ist, wohl noch nicht der Fall gewesen ist). Aber was will das sagen gegen die Abhängigkeit, worin der eine Theil unter den andern gerathen würde, wenn dieser die Mehrheit der Stimmen auf seiner Seite hat, und damit durchsetzen könnte, was er wollte? Kurz es ist hier bey weitem nicht eine solche Anomalie, oder Unheildrohende Unregelmäßigkeit, wie sie von vielen vorgestellt wird.
XX.
Nach der Lage, worin sich Teutschland würk- lich nun einmal findet, ist dieses Mittel der Mehr- heit der Stimmen auszuweichen für die Prote- stanten offenbar ihr einziges Rettungsmittel. Ohne zu ihrem Untergange über kurz oder lang den Weg zu bahnen, können sie sich dieses Rettungsmittel nicht nehmen noch beschränken laßen. Alle aus- wärtige Mächte, denen es nicht gleichgültig ist, ob Teutschland seine bisherige Verfassung behalte oder nicht, können auch nicht gleichgültig dabey seyn, wenn einem so beträchtlichen Theile des Teutschen Reichs dieses Rettungsmittel benommen oder be- schränket werden sollte. Selbst von Seiten des catholischen Religionstheils beruhet es gewiß auf unrichtigen Vorstellungen, die zum Theil durch den ehemaligen jesuitischen Unterricht verbreitet und unterhalten worden, wenn man diese Sache in ei- nem so ungünstigen Lichte betrachtet hat. Beide Religionstheile können nicht glücklicher leben, als wenn sie in brüderlicher Einigkeit einander bey dem laßen, was ein jeder hat, und insonderheit eine so theuer erworbene Vorschrift des Westphäli- schen Friedens als ein wahres Kleinod für die Ru- he von Teutschland in Ehren halten.
Einen
X. Carl der VI. 1711-1740.
iſt, wohl noch nicht der Fall geweſen iſt). Aber was will das ſagen gegen die Abhaͤngigkeit, worin der eine Theil unter den andern gerathen wuͤrde, wenn dieſer die Mehrheit der Stimmen auf ſeiner Seite hat, und damit durchſetzen koͤnnte, was er wollte? Kurz es iſt hier bey weitem nicht eine ſolche Anomalie, oder Unheildrohende Unregelmaͤßigkeit, wie ſie von vielen vorgeſtellt wird.
XX.
Nach der Lage, worin ſich Teutſchland wuͤrk- lich nun einmal findet, iſt dieſes Mittel der Mehr- heit der Stimmen auszuweichen fuͤr die Prote- ſtanten offenbar ihr einziges Rettungsmittel. Ohne zu ihrem Untergange uͤber kurz oder lang den Weg zu bahnen, koͤnnen ſie ſich dieſes Rettungsmittel nicht nehmen noch beſchraͤnken laßen. Alle aus- waͤrtige Maͤchte, denen es nicht gleichguͤltig iſt, ob Teutſchland ſeine bisherige Verfaſſung behalte oder nicht, koͤnnen auch nicht gleichguͤltig dabey ſeyn, wenn einem ſo betraͤchtlichen Theile des Teutſchen Reichs dieſes Rettungsmittel benommen oder be- ſchraͤnket werden ſollte. Selbſt von Seiten des catholiſchen Religionstheils beruhet es gewiß auf unrichtigen Vorſtellungen, die zum Theil durch den ehemaligen jeſuitiſchen Unterricht verbreitet und unterhalten worden, wenn man dieſe Sache in ei- nem ſo unguͤnſtigen Lichte betrachtet hat. Beide Religionstheile koͤnnen nicht gluͤcklicher leben, als wenn ſie in bruͤderlicher Einigkeit einander bey dem laßen, was ein jeder hat, und inſonderheit eine ſo theuer erworbene Vorſchrift des Weſtphaͤli- ſchen Friedens als ein wahres Kleinod fuͤr die Ru- he von Teutſchland in Ehren halten.
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X. Carl der VI. 1711-1740.
iſt, wohl noch nicht der Fall geweſen iſt). Aber
was will das ſagen gegen die Abhaͤngigkeit, worin
der eine Theil unter den andern gerathen wuͤrde,
wenn dieſer die Mehrheit der Stimmen auf ſeiner
Seite hat, und damit durchſetzen koͤnnte, was er
wollte? Kurz es iſt hier bey weitem nicht eine ſolche
Anomalie, oder Unheildrohende Unregelmaͤßigkeit,
wie ſie von vielen vorgeſtellt wird.
Nach der Lage, worin ſich Teutſchland wuͤrk-
lich nun einmal findet, iſt dieſes Mittel der Mehr-
heit der Stimmen auszuweichen fuͤr die Prote-
ſtanten offenbar ihr einziges Rettungsmittel. Ohne
zu ihrem Untergange uͤber kurz oder lang den Weg
zu bahnen, koͤnnen ſie ſich dieſes Rettungsmittel
nicht nehmen noch beſchraͤnken laßen. Alle aus-
waͤrtige Maͤchte, denen es nicht gleichguͤltig iſt, ob
Teutſchland ſeine bisherige Verfaſſung behalte oder
nicht, koͤnnen auch nicht gleichguͤltig dabey ſeyn,
wenn einem ſo betraͤchtlichen Theile des Teutſchen
Reichs dieſes Rettungsmittel benommen oder be-
ſchraͤnket werden ſollte. Selbſt von Seiten des
catholiſchen Religionstheils beruhet es gewiß auf
unrichtigen Vorſtellungen, die zum Theil durch
den ehemaligen jeſuitiſchen Unterricht verbreitet und
unterhalten worden, wenn man dieſe Sache in ei-
nem ſo unguͤnſtigen Lichte betrachtet hat. Beide
Religionstheile koͤnnen nicht gluͤcklicher leben, als
wenn ſie in bruͤderlicher Einigkeit einander bey
dem laßen, was ein jeder hat, und inſonderheit
eine ſo theuer erworbene Vorſchrift des Weſtphaͤli-
ſchen Friedens als ein wahres Kleinod fuͤr die Ru-
he von Teutſchland in Ehren halten.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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