der Reichsgraf hatte einmal ein Bein gebrochen; eine dazu bewilligte Beinbruchssteuer mußte viele Jahre nach einander bezahlet werden.)
VII.
So billig es ist, daß zu gemeinnützigen An- stalten, die einem jeden zu statten kommen, auch ein jeder seinen verhältnißmäßigen Beytrag gibt, und so gering es scheint, wenn ein einfacher Steuer- beytrag für einen jeden Unterthanen auch nur ei- nen oder etliche Pfennige ausmacht, und doch von einem ganzen Lande dadurch beträchtliche Summen zusammengebracht werden; so bedenklich ist es, wenn nur einmal die Bahn gebrochen ist, daß auf Begehren der Landesherrschaft Steuern bezahlt werden müßen, für deren Vervielfältigung alsdann niemand gesichert ist. Eben damit aber läuft man Gefahr, von dem ersten Hauptzwecke aller Staa- ten abzuweichen, der eben dahin gehen soll, daß ein jeder mit dem Seinigen sicher sey. Bin ich aber einer unbeschränkten Steuerforderung meines Landesherrn unterworfen, so verliehre ich diese Si- cherheit, die doch eigentlich den wichtigsten Grund enthält, warum man in bürgerlichen Gesellschaf- ten sovieles von der natürlichen Freyheit aufopfert. Also war nichts billiger, als daß es dabey blieb, daß außer den Steuern, die einmal durch allge- meine Reichsgesetze oder besondere Landesgrundge- setze gebilliget sind, kein Reichsstand seine Unter- thanen ohne ihre Einwilligung mit Steuern zu be- legen berechtiget seyn sollte.
VIII.
Unter den verschiedenen Gattungen von Steu- ern waren schon lange Zeit her in vielen Ländern
Ver-
IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.
der Reichsgraf hatte einmal ein Bein gebrochen; eine dazu bewilligte Beinbruchsſteuer mußte viele Jahre nach einander bezahlet werden.)
VII.
So billig es iſt, daß zu gemeinnuͤtzigen An- ſtalten, die einem jeden zu ſtatten kommen, auch ein jeder ſeinen verhaͤltnißmaͤßigen Beytrag gibt, und ſo gering es ſcheint, wenn ein einfacher Steuer- beytrag fuͤr einen jeden Unterthanen auch nur ei- nen oder etliche Pfennige ausmacht, und doch von einem ganzen Lande dadurch betraͤchtliche Summen zuſammengebracht werden; ſo bedenklich iſt es, wenn nur einmal die Bahn gebrochen iſt, daß auf Begehren der Landesherrſchaft Steuern bezahlt werden muͤßen, fuͤr deren Vervielfaͤltigung alsdann niemand geſichert iſt. Eben damit aber laͤuft man Gefahr, von dem erſten Hauptzwecke aller Staa- ten abzuweichen, der eben dahin gehen ſoll, daß ein jeder mit dem Seinigen ſicher ſey. Bin ich aber einer unbeſchraͤnkten Steuerforderung meines Landesherrn unterworfen, ſo verliehre ich dieſe Si- cherheit, die doch eigentlich den wichtigſten Grund enthaͤlt, warum man in buͤrgerlichen Geſellſchaf- ten ſovieles von der natuͤrlichen Freyheit aufopfert. Alſo war nichts billiger, als daß es dabey blieb, daß außer den Steuern, die einmal durch allge- meine Reichsgeſetze oder beſondere Landesgrundge- ſetze gebilliget ſind, kein Reichsſtand ſeine Unter- thanen ohne ihre Einwilligung mit Steuern zu be- legen berechtiget ſeyn ſollte.
VIII.
Unter den verſchiedenen Gattungen von Steu- ern waren ſchon lange Zeit her in vielen Laͤndern
Ver-
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IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.
der Reichsgraf hatte einmal ein Bein gebrochen;
eine dazu bewilligte Beinbruchsſteuer mußte viele
Jahre nach einander bezahlet werden.)
So billig es iſt, daß zu gemeinnuͤtzigen An-
ſtalten, die einem jeden zu ſtatten kommen, auch
ein jeder ſeinen verhaͤltnißmaͤßigen Beytrag gibt,
und ſo gering es ſcheint, wenn ein einfacher Steuer-
beytrag fuͤr einen jeden Unterthanen auch nur ei-
nen oder etliche Pfennige ausmacht, und doch von
einem ganzen Lande dadurch betraͤchtliche Summen
zuſammengebracht werden; ſo bedenklich iſt es,
wenn nur einmal die Bahn gebrochen iſt, daß
auf Begehren der Landesherrſchaft Steuern bezahlt
werden muͤßen, fuͤr deren Vervielfaͤltigung alsdann
niemand geſichert iſt. Eben damit aber laͤuft man
Gefahr, von dem erſten Hauptzwecke aller Staa-
ten abzuweichen, der eben dahin gehen ſoll, daß
ein jeder mit dem Seinigen ſicher ſey. Bin ich
aber einer unbeſchraͤnkten Steuerforderung meines
Landesherrn unterworfen, ſo verliehre ich dieſe Si-
cherheit, die doch eigentlich den wichtigſten Grund
enthaͤlt, warum man in buͤrgerlichen Geſellſchaf-
ten ſovieles von der natuͤrlichen Freyheit aufopfert.
Alſo war nichts billiger, als daß es dabey blieb,
daß außer den Steuern, die einmal durch allge-
meine Reichsgeſetze oder beſondere Landesgrundge-
ſetze gebilliget ſind, kein Reichsſtand ſeine Unter-
thanen ohne ihre Einwilligung mit Steuern zu be-
legen berechtiget ſeyn ſollte.
Unter den verſchiedenen Gattungen von Steu-
ern waren ſchon lange Zeit her in vielen Laͤndern
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/318>, abgerufen am 24.11.2024.
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