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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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X. Carl der VI. 1711-1740.
einmal der Umschlag der ganzen Sache, als bey
der Königinn Anna die Herzoginn von Marlborough
ihre bisherige Gunst verlohr, und das Englische
Ministerium an statt der bisherigen Whigs mit
Torys besetzt wurde, und als ferner die zwey To-
desfälle des damaligen Dauphins und des Kaiser
Josephs, die in wenig Tagen nach einander erfolg-
ten (1711. Apr. 14. 17.), den bisherigen Besorg-
nissen wegen der Spanischen Succession, nachdem
sie dem Hause Bourbon oder dem Hause Oester-
reich zu Theil werden möchte, eine sehr veränderte
Gestalt gaben. Wenn ein jüngerer Enkel Lude-
wigs des XIV. jetzt König in Spanien wurde, fiel
wenigstens die Besorgniß weg, daß künftig eine
väterliche Gewalt des Französischen Monarchen auf
die Spanische Monarchie Einfluß haben könnte.
Hingegen in Ansehung des Hauses Oesterreich ver-
größerte sich die Besorgniß, wenn nunmehr in der
Person Carls des VI. die ganze Spanische Macht
mit der übrigen Macht des Hauses Oesterreich ver-
einiget werden sollte.


II.

Diese politische Betrachtungen hinderten zwar
nicht, daß Carl der VI. einmüthig zum Kaiser
erwehlet wurde. Allein in der Spanischen Suc-
cessionssache konnte Ludewig der XIV. jetzt ganz
andere Bedingungen erwarten, als wozu er weni-
ge Jahre vorher, sogar mit angebotener Zurück-
gabe der Stadt Straßburg, die Hände geboten
hatte. Jetzt wurde erst durch geheime Friedens-
handlungen
zwischen Großbritannien und Frank-
reich ausgemacht, daß Ludewigs des XIV. Enkel,
Philipp der V., die Spanische Monarchie behal-
ten, Carl aber die Spanischen Niederlande, nebst

den

X. Carl der VI. 1711-1740.
einmal der Umſchlag der ganzen Sache, als bey
der Koͤniginn Anna die Herzoginn von Marlborough
ihre bisherige Gunſt verlohr, und das Engliſche
Miniſterium an ſtatt der bisherigen Whigs mit
Torys beſetzt wurde, und als ferner die zwey To-
desfaͤlle des damaligen Dauphins und des Kaiſer
Joſephs, die in wenig Tagen nach einander erfolg-
ten (1711. Apr. 14. 17.), den bisherigen Beſorg-
niſſen wegen der Spaniſchen Succeſſion, nachdem
ſie dem Hauſe Bourbon oder dem Hauſe Oeſter-
reich zu Theil werden moͤchte, eine ſehr veraͤnderte
Geſtalt gaben. Wenn ein juͤngerer Enkel Lude-
wigs des XIV. jetzt Koͤnig in Spanien wurde, fiel
wenigſtens die Beſorgniß weg, daß kuͤnftig eine
vaͤterliche Gewalt des Franzoͤſiſchen Monarchen auf
die Spaniſche Monarchie Einfluß haben koͤnnte.
Hingegen in Anſehung des Hauſes Oeſterreich ver-
groͤßerte ſich die Beſorgniß, wenn nunmehr in der
Perſon Carls des VI. die ganze Spaniſche Macht
mit der uͤbrigen Macht des Hauſes Oeſterreich ver-
einiget werden ſollte.


II.

Dieſe politiſche Betrachtungen hinderten zwar
nicht, daß Carl der VI. einmuͤthig zum Kaiſer
erwehlet wurde. Allein in der Spaniſchen Suc-
ceſſionsſache konnte Ludewig der XIV. jetzt ganz
andere Bedingungen erwarten, als wozu er weni-
ge Jahre vorher, ſogar mit angebotener Zuruͤck-
gabe der Stadt Straßburg, die Haͤnde geboten
hatte. Jetzt wurde erſt durch geheime Friedens-
handlungen
zwiſchen Großbritannien und Frank-
reich ausgemacht, daß Ludewigs des XIV. Enkel,
Philipp der V., die Spaniſche Monarchie behal-
ten, Carl aber die Spaniſchen Niederlande, nebſt

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[376/0418] X. Carl der VI. 1711-1740. einmal der Umſchlag der ganzen Sache, als bey der Koͤniginn Anna die Herzoginn von Marlborough ihre bisherige Gunſt verlohr, und das Engliſche Miniſterium an ſtatt der bisherigen Whigs mit Torys beſetzt wurde, und als ferner die zwey To- desfaͤlle des damaligen Dauphins und des Kaiſer Joſephs, die in wenig Tagen nach einander erfolg- ten (1711. Apr. 14. 17.), den bisherigen Beſorg- niſſen wegen der Spaniſchen Succeſſion, nachdem ſie dem Hauſe Bourbon oder dem Hauſe Oeſter- reich zu Theil werden moͤchte, eine ſehr veraͤnderte Geſtalt gaben. Wenn ein juͤngerer Enkel Lude- wigs des XIV. jetzt Koͤnig in Spanien wurde, fiel wenigſtens die Beſorgniß weg, daß kuͤnftig eine vaͤterliche Gewalt des Franzoͤſiſchen Monarchen auf die Spaniſche Monarchie Einfluß haben koͤnnte. Hingegen in Anſehung des Hauſes Oeſterreich ver- groͤßerte ſich die Beſorgniß, wenn nunmehr in der Perſon Carls des VI. die ganze Spaniſche Macht mit der uͤbrigen Macht des Hauſes Oeſterreich ver- einiget werden ſollte. Dieſe politiſche Betrachtungen hinderten zwar nicht, daß Carl der VI. einmuͤthig zum Kaiſer erwehlet wurde. Allein in der Spaniſchen Suc- ceſſionsſache konnte Ludewig der XIV. jetzt ganz andere Bedingungen erwarten, als wozu er weni- ge Jahre vorher, ſogar mit angebotener Zuruͤck- gabe der Stadt Straßburg, die Haͤnde geboten hatte. Jetzt wurde erſt durch geheime Friedens- handlungen zwiſchen Großbritannien und Frank- reich ausgemacht, daß Ludewigs des XIV. Enkel, Philipp der V., die Spaniſche Monarchie behal- ten, Carl aber die Spaniſchen Niederlande, nebſt den

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/418>, abgerufen am 02.06.2024.