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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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3) Ius eundi in partes 1712-1727.
pfalz, um den catholischen Besitzer, Grafen von
Wieser, im Besitz zu erhalten, den Recurs an den
Reichstag genommen. Weil selbst vom kaiserli-
chen Hofe nicht zu vermuthen war, daß derselbe
mit den Stimmen des Hauses Oesterreich über die-
sen Recurs sich beyfällig erklären würde; so hatte
man anfangs nicht geglaubt, daß in dieser Sache
eine Mehrheit der Stimmen zum Nachtheile der
protestantischen Parthey zu besorgen seyn würde.
Als aber in beiden höheren Collegien die Sache
zum Vortrage kam, fielen wider Vermuthen alle
catholische Stimmen doch für den Grafen von Wie-
ser aus. Also beriefen auch hier in der folgenden
Session, wie man das Conclusum nach den meh-
reren Stimmen machen wollte, die evangelischen
Reichsstände sich darauf, daß ihr gesammtes Cor-
pus anderer Meynung sey, und einen solchen
Schluß nach der Mehrheit der Stimmen nicht zu-
geben könne.

In allen diesen vier Fällen wollte man catholi-VI.
scher Seits noch Zweifel erregen, ob die Mehrheit der
Stimmen durch den Abgang eines Religionstheils
von der Meynung des andern gehemmet werden
könne, da in allen den Fällen von keiner eigentli-
chen Religionssache die Frage sey. Allein die
Stelle des Westphälischen Friedens, die hier zum
Grunde liegt, ist, wie ich oben S. 78. u. f. in
Zergliederung des Friedens schon bemerklich ge-
macht habe, sowohl nach ihrer Veranlaßung als
selbst ihrem buchstäblichen Inhalte nach ganz un-
widersprechlich klar so gefasset, daß nicht nur in Re-
ligionssachen, sondern auch in allen und jeden an-
deren Geschäfften, wo sämmtliche Reichsstände

nicht

3) Ius eundi in partes 1712-1727.
pfalz, um den catholiſchen Beſitzer, Grafen von
Wieſer, im Beſitz zu erhalten, den Recurs an den
Reichstag genommen. Weil ſelbſt vom kaiſerli-
chen Hofe nicht zu vermuthen war, daß derſelbe
mit den Stimmen des Hauſes Oeſterreich uͤber die-
ſen Recurs ſich beyfaͤllig erklaͤren wuͤrde; ſo hatte
man anfangs nicht geglaubt, daß in dieſer Sache
eine Mehrheit der Stimmen zum Nachtheile der
proteſtantiſchen Parthey zu beſorgen ſeyn wuͤrde.
Als aber in beiden hoͤheren Collegien die Sache
zum Vortrage kam, fielen wider Vermuthen alle
catholiſche Stimmen doch fuͤr den Grafen von Wie-
ſer aus. Alſo beriefen auch hier in der folgenden
Seſſion, wie man das Concluſum nach den meh-
reren Stimmen machen wollte, die evangeliſchen
Reichsſtaͤnde ſich darauf, daß ihr geſammtes Cor-
pus anderer Meynung ſey, und einen ſolchen
Schluß nach der Mehrheit der Stimmen nicht zu-
geben koͤnne.

In allen dieſen vier Faͤllen wollte man catholi-VI.
ſcher Seits noch Zweifel erregen, ob die Mehrheit der
Stimmen durch den Abgang eines Religionstheils
von der Meynung des andern gehemmet werden
koͤnne, da in allen den Faͤllen von keiner eigentli-
chen Religionsſache die Frage ſey. Allein die
Stelle des Weſtphaͤliſchen Friedens, die hier zum
Grunde liegt, iſt, wie ich oben S. 78. u. f. in
Zergliederung des Friedens ſchon bemerklich ge-
macht habe, ſowohl nach ihrer Veranlaßung als
ſelbſt ihrem buchſtaͤblichen Inhalte nach ganz un-
widerſprechlich klar ſo gefaſſet, daß nicht nur in Re-
ligionsſachen, ſondern auch in allen und jeden an-
deren Geſchaͤfften, wo ſaͤmmtliche Reichsſtaͤnde

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[395/0437] 3) Ius eundi in partes 1712-1727. pfalz, um den catholiſchen Beſitzer, Grafen von Wieſer, im Beſitz zu erhalten, den Recurs an den Reichstag genommen. Weil ſelbſt vom kaiſerli- chen Hofe nicht zu vermuthen war, daß derſelbe mit den Stimmen des Hauſes Oeſterreich uͤber die- ſen Recurs ſich beyfaͤllig erklaͤren wuͤrde; ſo hatte man anfangs nicht geglaubt, daß in dieſer Sache eine Mehrheit der Stimmen zum Nachtheile der proteſtantiſchen Parthey zu beſorgen ſeyn wuͤrde. Als aber in beiden hoͤheren Collegien die Sache zum Vortrage kam, fielen wider Vermuthen alle catholiſche Stimmen doch fuͤr den Grafen von Wie- ſer aus. Alſo beriefen auch hier in der folgenden Seſſion, wie man das Concluſum nach den meh- reren Stimmen machen wollte, die evangeliſchen Reichsſtaͤnde ſich darauf, daß ihr geſammtes Cor- pus anderer Meynung ſey, und einen ſolchen Schluß nach der Mehrheit der Stimmen nicht zu- geben koͤnne. In allen dieſen vier Faͤllen wollte man catholi- ſcher Seits noch Zweifel erregen, ob die Mehrheit der Stimmen durch den Abgang eines Religionstheils von der Meynung des andern gehemmet werden koͤnne, da in allen den Faͤllen von keiner eigentli- chen Religionsſache die Frage ſey. Allein die Stelle des Weſtphaͤliſchen Friedens, die hier zum Grunde liegt, iſt, wie ich oben S. 78. u. f. in Zergliederung des Friedens ſchon bemerklich ge- macht habe, ſowohl nach ihrer Veranlaßung als ſelbſt ihrem buchſtaͤblichen Inhalte nach ganz un- widerſprechlich klar ſo gefaſſet, daß nicht nur in Re- ligionsſachen, ſondern auch in allen und jeden an- deren Geſchaͤfften, wo ſaͤmmtliche Reichsſtaͤnde nicht VI.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/437>, abgerufen am 22.11.2024.