kaiserlichen Hofe zur Entscheidung kommen möchte? Wie mußte aber vollends den Protestanten zu Muthe werden, da sie wußten, daß am Reichs- hofrathe nicht, wie am Cammergerichte, auch evan- gelische Mitglieder, sondern nur catholische Reichs- hofräthe waren, und da sie bald erfuhren, daß der Einfluß, den Jesuiten und Spanische Minister auf das kaiserliche Cabinet hatten, auch in Entschließun- gen auf Reichshofrathsgutachten oder in anderen unmittelbaren Einflüssen auf dieses hohe Collegium nicht unwirksam blieben?
In einem Schriftwechsel, den die Donawer-IV. thische Achtserklärung veranlaßte, kam es am ersten hierüber zur Sprache. Man suchte die Streitfrage so einzulenken: ob der Kaiser mit dem Cammer- gerichte noch eine concurrente Gerichtbarkeit habe? Man suchte also nicht sowohl das Reichs- hofrathscollegium, als die Person des Kaisers selbst hier zum Gegenstande aufzustellen. Nun hieß es: der Kaiser habe seine Gerichtbarkeit zwar dem Cam- mergerichte aufgetragen, aber (wie jetzt mit jesui- tischscholastischem Scharfsinn distinguirt wurde) nicht abdicativisch, so, daß er sich seiner Gericht- barkeit damit ganz begeben oder derselben ganz ent- saget hätte; sondern nur communicativisch habe der Kaiser dem Cammergerichte seine Gerichtbar- keit mitgetheilt, ohne daß ihm die Hände gebun- den wären, auch noch neben dem Cammergerichte eben diese Gerichtbarkeit auszuüben.
Nach richtigen Grundsätzen eines gesundenV. allgemeinen Staatsrechts, aus der Natur des Ju- stitzwesens geschöpft, und mit der besonderen Ver-
fas-
B 5
4) Rud. II. Reichshofrathsgerichtb.
kaiſerlichen Hofe zur Entſcheidung kommen moͤchte? Wie mußte aber vollends den Proteſtanten zu Muthe werden, da ſie wußten, daß am Reichs- hofrathe nicht, wie am Cammergerichte, auch evan- geliſche Mitglieder, ſondern nur catholiſche Reichs- hofraͤthe waren, und da ſie bald erfuhren, daß der Einfluß, den Jeſuiten und Spaniſche Miniſter auf das kaiſerliche Cabinet hatten, auch in Entſchließun- gen auf Reichshofrathsgutachten oder in anderen unmittelbaren Einfluͤſſen auf dieſes hohe Collegium nicht unwirkſam blieben?
In einem Schriftwechſel, den die Donawer-IV. thiſche Achtserklaͤrung veranlaßte, kam es am erſten hieruͤber zur Sprache. Man ſuchte die Streitfrage ſo einzulenken: ob der Kaiſer mit dem Cammer- gerichte noch eine concurrente Gerichtbarkeit habe? Man ſuchte alſo nicht ſowohl das Reichs- hofrathscollegium, als die Perſon des Kaiſers ſelbſt hier zum Gegenſtande aufzuſtellen. Nun hieß es: der Kaiſer habe ſeine Gerichtbarkeit zwar dem Cam- mergerichte aufgetragen, aber (wie jetzt mit jeſui- tiſchſcholaſtiſchem Scharfſinn diſtinguirt wurde) nicht abdicativiſch, ſo, daß er ſich ſeiner Gericht- barkeit damit ganz begeben oder derſelben ganz ent- ſaget haͤtte; ſondern nur communicativiſch habe der Kaiſer dem Cammergerichte ſeine Gerichtbar- keit mitgetheilt, ohne daß ihm die Haͤnde gebun- den waͤren, auch noch neben dem Cammergerichte eben dieſe Gerichtbarkeit auszuuͤben.
Nach richtigen Grundſaͤtzen eines geſundenV. allgemeinen Staatsrechts, aus der Natur des Ju- ſtitzweſens geſchoͤpft, und mit der beſonderen Ver-
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4) Rud. II. Reichshofrathsgerichtb.
kaiſerlichen Hofe zur Entſcheidung kommen moͤchte?
Wie mußte aber vollends den Proteſtanten zu
Muthe werden, da ſie wußten, daß am Reichs-
hofrathe nicht, wie am Cammergerichte, auch evan-
geliſche Mitglieder, ſondern nur catholiſche Reichs-
hofraͤthe waren, und da ſie bald erfuhren, daß der
Einfluß, den Jeſuiten und Spaniſche Miniſter auf
das kaiſerliche Cabinet hatten, auch in Entſchließun-
gen auf Reichshofrathsgutachten oder in anderen
unmittelbaren Einfluͤſſen auf dieſes hohe Collegium
nicht unwirkſam blieben?
In einem Schriftwechſel, den die Donawer-
thiſche Achtserklaͤrung veranlaßte, kam es am erſten
hieruͤber zur Sprache. Man ſuchte die Streitfrage
ſo einzulenken: ob der Kaiſer mit dem Cammer-
gerichte noch eine concurrente Gerichtbarkeit
habe? Man ſuchte alſo nicht ſowohl das Reichs-
hofrathscollegium, als die Perſon des Kaiſers ſelbſt
hier zum Gegenſtande aufzuſtellen. Nun hieß es:
der Kaiſer habe ſeine Gerichtbarkeit zwar dem Cam-
mergerichte aufgetragen, aber (wie jetzt mit jeſui-
tiſchſcholaſtiſchem Scharfſinn diſtinguirt wurde)
nicht abdicativiſch, ſo, daß er ſich ſeiner Gericht-
barkeit damit ganz begeben oder derſelben ganz ent-
ſaget haͤtte; ſondern nur communicativiſch habe
der Kaiſer dem Cammergerichte ſeine Gerichtbar-
keit mitgetheilt, ohne daß ihm die Haͤnde gebun-
den waͤren, auch noch neben dem Cammergerichte
eben dieſe Gerichtbarkeit auszuuͤben.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/67>, abgerufen am 16.02.2025.
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