland zu- sammengesetzt ist, sich gegen einander verhielten. Da möchte man nun die Zahl der Einwohner, oder das Gewicht der Länder, in Ansehung ihrer Ein- künfte, Kriegsmacht, und selbst ihre Beyträge zu den Reichsbeschwerden, zum Maßstabe angenom- men haben; so stände noch wohl dahin, auf wel- cher Seite sich ein Uebergewicht hervorgethan ha- ben möchte. Selbst die Zahl der reichsständischen Stimmen war bisher unter den Churfürsten gleich, unter den Reichsstädten überwiegend evangelisch gewesen; im Fürstenrath allein waren der catho- lischen Stimmen nur einige wenige mehr, als der evangelischen. So war es doch wohl keine unbil- lige Forderung, wenn der evangelische Religions- theil darauf bestand, daß in Ansehung des Teut- schen Reichs im Ganzen ein Religionstheil so gut wie der andere gehalten werden müßte! Nun das wurde dann endlich auch im Osnabrückischen Frie- den als einer der ersten Grundsätze angenommen: daß unter beiderley Religionen Ständen eine voll- kommene gegenseitige Gleichheit statt finden solle; so daß eben das, was dem einen Theile, auch dem andern Recht seyn solle. XX. Mit diesem Grundsatze konnte nichts weniger win-
VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648. der Umſtand alleine, daß die Perſon des Kaiſerscatholiſch blieb, in Beſtimmung des Religionsver- haͤltniſſes fuͤr das ganze Teutſche Reich den Aus- ſchlag nicht geben. Bey einem ſo zuſammenge- ſetzten Staatskoͤrper, wie dieſer war, kam es viel- mehr auf das Verhaͤltniß an, worin die verſchie- denen beſonderen Staaten, woraus Teutſchland zu- ſammengeſetzt iſt, ſich gegen einander verhielten. Da moͤchte man nun die Zahl der Einwohner, oder das Gewicht der Laͤnder, in Anſehung ihrer Ein- kuͤnfte, Kriegsmacht, und ſelbſt ihre Beytraͤge zu den Reichsbeſchwerden, zum Maßſtabe angenom- men haben; ſo ſtaͤnde noch wohl dahin, auf wel- cher Seite ſich ein Uebergewicht hervorgethan ha- ben moͤchte. Selbſt die Zahl der reichsſtaͤndiſchen Stimmen war bisher unter den Churfuͤrſten gleich, unter den Reichsſtaͤdten uͤberwiegend evangeliſch geweſen; im Fuͤrſtenrath allein waren der catho- liſchen Stimmen nur einige wenige mehr, als der evangeliſchen. So war es doch wohl keine unbil- lige Forderung, wenn der evangeliſche Religions- theil darauf beſtand, daß in Anſehung des Teut- ſchen Reichs im Ganzen ein Religionstheil ſo gut wie der andere gehalten werden muͤßte! Nun das wurde dann endlich auch im Osnabruͤckiſchen Frie- den als einer der erſten Grundſaͤtze angenommen: daß unter beiderley Religionen Staͤnden eine voll- kommene gegenſeitige Gleichheit ſtatt finden ſolle; ſo daß eben das, was dem einen Theile, auch dem andern Recht ſeyn ſolle. XX. Mit dieſem Grundſatze konnte nichts weniger win-
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VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
der Umſtand alleine, daß die Perſon des Kaiſers
catholiſch blieb, in Beſtimmung des Religionsver-
haͤltniſſes fuͤr das ganze Teutſche Reich den Aus-
ſchlag nicht geben. Bey einem ſo zuſammenge-
ſetzten Staatskoͤrper, wie dieſer war, kam es viel-
mehr auf das Verhaͤltniß an, worin die verſchie-
denen beſonderen Staaten, woraus Teutſchland zu-
ſammengeſetzt iſt, ſich gegen einander verhielten.
Da moͤchte man nun die Zahl der Einwohner, oder
das Gewicht der Laͤnder, in Anſehung ihrer Ein-
kuͤnfte, Kriegsmacht, und ſelbſt ihre Beytraͤge zu
den Reichsbeſchwerden, zum Maßſtabe angenom-
men haben; ſo ſtaͤnde noch wohl dahin, auf wel-
cher Seite ſich ein Uebergewicht hervorgethan ha-
ben moͤchte. Selbſt die Zahl der reichsſtaͤndiſchen
Stimmen war bisher unter den Churfuͤrſten gleich,
unter den Reichsſtaͤdten uͤberwiegend evangeliſch
geweſen; im Fuͤrſtenrath allein waren der catho-
liſchen Stimmen nur einige wenige mehr, als der
evangeliſchen. So war es doch wohl keine unbil-
lige Forderung, wenn der evangeliſche Religions-
theil darauf beſtand, daß in Anſehung des Teut-
ſchen Reichs im Ganzen ein Religionstheil ſo gut
wie der andere gehalten werden muͤßte! Nun das
wurde dann endlich auch im Osnabruͤckiſchen Frie-
den als einer der erſten Grundſaͤtze angenommen:
daß unter beiderley Religionen Staͤnden eine voll-
kommene gegenſeitige Gleichheit ſtatt finden
ſolle; ſo daß eben das, was dem einen Theile,
auch dem andern Recht ſeyn ſolle.
Mit dieſem Grundſatze konnte nichts weniger
beſtehen, als wenn ein Theil dem andern bloß mit
Mehrheit der Stimmen ein Uebergewicht abzuge-
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