Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

3) Kaiserw., Kreist., Religionstheile.
Entbindung zu ertheilen, wie auf solche Art Pabst
Paul der IV. den König Philipp den II. von Spa-
nien von aller Verbindlichkeit des Eides, den er
den Niederländischen Provinzen zu Erhaltung ih-
rer Freyheit und Religion geleistet hatte, lossprach,
um nun ungehindert alle Protestanten in den Nie-
derlanden verfolgen zu können.

Zur Ehre der Menschheit muß man zwar be-X.
merklich machen, daß es von je her auch unter
den Catholischen nicht an solchen gefehlet hat, die
aufgeklärt gnug waren, um den Ungrund solcher
intoleranten Grundsätze einzusehen, und redlich
gesinnt gnug, um die daraus hergeleiteten Gesin-
nungen zu verabscheuen. Aber in welchem Ver-
hältnisse stand die Zahl dieser Aufgeklärten gegen
den unübersehlich großen Haufen derer, die nicht
vermögend waren, darüber nachzudenken, und
über die von Jugend auf eingesogenen Vorurtheile,
wodurch jene Grundsätze einmal tiefe Wurzeln bey
ihnen geschlagen hatten, sich hinauszusetzen? Wie
große Hindernisse wurden deswegen überall jedem
Mittel, das nur zu einiger Aufklärung über diese
Dinge führen könnte, in Weg gelegt? Wie sorg-
fältig suchte man Lesung solcher Schriften, die hier-
über einiges Licht verbreiten möchten, Besuchung
protestantischer hoher und niederer Schulen, oder
auch nur jeden vertrauten Umgang mit Protestan-
ten verdächtig zu machen, und als äußerst gefähr-
lich zurück zu halten? Und wenn dann auch hier
und da ein aufgeklärter Catholik anders dachte, so
durfte er es doch nicht wagen, solche Gesinnungen
nur blicken zu laßen, ohne sich selbst den größten
Verfolgungen auszusetzen, so weit nur Jesuiten

oder

3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
Entbindung zu ertheilen, wie auf ſolche Art Pabſt
Paul der IV. den Koͤnig Philipp den II. von Spa-
nien von aller Verbindlichkeit des Eides, den er
den Niederlaͤndiſchen Provinzen zu Erhaltung ih-
rer Freyheit und Religion geleiſtet hatte, losſprach,
um nun ungehindert alle Proteſtanten in den Nie-
derlanden verfolgen zu koͤnnen.

Zur Ehre der Menſchheit muß man zwar be-X.
merklich machen, daß es von je her auch unter
den Catholiſchen nicht an ſolchen gefehlet hat, die
aufgeklaͤrt gnug waren, um den Ungrund ſolcher
intoleranten Grundſaͤtze einzuſehen, und redlich
geſinnt gnug, um die daraus hergeleiteten Geſin-
nungen zu verabſcheuen. Aber in welchem Ver-
haͤltniſſe ſtand die Zahl dieſer Aufgeklaͤrten gegen
den unuͤberſehlich großen Haufen derer, die nicht
vermoͤgend waren, daruͤber nachzudenken, und
uͤber die von Jugend auf eingeſogenen Vorurtheile,
wodurch jene Grundſaͤtze einmal tiefe Wurzeln bey
ihnen geſchlagen hatten, ſich hinauszuſetzen? Wie
große Hinderniſſe wurden deswegen uͤberall jedem
Mittel, das nur zu einiger Aufklaͤrung uͤber dieſe
Dinge fuͤhren koͤnnte, in Weg gelegt? Wie ſorg-
faͤltig ſuchte man Leſung ſolcher Schriften, die hier-
uͤber einiges Licht verbreiten moͤchten, Beſuchung
proteſtantiſcher hoher und niederer Schulen, oder
auch nur jeden vertrauten Umgang mit Proteſtan-
ten verdaͤchtig zu machen, und als aͤußerſt gefaͤhr-
lich zuruͤck zu halten? Und wenn dann auch hier
und da ein aufgeklaͤrter Catholik anders dachte, ſo
durfte er es doch nicht wagen, ſolche Geſinnungen
nur blicken zu laßen, ohne ſich ſelbſt den groͤßten
Verfolgungen auszuſetzen, ſo weit nur Jeſuiten

oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0287" n="253"/><fw place="top" type="header">3) Kai&#x017F;erw., Kreist., Religionstheile.</fw><lb/>
Entbindung zu ertheilen, wie auf &#x017F;olche Art Pab&#x017F;t<lb/>
Paul der <hi rendition="#aq">IV.</hi> den Ko&#x0364;nig Philipp den <hi rendition="#aq">II.</hi> von Spa-<lb/>
nien von aller Verbindlichkeit des Eides, den er<lb/>
den Niederla&#x0364;ndi&#x017F;chen Provinzen zu Erhaltung ih-<lb/>
rer Freyheit und Religion gelei&#x017F;tet hatte, los&#x017F;prach,<lb/>
um nun ungehindert alle Prote&#x017F;tanten in den Nie-<lb/>
derlanden verfolgen zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Zur Ehre der Men&#x017F;chheit muß man zwar be-<note place="right"><hi rendition="#aq">X.</hi></note><lb/>
merklich machen, daß es von je her auch unter<lb/>
den Catholi&#x017F;chen nicht an &#x017F;olchen gefehlet hat, die<lb/>
aufgekla&#x0364;rt gnug waren, um den Ungrund &#x017F;olcher<lb/>
intoleranten Grund&#x017F;a&#x0364;tze einzu&#x017F;ehen, und redlich<lb/>
ge&#x017F;innt gnug, um die daraus hergeleiteten Ge&#x017F;in-<lb/>
nungen zu verab&#x017F;cheuen. Aber in welchem Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tand die Zahl die&#x017F;er Aufgekla&#x0364;rten gegen<lb/>
den unu&#x0364;ber&#x017F;ehlich großen Haufen derer, die nicht<lb/>
vermo&#x0364;gend waren, daru&#x0364;ber nachzudenken, und<lb/>
u&#x0364;ber die von Jugend auf einge&#x017F;ogenen Vorurtheile,<lb/>
wodurch jene Grund&#x017F;a&#x0364;tze einmal tiefe Wurzeln bey<lb/>
ihnen ge&#x017F;chlagen hatten, &#x017F;ich hinauszu&#x017F;etzen? Wie<lb/>
große Hinderni&#x017F;&#x017F;e wurden deswegen u&#x0364;berall jedem<lb/>
Mittel, das nur zu einiger Aufkla&#x0364;rung u&#x0364;ber die&#x017F;e<lb/>
Dinge fu&#x0364;hren ko&#x0364;nnte, in Weg gelegt? Wie &#x017F;org-<lb/>
fa&#x0364;ltig &#x017F;uchte man Le&#x017F;ung &#x017F;olcher Schriften, die hier-<lb/>
u&#x0364;ber einiges Licht verbreiten mo&#x0364;chten, Be&#x017F;uchung<lb/>
prote&#x017F;tanti&#x017F;cher hoher und niederer Schulen, oder<lb/>
auch nur jeden vertrauten Umgang mit Prote&#x017F;tan-<lb/>
ten verda&#x0364;chtig zu machen, und als a&#x0364;ußer&#x017F;t gefa&#x0364;hr-<lb/>
lich zuru&#x0364;ck zu halten? Und wenn dann auch hier<lb/>
und da ein aufgekla&#x0364;rter Catholik anders dachte, &#x017F;o<lb/>
durfte er es doch nicht wagen, &#x017F;olche Ge&#x017F;innungen<lb/>
nur blicken zu laßen, ohne &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t den gro&#x0364;ßten<lb/>
Verfolgungen auszu&#x017F;etzen, &#x017F;o weit nur Je&#x017F;uiten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0287] 3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile. Entbindung zu ertheilen, wie auf ſolche Art Pabſt Paul der IV. den Koͤnig Philipp den II. von Spa- nien von aller Verbindlichkeit des Eides, den er den Niederlaͤndiſchen Provinzen zu Erhaltung ih- rer Freyheit und Religion geleiſtet hatte, losſprach, um nun ungehindert alle Proteſtanten in den Nie- derlanden verfolgen zu koͤnnen. Zur Ehre der Menſchheit muß man zwar be- merklich machen, daß es von je her auch unter den Catholiſchen nicht an ſolchen gefehlet hat, die aufgeklaͤrt gnug waren, um den Ungrund ſolcher intoleranten Grundſaͤtze einzuſehen, und redlich geſinnt gnug, um die daraus hergeleiteten Geſin- nungen zu verabſcheuen. Aber in welchem Ver- haͤltniſſe ſtand die Zahl dieſer Aufgeklaͤrten gegen den unuͤberſehlich großen Haufen derer, die nicht vermoͤgend waren, daruͤber nachzudenken, und uͤber die von Jugend auf eingeſogenen Vorurtheile, wodurch jene Grundſaͤtze einmal tiefe Wurzeln bey ihnen geſchlagen hatten, ſich hinauszuſetzen? Wie große Hinderniſſe wurden deswegen uͤberall jedem Mittel, das nur zu einiger Aufklaͤrung uͤber dieſe Dinge fuͤhren koͤnnte, in Weg gelegt? Wie ſorg- faͤltig ſuchte man Leſung ſolcher Schriften, die hier- uͤber einiges Licht verbreiten moͤchten, Beſuchung proteſtantiſcher hoher und niederer Schulen, oder auch nur jeden vertrauten Umgang mit Proteſtan- ten verdaͤchtig zu machen, und als aͤußerſt gefaͤhr- lich zuruͤck zu halten? Und wenn dann auch hier und da ein aufgeklaͤrter Catholik anders dachte, ſo durfte er es doch nicht wagen, ſolche Geſinnungen nur blicken zu laßen, ohne ſich ſelbſt den groͤßten Verfolgungen auszuſetzen, ſo weit nur Jeſuiten oder X.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/287
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/287>, abgerufen am 31.10.2024.