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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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3) Ius eundi in partes 1712-1727.

Freylich läßt sich das von einer nicht allzugün-XVIII.
stigen Seite vorstellen, daß auf solche Art eine
mindere Anzahl Stimmen die mehreren unkräftig
machen, und vielleicht einmal diese oder jene gute
Anstalten hintertreiben könne. Allein man ver-
gesse nur nicht das wahre Verhältniß der beiden
Religionstheile im Ganzen, das sich doch nicht
bloß nach der Anzahl Stimmen abmessen läßt, son-
dern billig auch noch nach anderen Maßstäben der
Macht und Größe zu schätzen ist. Da wird sich
bald die anscheinende Ungleichheit entfernen, wenn
auch gleich die bloße Anzahl der Stimmen auf der
einen Seite ein Uebergewicht zu haben scheint.
Mehr nach Gewicht als nach der bloßen Anzahl
beurtheilet, wird es nicht viel anders seyn, als
wenn die Stimmen selbst auf beiden Seiten in
gleicher Anzahl ständen. Wie wenn z. B. von
100. Stimmen im Fürstenrathe ohne Rücksicht
auf die Religion 50. einer Meynung wären, und
50. einer andern! Da würde doch auch kein
Schluß gefasset werden können. Eben so mag
man sich auch den Fall der Trennung beider Reli-
gionstheile vorstellen.

Zudem ist ein großer Unterschied, ob unterXIX.
zwey Theilen, die sonst mit einander in ziemlichem
Gleichgewichte stehen, einem gestattet wird, ge-
gen den andern etwas durchzusetzen, oder ge-
gen das, was der andere gern durchsetzen möchte,
es nur dahin zu bringen, daß es nicht durchgesetzt
werden kann, sondern beym Alten gelaßen werden
muß. Das letztere kann höchstens nur den Nach-
theil haben, einmal etwas gutes zurückzuhalten,
(wiewohl das in der Sache, wovon hier die Rede

ist,
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3) Ius eundi in partes 1712-1727.

Freylich laͤßt ſich das von einer nicht allzuguͤn-XVIII.
ſtigen Seite vorſtellen, daß auf ſolche Art eine
mindere Anzahl Stimmen die mehreren unkraͤftig
machen, und vielleicht einmal dieſe oder jene gute
Anſtalten hintertreiben koͤnne. Allein man ver-
geſſe nur nicht das wahre Verhaͤltniß der beiden
Religionstheile im Ganzen, das ſich doch nicht
bloß nach der Anzahl Stimmen abmeſſen laͤßt, ſon-
dern billig auch noch nach anderen Maßſtaͤben der
Macht und Groͤße zu ſchaͤtzen iſt. Da wird ſich
bald die anſcheinende Ungleichheit entfernen, wenn
auch gleich die bloße Anzahl der Stimmen auf der
einen Seite ein Uebergewicht zu haben ſcheint.
Mehr nach Gewicht als nach der bloßen Anzahl
beurtheilet, wird es nicht viel anders ſeyn, als
wenn die Stimmen ſelbſt auf beiden Seiten in
gleicher Anzahl ſtaͤnden. Wie wenn z. B. von
100. Stimmen im Fuͤrſtenrathe ohne Ruͤckſicht
auf die Religion 50. einer Meynung waͤren, und
50. einer andern! Da wuͤrde doch auch kein
Schluß gefaſſet werden koͤnnen. Eben ſo mag
man ſich auch den Fall der Trennung beider Reli-
gionstheile vorſtellen.

Zudem iſt ein großer Unterſchied, ob unterXIX.
zwey Theilen, die ſonſt mit einander in ziemlichem
Gleichgewichte ſtehen, einem geſtattet wird, ge-
gen den andern etwas durchzuſetzen, oder ge-
gen das, was der andere gern durchſetzen moͤchte,
es nur dahin zu bringen, daß es nicht durchgeſetzt
werden kann, ſondern beym Alten gelaßen werden
muß. Das letztere kann hoͤchſtens nur den Nach-
theil haben, einmal etwas gutes zuruͤckzuhalten,
(wiewohl das in der Sache, wovon hier die Rede

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[405/0447] 3) Ius eundi in partes 1712-1727. Freylich laͤßt ſich das von einer nicht allzuguͤn- ſtigen Seite vorſtellen, daß auf ſolche Art eine mindere Anzahl Stimmen die mehreren unkraͤftig machen, und vielleicht einmal dieſe oder jene gute Anſtalten hintertreiben koͤnne. Allein man ver- geſſe nur nicht das wahre Verhaͤltniß der beiden Religionstheile im Ganzen, das ſich doch nicht bloß nach der Anzahl Stimmen abmeſſen laͤßt, ſon- dern billig auch noch nach anderen Maßſtaͤben der Macht und Groͤße zu ſchaͤtzen iſt. Da wird ſich bald die anſcheinende Ungleichheit entfernen, wenn auch gleich die bloße Anzahl der Stimmen auf der einen Seite ein Uebergewicht zu haben ſcheint. Mehr nach Gewicht als nach der bloßen Anzahl beurtheilet, wird es nicht viel anders ſeyn, als wenn die Stimmen ſelbſt auf beiden Seiten in gleicher Anzahl ſtaͤnden. Wie wenn z. B. von 100. Stimmen im Fuͤrſtenrathe ohne Ruͤckſicht auf die Religion 50. einer Meynung waͤren, und 50. einer andern! Da wuͤrde doch auch kein Schluß gefaſſet werden koͤnnen. Eben ſo mag man ſich auch den Fall der Trennung beider Reli- gionstheile vorſtellen. XVIII. Zudem iſt ein großer Unterſchied, ob unter zwey Theilen, die ſonſt mit einander in ziemlichem Gleichgewichte ſtehen, einem geſtattet wird, ge- gen den andern etwas durchzuſetzen, oder ge- gen das, was der andere gern durchſetzen moͤchte, es nur dahin zu bringen, daß es nicht durchgeſetzt werden kann, ſondern beym Alten gelaßen werden muß. Das letztere kann hoͤchſtens nur den Nach- theil haben, einmal etwas gutes zuruͤckzuhalten, (wiewohl das in der Sache, wovon hier die Rede iſt, XIX. C c 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/447>, abgerufen am 22.11.2024.