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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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VI. Neuere Z. Ferd. I--III. 1558-1648.
fassung des Teutschen Reichs geschichtsmäßig ver-
glichen, hätte es nicht schwer fallen können, dar-
auf zu antworten: daß allerdings die Ausübung
der kaiserlichen Gerichtbarkeit, wie sie am Cammer-
gerichte geschehen solle, einmal von Kaiser und
Reich durch gegenseitige reichsgefetzliche Ueberein-
kunft dergestalt festgesetzt sey, daß ohne ebenmäßige
gegenseitige Einwilligung beider Theile nicht wie-
der davon zurückgegangen werden könne, und also
der kaiserliche Hof für sich alleine diesem einmal
mit den Ständen verglichenen höchsten Reichsge-
richte nicht noch ein anderes an die Seite zu setzen
berechtiget sey.


VI.

Im Grunde wäre selbst das wahre kaiserliche
Interesse
besser dabey gefahren, wenn man es
bey dem verglichenen Cammergerichte gelaßen, und
dasselbe nur desto mehr in Aufnahme zu bringen
gesucht hätte. Je vollkommener man dieses Ge-
richt hätte machen können, um dessen Erkenntnisse
über alle Vorwürfe zu erheben, je mehr würde
das kaiserliche Ansehen dabey gewonnen haben,
da es allerdings keine gründlichere Stütze als an
Handhabung einer gerade durchgehenden Gerechtig-
keit haben konnte. So aber ließ man das Cam-
mergericht vielmehr sinken, obgleich auch dessen
Erkenntnisse unter des Kaisers alleinigem Namen
und Siegel ausgefertiget wurden.


VII.

Was insonderheit dem Cammergerichte unter
dieser Regierung einen unwiederbringlichen Stoß
gab, bestand darin, daß man die jährlichen ordent-
lichen Visitationen desselben aus dem Gange kom-
men ließ. Nach der bisherigen Einrichtung, da

immer

VI. Neuere Z. Ferd. I—III. 1558-1648.
faſſung des Teutſchen Reichs geſchichtsmaͤßig ver-
glichen, haͤtte es nicht ſchwer fallen koͤnnen, dar-
auf zu antworten: daß allerdings die Ausuͤbung
der kaiſerlichen Gerichtbarkeit, wie ſie am Cammer-
gerichte geſchehen ſolle, einmal von Kaiſer und
Reich durch gegenſeitige reichsgefetzliche Ueberein-
kunft dergeſtalt feſtgeſetzt ſey, daß ohne ebenmaͤßige
gegenſeitige Einwilligung beider Theile nicht wie-
der davon zuruͤckgegangen werden koͤnne, und alſo
der kaiſerliche Hof fuͤr ſich alleine dieſem einmal
mit den Staͤnden verglichenen hoͤchſten Reichsge-
richte nicht noch ein anderes an die Seite zu ſetzen
berechtiget ſey.


VI.

Im Grunde waͤre ſelbſt das wahre kaiſerliche
Intereſſe
beſſer dabey gefahren, wenn man es
bey dem verglichenen Cammergerichte gelaßen, und
daſſelbe nur deſto mehr in Aufnahme zu bringen
geſucht haͤtte. Je vollkommener man dieſes Ge-
richt haͤtte machen koͤnnen, um deſſen Erkenntniſſe
uͤber alle Vorwuͤrfe zu erheben, je mehr wuͤrde
das kaiſerliche Anſehen dabey gewonnen haben,
da es allerdings keine gruͤndlichere Stuͤtze als an
Handhabung einer gerade durchgehenden Gerechtig-
keit haben konnte. So aber ließ man das Cam-
mergericht vielmehr ſinken, obgleich auch deſſen
Erkenntniſſe unter des Kaiſers alleinigem Namen
und Siegel ausgefertiget wurden.


VII.

Was inſonderheit dem Cammergerichte unter
dieſer Regierung einen unwiederbringlichen Stoß
gab, beſtand darin, daß man die jaͤhrlichen ordent-
lichen Viſitationen deſſelben aus dem Gange kom-
men ließ. Nach der bisherigen Einrichtung, da

immer
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[26/0068] VI. Neuere Z. Ferd. I—III. 1558-1648. faſſung des Teutſchen Reichs geſchichtsmaͤßig ver- glichen, haͤtte es nicht ſchwer fallen koͤnnen, dar- auf zu antworten: daß allerdings die Ausuͤbung der kaiſerlichen Gerichtbarkeit, wie ſie am Cammer- gerichte geſchehen ſolle, einmal von Kaiſer und Reich durch gegenſeitige reichsgefetzliche Ueberein- kunft dergeſtalt feſtgeſetzt ſey, daß ohne ebenmaͤßige gegenſeitige Einwilligung beider Theile nicht wie- der davon zuruͤckgegangen werden koͤnne, und alſo der kaiſerliche Hof fuͤr ſich alleine dieſem einmal mit den Staͤnden verglichenen hoͤchſten Reichsge- richte nicht noch ein anderes an die Seite zu ſetzen berechtiget ſey. Im Grunde waͤre ſelbſt das wahre kaiſerliche Intereſſe beſſer dabey gefahren, wenn man es bey dem verglichenen Cammergerichte gelaßen, und daſſelbe nur deſto mehr in Aufnahme zu bringen geſucht haͤtte. Je vollkommener man dieſes Ge- richt haͤtte machen koͤnnen, um deſſen Erkenntniſſe uͤber alle Vorwuͤrfe zu erheben, je mehr wuͤrde das kaiſerliche Anſehen dabey gewonnen haben, da es allerdings keine gruͤndlichere Stuͤtze als an Handhabung einer gerade durchgehenden Gerechtig- keit haben konnte. So aber ließ man das Cam- mergericht vielmehr ſinken, obgleich auch deſſen Erkenntniſſe unter des Kaiſers alleinigem Namen und Siegel ausgefertiget wurden. Was inſonderheit dem Cammergerichte unter dieſer Regierung einen unwiederbringlichen Stoß gab, beſtand darin, daß man die jaͤhrlichen ordent- lichen Viſitationen deſſelben aus dem Gange kom- men ließ. Nach der bisherigen Einrichtung, da immer

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/68>, abgerufen am 18.05.2024.