richtsordnung von 1495. oder irgend eine andere als die von 1555. verstanden seyn sollte.
IV.
Gleichwohl haben einige behaupten wollen, hier sey die Meynung gewesen, eine Stelle aus jener ersten Cammergerichtsordnung von 1495. zu erneuern, vermöge deren der Cammerrichter in dem Falle, wenn die Stimmen der Urtheiler in zwey gleiche Theile zerfielen, eine entscheidende Stimme haben sollte. Bey der ersten Errich- tung des Cammergerichts, da man noch gleichsam mit einem Fuße im mittlern Zeitalter stand, ließ sich das vielleicht als thunlich gedenken, da man von vorigen Zeiten her gewohnt war, daß eben keine so subtile Rechtssachen vorkamen, die nicht eine Person von Stande und Erfahrung nur mit einiger Beurtheilungskraft und Ueberlegung hätte richtig entscheiden können, ohne einer großen Ge- lehrsamkeit aus den Römischen und päbstlichen Ge- setzbüchern zu bedürfen. Wie aber am Cammer- gerichte bald alles zum schriftlichen Verfahren kam, und von den Sachwaltern mit lauter Gründen aus diesen Lateinischen Rechtsbüchern gefochten wurde; so ergab sichs bald, daß eine solche durch Probe- relationen und Examen bewährte Geschicklichkeit zur richtigen Entscheidung solcher Sachen gehörte, daß man sie einem Fürsten oder Grafen, der sonst doch ein sehr guter Cammerrichter seyn konnte, um die Gerichtspersonen durch sein Ansehen und recht- schaffenes Betragen in Ordnung zu erhalten, nicht zumuthen durfte. Es war also gewiß nicht von ungefähr, daß man diese Stelle aus der ersten Ordnung von 1495, in keiner der folgenden wie-
der-
VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
richtsordnung von 1495. oder irgend eine andere als die von 1555. verſtanden ſeyn ſollte.
IV.
Gleichwohl haben einige behaupten wollen, hier ſey die Meynung geweſen, eine Stelle aus jener erſten Cammergerichtsordnung von 1495. zu erneuern, vermoͤge deren der Cammerrichter in dem Falle, wenn die Stimmen der Urtheiler in zwey gleiche Theile zerfielen, eine entſcheidende Stimme haben ſollte. Bey der erſten Errich- tung des Cammergerichts, da man noch gleichſam mit einem Fuße im mittlern Zeitalter ſtand, ließ ſich das vielleicht als thunlich gedenken, da man von vorigen Zeiten her gewohnt war, daß eben keine ſo ſubtile Rechtsſachen vorkamen, die nicht eine Perſon von Stande und Erfahrung nur mit einiger Beurtheilungskraft und Ueberlegung haͤtte richtig entſcheiden koͤnnen, ohne einer großen Ge- lehrſamkeit aus den Roͤmiſchen und paͤbſtlichen Ge- ſetzbuͤchern zu beduͤrfen. Wie aber am Cammer- gerichte bald alles zum ſchriftlichen Verfahren kam, und von den Sachwaltern mit lauter Gruͤnden aus dieſen Lateiniſchen Rechtsbuͤchern gefochten wurde; ſo ergab ſichs bald, daß eine ſolche durch Probe- relationen und Examen bewaͤhrte Geſchicklichkeit zur richtigen Entſcheidung ſolcher Sachen gehoͤrte, daß man ſie einem Fuͤrſten oder Grafen, der ſonſt doch ein ſehr guter Cammerrichter ſeyn konnte, um die Gerichtsperſonen durch ſein Anſehen und recht- ſchaffenes Betragen in Ordnung zu erhalten, nicht zumuthen durfte. Es war alſo gewiß nicht von ungefaͤhr, daß man dieſe Stelle aus der erſten Ordnung von 1495, in keiner der folgenden wie-
der-
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VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
richtsordnung von 1495. oder irgend eine andere
als die von 1555. verſtanden ſeyn ſollte.
Gleichwohl haben einige behaupten wollen,
hier ſey die Meynung geweſen, eine Stelle aus
jener erſten Cammergerichtsordnung von 1495. zu
erneuern, vermoͤge deren der Cammerrichter in
dem Falle, wenn die Stimmen der Urtheiler in
zwey gleiche Theile zerfielen, eine entſcheidende
Stimme haben ſollte. Bey der erſten Errich-
tung des Cammergerichts, da man noch gleichſam
mit einem Fuße im mittlern Zeitalter ſtand, ließ
ſich das vielleicht als thunlich gedenken, da man
von vorigen Zeiten her gewohnt war, daß eben
keine ſo ſubtile Rechtsſachen vorkamen, die nicht
eine Perſon von Stande und Erfahrung nur mit
einiger Beurtheilungskraft und Ueberlegung haͤtte
richtig entſcheiden koͤnnen, ohne einer großen Ge-
lehrſamkeit aus den Roͤmiſchen und paͤbſtlichen Ge-
ſetzbuͤchern zu beduͤrfen. Wie aber am Cammer-
gerichte bald alles zum ſchriftlichen Verfahren kam,
und von den Sachwaltern mit lauter Gruͤnden aus
dieſen Lateiniſchen Rechtsbuͤchern gefochten wurde;
ſo ergab ſichs bald, daß eine ſolche durch Probe-
relationen und Examen bewaͤhrte Geſchicklichkeit
zur richtigen Entſcheidung ſolcher Sachen gehoͤrte,
daß man ſie einem Fuͤrſten oder Grafen, der ſonſt
doch ein ſehr guter Cammerrichter ſeyn konnte, um
die Gerichtsperſonen durch ſein Anſehen und recht-
ſchaffenes Betragen in Ordnung zu erhalten, nicht
zumuthen durfte. Es war alſo gewiß nicht von
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/148>, abgerufen am 09.11.2024.
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