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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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VIII. Folgen d. Westph. Fr. 1648-1657.
in seiner inneren Einrichtung, sofern nur nichts
gegen Reichsgesetze, die doch sehr wenige Ein-
schränkungen dieser Art enthalten, oder gegen ver-
tragsmäßige oder andere Gerechtsame anderer
Reichsmitglieder dabey vorgehet, aufs vollkom-
menste seiner eignen Freyheit überlaßen. Nicht
nur Fürsten und Grafen, sondern auch alle Mit-
glieder der Reichsritterschaft genießen in ihren
Familiensachen eine unbeschränkte Autonomie,
d. i. die Freyheit, ihre Einrichtungen nach eigenem
Gutfinden zu machen und nach ihren eignen Ge-
setzen zu leben. Und eben die Autonomie gilt
in der innern Einrichtung eines jeden Landes, ei-
ner jeden Reichsstadt und eines jeden reichsunmit-
telbaren Gebietes, sofern diejenigen, die darüber
zu sprechen haben, unter sich verstanden sind. Nur
alsdann wenn ein oder der andere Theil der Mey-
nung ist, daß ihm unrecht geschehe, können solche
Sachen im Wege des Rechts zur reichsgerichtlichen
Erörterung oder nach Befinden auch an die allge-
meine Reichsversammlung gelangen.


III.

Eben dadurch ist nicht nur jede Landschaft und
jede Reichsstadt, sondern jeder einzelner Unterthan
gesichert, daß auch keine landesherrliche oder obrig-
keitliche Gewalt zu ihrem Nachtheile gemißbraucht
werden kann; ganz anders als in unabhängigen
Staaten, sie mögen monarchisch, oder aristocra-
tisch oder democratisch regiert werden, wo in keinem
Falle gegen Mißbrauch der höchsten Gewalt noch
die Zuflucht zu einem höhern Richter offen stehet.


IV.

In den meisten Ländern sind überdies die lan-
desherrlichen Regierungen durch Landstände ein-

ge-

VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
in ſeiner inneren Einrichtung, ſofern nur nichts
gegen Reichsgeſetze, die doch ſehr wenige Ein-
ſchraͤnkungen dieſer Art enthalten, oder gegen ver-
tragsmaͤßige oder andere Gerechtſame anderer
Reichsmitglieder dabey vorgehet, aufs vollkom-
menſte ſeiner eignen Freyheit uͤberlaßen. Nicht
nur Fuͤrſten und Grafen, ſondern auch alle Mit-
glieder der Reichsritterſchaft genießen in ihren
Familienſachen eine unbeſchraͤnkte Autonomie,
d. i. die Freyheit, ihre Einrichtungen nach eigenem
Gutfinden zu machen und nach ihren eignen Ge-
ſetzen zu leben. Und eben die Autonomie gilt
in der innern Einrichtung eines jeden Landes, ei-
ner jeden Reichsſtadt und eines jeden reichsunmit-
telbaren Gebietes, ſofern diejenigen, die daruͤber
zu ſprechen haben, unter ſich verſtanden ſind. Nur
alsdann wenn ein oder der andere Theil der Mey-
nung iſt, daß ihm unrecht geſchehe, koͤnnen ſolche
Sachen im Wege des Rechts zur reichsgerichtlichen
Eroͤrterung oder nach Befinden auch an die allge-
meine Reichsverſammlung gelangen.


III.

Eben dadurch iſt nicht nur jede Landſchaft und
jede Reichsſtadt, ſondern jeder einzelner Unterthan
geſichert, daß auch keine landesherrliche oder obrig-
keitliche Gewalt zu ihrem Nachtheile gemißbraucht
werden kann; ganz anders als in unabhaͤngigen
Staaten, ſie moͤgen monarchiſch, oder ariſtocra-
tiſch oder democratiſch regiert werden, wo in keinem
Falle gegen Mißbrauch der hoͤchſten Gewalt noch
die Zuflucht zu einem hoͤhern Richter offen ſtehet.


IV.

In den meiſten Laͤndern ſind uͤberdies die lan-
desherrlichen Regierungen durch Landſtaͤnde ein-

ge-
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[168/0210] VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657. in ſeiner inneren Einrichtung, ſofern nur nichts gegen Reichsgeſetze, die doch ſehr wenige Ein- ſchraͤnkungen dieſer Art enthalten, oder gegen ver- tragsmaͤßige oder andere Gerechtſame anderer Reichsmitglieder dabey vorgehet, aufs vollkom- menſte ſeiner eignen Freyheit uͤberlaßen. Nicht nur Fuͤrſten und Grafen, ſondern auch alle Mit- glieder der Reichsritterſchaft genießen in ihren Familienſachen eine unbeſchraͤnkte Autonomie, d. i. die Freyheit, ihre Einrichtungen nach eigenem Gutfinden zu machen und nach ihren eignen Ge- ſetzen zu leben. Und eben die Autonomie gilt in der innern Einrichtung eines jeden Landes, ei- ner jeden Reichsſtadt und eines jeden reichsunmit- telbaren Gebietes, ſofern diejenigen, die daruͤber zu ſprechen haben, unter ſich verſtanden ſind. Nur alsdann wenn ein oder der andere Theil der Mey- nung iſt, daß ihm unrecht geſchehe, koͤnnen ſolche Sachen im Wege des Rechts zur reichsgerichtlichen Eroͤrterung oder nach Befinden auch an die allge- meine Reichsverſammlung gelangen. Eben dadurch iſt nicht nur jede Landſchaft und jede Reichsſtadt, ſondern jeder einzelner Unterthan geſichert, daß auch keine landesherrliche oder obrig- keitliche Gewalt zu ihrem Nachtheile gemißbraucht werden kann; ganz anders als in unabhaͤngigen Staaten, ſie moͤgen monarchiſch, oder ariſtocra- tiſch oder democratiſch regiert werden, wo in keinem Falle gegen Mißbrauch der hoͤchſten Gewalt noch die Zuflucht zu einem hoͤhern Richter offen ſtehet. In den meiſten Laͤndern ſind uͤberdies die lan- desherrlichen Regierungen durch Landſtaͤnde ein- ge-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/210>, abgerufen am 21.11.2024.