Mehrheit der Stimmen vermuthete; so würde es hart seyn, dadurch den Gebrauch eines Rechts be- schränken zu wollen, dessen Art und Weise im Ge- brauche das Gesetz selbst gar nicht eingeschränkt hat.
XVII.
Was sollte aber nun endlich für eine Wirkung von einer solchen Gesammterklärung und davon ab- hangender Trennung beider Religionstheile erwar- tet werden? Davon können obige vier Fälle wie- der das beste Beyspiel abgeben. Nehmlich wie bey einer jeden reichsständischen Berathschlagung eine Frage aufgestellt wird, ob dieses oder jenes geschehen solle, oder nicht? so war hier z. B. die Frage: ob in der Toggenburger Sache Reichsde- putirte in ungleicher Anzahl beider Religionen er- nannt werden sollten? ob der Reichsstadt Cölln eine Moderation in der Reichsmatrikel angedeihen sollte? ob das Erzstallmeisteramt dem Hause Han- nover aufgedrungen werden sollte? ob das Erkennt- niß der Reichsdeputation und des Reichshofraths in der Zwingenbergischen Sache entkräftet werden sollte, oder nicht? Alle diese Fragen wollte der ca- tholische Religionstheil mit der für sich habenden Mehrheit der Stimmen bejahend entschieden ha- ben, und also durchsetzen, was seinem Interesse und seiner Gesinnung gemäß schien. Der evange- lische Religionstheil erklärte sich dagegen anderer Meynung. Nun fiel das Durchsetzen mit der Mehrheit der Stimmen weg. Es blieb nichts übrig, als sich zu vergleichen. Oder wenn man sich nicht vergleichen konnte, blieb alles, wie es war, und geschah also das nicht, was man mit der Mehrheit der Stimmen durchzusetzen gedacht hatte.
Frey-
X. Carl der VI. 1711-1740.
Mehrheit der Stimmen vermuthete; ſo wuͤrde es hart ſeyn, dadurch den Gebrauch eines Rechts be- ſchraͤnken zu wollen, deſſen Art und Weiſe im Ge- brauche das Geſetz ſelbſt gar nicht eingeſchraͤnkt hat.
XVII.
Was ſollte aber nun endlich fuͤr eine Wirkung von einer ſolchen Geſammterklaͤrung und davon ab- hangender Trennung beider Religionstheile erwar- tet werden? Davon koͤnnen obige vier Faͤlle wie- der das beſte Beyſpiel abgeben. Nehmlich wie bey einer jeden reichsſtaͤndiſchen Berathſchlagung eine Frage aufgeſtellt wird, ob dieſes oder jenes geſchehen ſolle, oder nicht? ſo war hier z. B. die Frage: ob in der Toggenburger Sache Reichsde- putirte in ungleicher Anzahl beider Religionen er- nannt werden ſollten? ob der Reichsſtadt Coͤlln eine Moderation in der Reichsmatrikel angedeihen ſollte? ob das Erzſtallmeiſteramt dem Hauſe Han- nover aufgedrungen werden ſollte? ob das Erkennt- niß der Reichsdeputation und des Reichshofraths in der Zwingenbergiſchen Sache entkraͤftet werden ſollte, oder nicht? Alle dieſe Fragen wollte der ca- tholiſche Religionstheil mit der fuͤr ſich habenden Mehrheit der Stimmen bejahend entſchieden ha- ben, und alſo durchſetzen, was ſeinem Intereſſe und ſeiner Geſinnung gemaͤß ſchien. Der evange- liſche Religionstheil erklaͤrte ſich dagegen anderer Meynung. Nun fiel das Durchſetzen mit der Mehrheit der Stimmen weg. Es blieb nichts uͤbrig, als ſich zu vergleichen. Oder wenn man ſich nicht vergleichen konnte, blieb alles, wie es war, und geſchah alſo das nicht, was man mit der Mehrheit der Stimmen durchzuſetzen gedacht hatte.
Frey-
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X. Carl der VI. 1711-1740.
Mehrheit der Stimmen vermuthete; ſo wuͤrde es
hart ſeyn, dadurch den Gebrauch eines Rechts be-
ſchraͤnken zu wollen, deſſen Art und Weiſe im Ge-
brauche das Geſetz ſelbſt gar nicht eingeſchraͤnkt hat.
Was ſollte aber nun endlich fuͤr eine Wirkung
von einer ſolchen Geſammterklaͤrung und davon ab-
hangender Trennung beider Religionstheile erwar-
tet werden? Davon koͤnnen obige vier Faͤlle wie-
der das beſte Beyſpiel abgeben. Nehmlich wie
bey einer jeden reichsſtaͤndiſchen Berathſchlagung
eine Frage aufgeſtellt wird, ob dieſes oder jenes
geſchehen ſolle, oder nicht? ſo war hier z. B. die
Frage: ob in der Toggenburger Sache Reichsde-
putirte in ungleicher Anzahl beider Religionen er-
nannt werden ſollten? ob der Reichsſtadt Coͤlln
eine Moderation in der Reichsmatrikel angedeihen
ſollte? ob das Erzſtallmeiſteramt dem Hauſe Han-
nover aufgedrungen werden ſollte? ob das Erkennt-
niß der Reichsdeputation und des Reichshofraths
in der Zwingenbergiſchen Sache entkraͤftet werden
ſollte, oder nicht? Alle dieſe Fragen wollte der ca-
tholiſche Religionstheil mit der fuͤr ſich habenden
Mehrheit der Stimmen bejahend entſchieden ha-
ben, und alſo durchſetzen, was ſeinem Intereſſe
und ſeiner Geſinnung gemaͤß ſchien. Der evange-
liſche Religionstheil erklaͤrte ſich dagegen anderer
Meynung. Nun fiel das Durchſetzen mit der
Mehrheit der Stimmen weg. Es blieb nichts
uͤbrig, als ſich zu vergleichen. Oder wenn man
ſich nicht vergleichen konnte, blieb alles, wie es
war, und geſchah alſo das nicht, was man mit
der Mehrheit der Stimmen durchzuſetzen gedacht
hatte.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/446>, abgerufen am 22.11.2024.
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