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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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5) K. Gerichtb. in evang. geistl. Sach.

Ein ähnliches Beyspiel kann nach unsererXXII.
Reichsverfassung das Recht der Zölle abgeben. Ei-
nen Zoll kann kein Reichsstand vermöge seiner Lan-
deshoheit anlegen, sondern es wird eine besondere
kaiserliche Concession mit Einwilligung der Chur-
fürsten dazu erfordert. Gleichwohl haben die mei-
sten Reichsstände Zölle. Und wer einen Zoll hat,
sieht ihn als ein Hoheitsrecht an, das freylich or-
dentlicher Weise keinem Landsassen zugestanden
wird. Darum kann man doch nicht sagen, daß
das Zollrecht den Reichsständen vermöge der Lan-
deshoheit zukomme. Ungefähr eben so läßt sich
davon die Anwendung in ihrer Art auf die geistli-
che Gerichtbarkeit der evangelischen Reichsstände
machen.

In den meisten evangelischen Ländern sind zurXXIII.
Ausübung der geistlichen Gerichtbarkeit und ande-
rer geistlichen Hoheitsrechte eigne Consistorien an-
geordnet, die theils aus geistlichen theils aus welt-
lichen Räthen zu bestehen pflegen. Alsdann fällt
selbst äußerlich der Unterschied eben so in die Au-
gen, wie in catholischen geistlichen Ländern die Vica-
riate von Regierungen und Staatsministerien unter-
schieden, und nur letztere, nicht jene den Reichsge-
richten unterworfen sind. Aber wo auch in ein
oder anderem Lande, und insonderheit vorzüglich
in manchen Reichsstädten, keine eigne Consistorien
angeordnet sind, sondern die ordentliche Landes-
oder Stadt-Obrigkeit diese Sachen mit versieht;
da bleibt doch die Natur der Sachen immer eben
dieselbe. So wenig es aufhöret eine Lehnssache
zu seyn, wenn gleich heutiges Tages an den mei-
sten reichsständischen Höfen die Regierungen die

Lehns-
P. Entw. d. Staatsverf. Th. II. E e
5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach.

Ein aͤhnliches Beyſpiel kann nach unſererXXII.
Reichsverfaſſung das Recht der Zoͤlle abgeben. Ei-
nen Zoll kann kein Reichsſtand vermoͤge ſeiner Lan-
deshoheit anlegen, ſondern es wird eine beſondere
kaiſerliche Conceſſion mit Einwilligung der Chur-
fuͤrſten dazu erfordert. Gleichwohl haben die mei-
ſten Reichsſtaͤnde Zoͤlle. Und wer einen Zoll hat,
ſieht ihn als ein Hoheitsrecht an, das freylich or-
dentlicher Weiſe keinem Landſaſſen zugeſtanden
wird. Darum kann man doch nicht ſagen, daß
das Zollrecht den Reichsſtaͤnden vermoͤge der Lan-
deshoheit zukomme. Ungefaͤhr eben ſo laͤßt ſich
davon die Anwendung in ihrer Art auf die geiſtli-
che Gerichtbarkeit der evangeliſchen Reichsſtaͤnde
machen.

In den meiſten evangeliſchen Laͤndern ſind zurXXIII.
Ausuͤbung der geiſtlichen Gerichtbarkeit und ande-
rer geiſtlichen Hoheitsrechte eigne Conſiſtorien an-
geordnet, die theils aus geiſtlichen theils aus welt-
lichen Raͤthen zu beſtehen pflegen. Alsdann faͤllt
ſelbſt aͤußerlich der Unterſchied eben ſo in die Au-
gen, wie in catholiſchen geiſtlichen Laͤndern die Vica-
riate von Regierungen und Staatsminiſterien unter-
ſchieden, und nur letztere, nicht jene den Reichsge-
richten unterworfen ſind. Aber wo auch in ein
oder anderem Lande, und inſonderheit vorzuͤglich
in manchen Reichsſtaͤdten, keine eigne Conſiſtorien
angeordnet ſind, ſondern die ordentliche Landes-
oder Stadt-Obrigkeit dieſe Sachen mit verſieht;
da bleibt doch die Natur der Sachen immer eben
dieſelbe. So wenig es aufhoͤret eine Lehnsſache
zu ſeyn, wenn gleich heutiges Tages an den mei-
ſten reichsſtaͤndiſchen Hoͤfen die Regierungen die

Lehns-
P. Entw. d. Staatsverf. Th. II. E e
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[433/0475] 5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach. Ein aͤhnliches Beyſpiel kann nach unſerer Reichsverfaſſung das Recht der Zoͤlle abgeben. Ei- nen Zoll kann kein Reichsſtand vermoͤge ſeiner Lan- deshoheit anlegen, ſondern es wird eine beſondere kaiſerliche Conceſſion mit Einwilligung der Chur- fuͤrſten dazu erfordert. Gleichwohl haben die mei- ſten Reichsſtaͤnde Zoͤlle. Und wer einen Zoll hat, ſieht ihn als ein Hoheitsrecht an, das freylich or- dentlicher Weiſe keinem Landſaſſen zugeſtanden wird. Darum kann man doch nicht ſagen, daß das Zollrecht den Reichsſtaͤnden vermoͤge der Lan- deshoheit zukomme. Ungefaͤhr eben ſo laͤßt ſich davon die Anwendung in ihrer Art auf die geiſtli- che Gerichtbarkeit der evangeliſchen Reichsſtaͤnde machen. XXII. In den meiſten evangeliſchen Laͤndern ſind zur Ausuͤbung der geiſtlichen Gerichtbarkeit und ande- rer geiſtlichen Hoheitsrechte eigne Conſiſtorien an- geordnet, die theils aus geiſtlichen theils aus welt- lichen Raͤthen zu beſtehen pflegen. Alsdann faͤllt ſelbſt aͤußerlich der Unterſchied eben ſo in die Au- gen, wie in catholiſchen geiſtlichen Laͤndern die Vica- riate von Regierungen und Staatsminiſterien unter- ſchieden, und nur letztere, nicht jene den Reichsge- richten unterworfen ſind. Aber wo auch in ein oder anderem Lande, und inſonderheit vorzuͤglich in manchen Reichsſtaͤdten, keine eigne Conſiſtorien angeordnet ſind, ſondern die ordentliche Landes- oder Stadt-Obrigkeit dieſe Sachen mit verſieht; da bleibt doch die Natur der Sachen immer eben dieſelbe. So wenig es aufhoͤret eine Lehnsſache zu ſeyn, wenn gleich heutiges Tages an den mei- ſten reichsſtaͤndiſchen Hoͤfen die Regierungen die Lehns- XXIII. P. Entw. d. Staatsverf. Th. II. E e

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/475>, abgerufen am 22.11.2024.