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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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XIV. Heutige Verfassung.
menden Gelegenheiten in Schulen, Kirchen und
dazu gehörigen Gütern und Einkünften ihnen allen
möglichen Abbruch zu thun; das alles dann selbst
als ein Gottgefälliges und zur ewigen Seligkeit
verdienstliches Werk angesehen und gepriesen wer-
den müße.


IX.

Diesen Grundsätzen sollte nun freylich in
Teutschland in der Anwendung alle Kraft benom-
men seyn, da im Westphälischen Frieden und allen
unsern heiligsten Reichsgrundgesetzen auf alle mög-
liche Art vorgebauet ist, daß die evangelische Re-
ligion nicht als ketzerisch behandelt werden solle.
Allein nach dem wahren Systeme der Römischen
Kirche, wie es insonderheit die Jesuiten durchaus
behauptet und ihren Zöglingen unabfällig beyzu-
bringen gesucht haben, hat das alles zum Nach-
theile der Kirche von keiner Kraft seyn können (w).
Gesetzt auch, daß Vorstellungen von der Verbind-
lichkeit feierlicher Grundgesetze oder gar eidlicher
Versicherungen jemanden im Gewissen einen Scru-
pel dagegen erregen sollten, so bliebe der päbstlichen
Gewalt nach jenem Systeme doch unbenommen,
auch von den theuersten Eidesleistungen aus gött-
lich statthalterischer Machtvollkommenheit völlige

Ent-
(w) So ward zu Rom noch im Jahre 1782.,
da man sich wegen Aufhebung der Cöllnischen
Dioecesanrechte im Herzogthum Cleve auf den
Westphälischen Frieden Art. 5. §. 48. berief, von
Seiten des päbstlichen Hofes geantwortet: "Non
puo valutarsi -- l'Art. V. della pace Westfalica,
giacche e noto che la santa sede non ha mai ri-
conofciuta questa pace, contro di cui Innocenzo
X. si protesto."
Berliner Monathschrift 1786.
Aug. S. 119.

XIV. Heutige Verfaſſung.
menden Gelegenheiten in Schulen, Kirchen und
dazu gehoͤrigen Guͤtern und Einkuͤnften ihnen allen
moͤglichen Abbruch zu thun; das alles dann ſelbſt
als ein Gottgefaͤlliges und zur ewigen Seligkeit
verdienſtliches Werk angeſehen und geprieſen wer-
den muͤße.


IX.

Dieſen Grundſaͤtzen ſollte nun freylich in
Teutſchland in der Anwendung alle Kraft benom-
men ſeyn, da im Weſtphaͤliſchen Frieden und allen
unſern heiligſten Reichsgrundgeſetzen auf alle moͤg-
liche Art vorgebauet iſt, daß die evangeliſche Re-
ligion nicht als ketzeriſch behandelt werden ſolle.
Allein nach dem wahren Syſteme der Roͤmiſchen
Kirche, wie es inſonderheit die Jeſuiten durchaus
behauptet und ihren Zoͤglingen unabfaͤllig beyzu-
bringen geſucht haben, hat das alles zum Nach-
theile der Kirche von keiner Kraft ſeyn koͤnnen (w).
Geſetzt auch, daß Vorſtellungen von der Verbind-
lichkeit feierlicher Grundgeſetze oder gar eidlicher
Verſicherungen jemanden im Gewiſſen einen Scru-
pel dagegen erregen ſollten, ſo bliebe der paͤbſtlichen
Gewalt nach jenem Syſteme doch unbenommen,
auch von den theuerſten Eidesleiſtungen aus goͤtt-
lich ſtatthalteriſcher Machtvollkommenheit voͤllige

Ent-
(w) So ward zu Rom noch im Jahre 1782.,
da man ſich wegen Aufhebung der Coͤllniſchen
Dioeceſanrechte im Herzogthum Cleve auf den
Weſtphaͤliſchen Frieden Art. 5. §. 48. berief, von
Seiten des paͤbſtlichen Hofes geantwortet: “Non
puó valutarſi — l’Art. V. della pace Weſtfalica,
giacche é noto che la ſanta ſede non ha mai ri-
conofciuta queſta pace, contro di cui Innocenzo
X. ſi proteſto.”
Berliner Monathſchrift 1786.
Aug. S. 119.
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[252/0286] XIV. Heutige Verfaſſung. menden Gelegenheiten in Schulen, Kirchen und dazu gehoͤrigen Guͤtern und Einkuͤnften ihnen allen moͤglichen Abbruch zu thun; das alles dann ſelbſt als ein Gottgefaͤlliges und zur ewigen Seligkeit verdienſtliches Werk angeſehen und geprieſen wer- den muͤße. Dieſen Grundſaͤtzen ſollte nun freylich in Teutſchland in der Anwendung alle Kraft benom- men ſeyn, da im Weſtphaͤliſchen Frieden und allen unſern heiligſten Reichsgrundgeſetzen auf alle moͤg- liche Art vorgebauet iſt, daß die evangeliſche Re- ligion nicht als ketzeriſch behandelt werden ſolle. Allein nach dem wahren Syſteme der Roͤmiſchen Kirche, wie es inſonderheit die Jeſuiten durchaus behauptet und ihren Zoͤglingen unabfaͤllig beyzu- bringen geſucht haben, hat das alles zum Nach- theile der Kirche von keiner Kraft ſeyn koͤnnen (w). Geſetzt auch, daß Vorſtellungen von der Verbind- lichkeit feierlicher Grundgeſetze oder gar eidlicher Verſicherungen jemanden im Gewiſſen einen Scru- pel dagegen erregen ſollten, ſo bliebe der paͤbſtlichen Gewalt nach jenem Syſteme doch unbenommen, auch von den theuerſten Eidesleiſtungen aus goͤtt- lich ſtatthalteriſcher Machtvollkommenheit voͤllige Ent- (w) So ward zu Rom noch im Jahre 1782., da man ſich wegen Aufhebung der Coͤllniſchen Dioeceſanrechte im Herzogthum Cleve auf den Weſtphaͤliſchen Frieden Art. 5. §. 48. berief, von Seiten des paͤbſtlichen Hofes geantwortet: “Non puó valutarſi — l’Art. V. della pace Weſtfalica, giacche é noto che la ſanta ſede non ha mai ri- conofciuta queſta pace, contro di cui Innocenzo X. ſi proteſto.” Berliner Monathſchrift 1786. Aug. S. 119.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/286>, abgerufen am 21.11.2024.