Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

von Teutschland.

Grunde gangen. Es thut auch zur
Schwachheit der Stände dero Vielheit/
weil es schwerlich fehlen kan/ daß nicht
unter so vielen einige solten gefunden wer-
den/ die aus Unverstand/ oder Eigensin-
nigkeit/ oder besondere Passion auf Ab-
wege begeben/ oder von andern sich zu
schlimmen Anschlägen solten verleiten
lassen/ so daßes fast ein Wunderwerck
wäre/ wenn so viel Köpfe solten unter ei-
nen Hut gebracht werden. Die Stände
sind auch an Macht einander sehr un-
gleich; dannenhero kommt es/ daß einige
wenige Mächtige fast gantz en Souverain
thun/ und sich ihre eigne raison d' Etat
formiren wollen/ auch mehr für ihre eige-
ne Hoheit/ als die gemeine Freyheit ar-
beiten/ und wenig Wesen davon ma-
chen/ wenn sie ihre kleinere Mit-Stände
ruiniren. Hingegen diese wenn sie sehen/
daß sie bey den Gesetzen keinen Schutz
finden/ endlich auch mehr auf ihre eigene
Erhaltung/ als auf das gemeine Beste
sehen müssen/ und sich endlich einbilden/
es könne gleich viel seyn/ wie derjenige heis-
se/ von dem sie untergedruckt werden.
Jch will nicht sagen von der jalousie un-
ter den drey Reichs-Collegien, und den
absonderlichen Streitigkeiten unter den
meisten Ständen; und wolte wündschen/

daß

von Teutſchland.

Grunde gangen. Es thut auch zur
Schwachheit der Staͤnde dero Vielheit/
weil es ſchwerlich fehlen kan/ daß nicht
unter ſo vielen einige ſolten gefunden wer-
den/ die aus Unverſtand/ oder Eigenſin-
nigkeit/ oder beſondere Paſſion auf Ab-
wege begeben/ oder von andern ſich zu
ſchlimmen Anſchlaͤgen ſolten verleiten
laſſen/ ſo daßes faſt ein Wunderwerck
waͤre/ wenn ſo viel Koͤpfe ſolten unter ei-
nen Hut gebracht werden. Die Staͤnde
ſind auch an Macht einander ſehr un-
gleich; dannenhero kommt es/ daß einige
wenige Maͤchtige faſt gantz en Souverain
thun/ und ſich ihre eigne raiſon d’ Etat
formiren wollen/ auch mehr fuͤr ihre eige-
ne Hoheit/ als die gemeine Freyheit ar-
beiten/ und wenig Weſen davon ma-
chen/ wenn ſie ihre kleinere Mit-Staͤnde
ruiniren. Hingegen dieſe wenn ſie ſehen/
daß ſie bey den Geſetzen keinen Schutz
finden/ endlich auch mehr auf ihre eigene
Erhaltung/ als auf das gemeine Beſte
ſehen muͤſſen/ und ſich endlich einbilden/
es koͤnne gleich viel ſeyn/ wie derjenige heiſ-
ſe/ von dem ſie untergedruckt werden.
Jch will nicht ſagen von der jalouſie un-
ter den drey Reichs-Collegien, und den
abſonderlichen Streitigkeiten unter den
meiſten Staͤnden; und wolte wuͤndſchen/

daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0651" n="621"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Teut&#x017F;chland.</hi></fw><lb/>
Grunde gangen. Es thut auch zur<lb/>
Schwachheit der Sta&#x0364;nde dero Vielheit/<lb/>
weil es &#x017F;chwerlich fehlen kan/ daß nicht<lb/>
unter &#x017F;o vielen einige &#x017F;olten gefunden wer-<lb/>
den/ die aus Unver&#x017F;tand/ oder Eigen&#x017F;in-<lb/>
nigkeit/ oder be&#x017F;ondere <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;ion</hi> auf Ab-<lb/>
wege begeben/ oder von andern &#x017F;ich zu<lb/>
&#x017F;chlimmen An&#x017F;chla&#x0364;gen &#x017F;olten verleiten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o daßes fa&#x017F;t ein Wunderwerck<lb/>
wa&#x0364;re/ wenn &#x017F;o viel Ko&#x0364;pfe &#x017F;olten unter ei-<lb/>
nen Hut gebracht werden. Die Sta&#x0364;nde<lb/>
&#x017F;ind auch an Macht einander &#x017F;ehr un-<lb/>
gleich; dannenhero kommt es/ daß einige<lb/>
wenige Ma&#x0364;chtige fa&#x017F;t gantz <hi rendition="#aq">en Souverain</hi><lb/>
thun/ und &#x017F;ich ihre eigne <hi rendition="#aq">rai&#x017F;on d&#x2019; Etat<lb/>
formir</hi>en wollen/ auch mehr fu&#x0364;r ihre eige-<lb/>
ne Hoheit/ als die gemeine Freyheit ar-<lb/>
beiten/ und wenig We&#x017F;en davon ma-<lb/>
chen/ wenn &#x017F;ie ihre kleinere Mit-Sta&#x0364;nde<lb/><hi rendition="#aq">ruinir</hi>en. Hingegen die&#x017F;e wenn &#x017F;ie &#x017F;ehen/<lb/>
daß &#x017F;ie bey den Ge&#x017F;etzen keinen Schutz<lb/>
finden/ endlich auch mehr auf ihre eigene<lb/>
Erhaltung/ als auf das gemeine Be&#x017F;te<lb/>
&#x017F;ehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;ich endlich einbilden/<lb/>
es ko&#x0364;nne gleich viel &#x017F;eyn/ wie derjenige hei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e/ von dem &#x017F;ie untergedruckt werden.<lb/>
Jch will nicht &#x017F;agen von der <hi rendition="#aq">jalou&#x017F;ie</hi> un-<lb/>
ter den drey Reichs-<hi rendition="#aq">Collegien,</hi> und den<lb/>
ab&#x017F;onderlichen Streitigkeiten unter den<lb/>
mei&#x017F;ten Sta&#x0364;nden; und wolte wu&#x0364;nd&#x017F;chen/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[621/0651] von Teutſchland. Grunde gangen. Es thut auch zur Schwachheit der Staͤnde dero Vielheit/ weil es ſchwerlich fehlen kan/ daß nicht unter ſo vielen einige ſolten gefunden wer- den/ die aus Unverſtand/ oder Eigenſin- nigkeit/ oder beſondere Paſſion auf Ab- wege begeben/ oder von andern ſich zu ſchlimmen Anſchlaͤgen ſolten verleiten laſſen/ ſo daßes faſt ein Wunderwerck waͤre/ wenn ſo viel Koͤpfe ſolten unter ei- nen Hut gebracht werden. Die Staͤnde ſind auch an Macht einander ſehr un- gleich; dannenhero kommt es/ daß einige wenige Maͤchtige faſt gantz en Souverain thun/ und ſich ihre eigne raiſon d’ Etat formiren wollen/ auch mehr fuͤr ihre eige- ne Hoheit/ als die gemeine Freyheit ar- beiten/ und wenig Weſen davon ma- chen/ wenn ſie ihre kleinere Mit-Staͤnde ruiniren. Hingegen dieſe wenn ſie ſehen/ daß ſie bey den Geſetzen keinen Schutz finden/ endlich auch mehr auf ihre eigene Erhaltung/ als auf das gemeine Beſte ſehen muͤſſen/ und ſich endlich einbilden/ es koͤnne gleich viel ſeyn/ wie derjenige heiſ- ſe/ von dem ſie untergedruckt werden. Jch will nicht ſagen von der jalouſie un- ter den drey Reichs-Collegien, und den abſonderlichen Streitigkeiten unter den meiſten Staͤnden; und wolte wuͤndſchen/ daß

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682/651
Zitationshilfe:	Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682/651>, abgerufen am 22.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.