Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682.Das XII. Capitel mand/ der vermeinete/ es würde die Sacheso weit kommen. Lutherus selbst gedach- te erst nicht an den Abfall vom Pabst. Keyser Maximilian hatte kein Abscheu an Lutheri Lehre/ und soll/ als er Anfangs von ihm gehöret/ gesaget haben: man solte ihm diesen Münch wohl verwahren/ er wolte sich seiner nützlich bedienen. Nur etzliche Münche und Commissarii, deren Gewinn Abbruch leiden wolte/ machten ein Geschrey und Tumult mit solcher Un- sinnigkeit/ daß sie aus einem kleinen Fünk- lein ein groß Feuer aufbliesen. So hatte auch das Christenthum selbiger Zeit eine elende Beschaffenheit. Die Welt war gantz in Ceremonien ersoffen; die bösen Münche herrscheten ungestrafft nach ih- rem Muthwillen/ die mit unauflößlichen Stricken die Gewissen eingewickelt hat- ten. Die damahlige Theologie war zu lauter Sophisterey worden. Man de- finirte dogmata, und setzte Propositiones ohne sich zu bekümmern/ woher man sie beweisen wolte. So war auch das Le- ben der damahligen Clerisey von Vor- nehmsten biß auf den Geringsten sehr verhasset und verachtet. Die neulich- sten Päbste Alexander VI. und Julius II. hatten wegen ihrer Laster/ Unruhe/ Treu-
Das XII. Capitel mand/ der veꝛmeinete/ es wuͤꝛde die Sacheſo weit kommen. Lutherus ſelbſt gedach- te erſt nicht an den Abfall vom Pabſt. Keyſer Maximilian hatte kein Abſcheu an Lutheri Lehre/ und ſoll/ als er Anfangs von ihm gehoͤret/ geſaget haben: man ſolte ihm dieſen Muͤnch wohl verwahren/ er wolte ſich ſeiner nuͤtzlich bedienen. Nur etzliche Muͤnche und Commiſſarii, deren Gewinn Abbruch leiden wolte/ machten ein Geſchrey und Tumult mit ſolcher Un- ſinnigkeit/ daß ſie aus einem kleinen Fuͤnk- lein ein groß Feuer aufblieſen. So hatte auch das Chriſtenthum ſelbiger Zeit eine elende Beſchaffenheit. Die Welt war gantz in Ceremonien erſoffen; die boͤſen Muͤnche herrſcheten ungeſtrafft nach ih- rem Muthwillen/ die mit unaufloͤßlichen Stricken die Gewiſſen eingewickelt hat- ten. Die damahlige Theologie war zu lauter Sophiſterey worden. Man de- finirte dogmata, und ſetzte Propoſitiones ohne ſich zu bekuͤmmern/ woher man ſie beweiſen wolte. So war auch das Le- ben der damahligen Cleriſey von Vor- nehmſten biß auf den Geringſten ſehr verhaſſet und verachtet. Die neulich- ſten Paͤbſte Alexander VI. und Julius II. hatten wegen ihrer Laſter/ Unruhe/ Treu-
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Das XII. Capitel
mand/ der veꝛmeinete/ es wuͤꝛde die Sache
ſo weit kommen. Lutherus ſelbſt gedach-
te erſt nicht an den Abfall vom Pabſt.
Keyſer Maximilian hatte kein Abſcheu
an Lutheri Lehre/ und ſoll/ als er Anfangs
von ihm gehoͤret/ geſaget haben: man
ſolte ihm dieſen Muͤnch wohl verwahren/
er wolte ſich ſeiner nuͤtzlich bedienen. Nur
etzliche Muͤnche und Commiſſarii, deren
Gewinn Abbruch leiden wolte/ machten
ein Geſchrey und Tumult mit ſolcher Un-
ſinnigkeit/ daß ſie aus einem kleinen Fuͤnk-
lein ein groß Feuer aufblieſen. So hatte
auch das Chriſtenthum ſelbiger Zeit eine
elende Beſchaffenheit. Die Welt war
gantz in Ceremonien erſoffen; die boͤſen
Muͤnche herrſcheten ungeſtrafft nach ih-
rem Muthwillen/ die mit unaufloͤßlichen
Stricken die Gewiſſen eingewickelt hat-
ten. Die damahlige Theologie war
zu lauter Sophiſterey worden. Man de-
finirte dogmata, und ſetzte Propoſitiones
ohne ſich zu bekuͤmmern/ woher man ſie
beweiſen wolte. So war auch das Le-
ben der damahligen Cleriſey von Vor-
nehmſten biß auf den Geringſten ſehr
verhaſſet und verachtet. Die neulich-
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