Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

Des ersten Buchs
Eigenschafft der Sache/ als das Un-
vermögen unsers Verstandes anzeu-
get/ und eben so viel gesaget ist/ als
wenn wir sprechen/ daß wir die Grös-
se seines Wesens nicht erreichen kön-
ten. Dannenhero ists auch unrecht/
wenn man Jhm gewisse Theile zu-
leget/ oder/ als etwas Gantzes be-
trachtet/ denn alles dieses seynd Ei-
genschafften derer endlichen Dinge.
So kan man eigendlich auch nicht sa-
gen/ daß er irgend an einem Orte
sey/
weil dieses Ziel und Masse von
einer gewissen Grösse auf sich hat.
Auch nicht/ daß Er sich bewege/
oder Ruhe/ denn beydes erfordert/
daß man an einem gewissen Orte sey.
Ebenfalls kan auch GOtt eigendlich
nicht zugeschrieben werden/ was ei-
nen Schmertz und Leidenschafft
bedeutet/ als da seynd Zorn/ Reue/
Mitleiden/ Erbarmniß/ und s. w.
Eigendlich sage ich: denn wo man ja

der-

Des erſten Buchs
Eigenſchafft der Sache/ als das Un-
vermoͤgen unſers Verſtandes anzeu-
get/ und eben ſo viel geſaget iſt/ als
wenn wir ſprechen/ daß wir die Groͤſ-
ſe ſeines Weſens nicht erreichen koͤn-
ten. Dannenhero iſts auch unrecht/
wenn man Jhm gewiſſe Theile zu-
leget/ oder/ als etwas Gantzes be-
trachtet/ denn alles dieſes ſeynd Ei-
genſchafften derer endlichen Dinge.
So kan man eigendlich auch nicht ſa-
gen/ daß er irgend an einem Orte
ſey/
weil dieſes Ziel und Maſſe von
einer gewiſſen Groͤſſe auf ſich hat.
Auch nicht/ daß Er ſich bewege/
oder Ruhe/ denn beydes erfordert/
daß man an einem gewiſſen Orte ſey.
Ebenfalls kan auch GOtt eigendlich
nicht zugeſchrieben werden/ was ei-
nen Schmertz und Leidenſchafft
bedeutet/ als da ſeynd Zorn/ Reue/
Mitleiden/ Erbarmniß/ und ſ. w.
Eigendlich ſage ich: denn wo man ja

der-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0162" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Des er&#x017F;ten Buchs</hi></fw><lb/>
Eigen&#x017F;chafft der Sache/ als das Un-<lb/>
vermo&#x0364;gen un&#x017F;ers Ver&#x017F;tandes anzeu-<lb/>
get/ und eben &#x017F;o viel ge&#x017F;aget i&#x017F;t/ als<lb/>
wenn wir &#x017F;prechen/ daß wir die Gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e &#x017F;eines We&#x017F;ens nicht erreichen ko&#x0364;n-<lb/>
ten. Dannenhero i&#x017F;ts auch unrecht/<lb/>
wenn man Jhm gewi&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">Theile</hi> zu-<lb/>
leget/ oder/ als etwas <hi rendition="#fr">Gantzes</hi> be-<lb/>
trachtet/ denn alles die&#x017F;es &#x017F;eynd Ei-<lb/>
gen&#x017F;chafften derer endlichen Dinge.<lb/>
So kan man eigendlich auch nicht &#x017F;a-<lb/>
gen/ daß er irgend an einem <hi rendition="#fr">Orte<lb/>
&#x017F;ey/</hi> weil die&#x017F;es Ziel und Ma&#x017F;&#x017F;e von<lb/>
einer gewi&#x017F;&#x017F;en Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e auf &#x017F;ich hat.<lb/>
Auch nicht/ daß <hi rendition="#fr">Er &#x017F;ich bewege/</hi><lb/>
oder <hi rendition="#fr">Ruhe/</hi> denn beydes erfordert/<lb/>
daß man an einem gewi&#x017F;&#x017F;en Orte &#x017F;ey.<lb/>
Ebenfalls kan auch GOtt eigendlich<lb/>
nicht zuge&#x017F;chrieben werden/ was ei-<lb/>
nen <hi rendition="#fr">Schmertz</hi> und <hi rendition="#fr">Leiden&#x017F;chafft</hi><lb/>
bedeutet/ als da &#x017F;eynd Zorn/ Reue/<lb/>
Mitleiden/ Erbarmniß/ und &#x017F;. w.<lb/>
Eigendlich &#x017F;age ich: denn wo man ja<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0162] Des erſten Buchs Eigenſchafft der Sache/ als das Un- vermoͤgen unſers Verſtandes anzeu- get/ und eben ſo viel geſaget iſt/ als wenn wir ſprechen/ daß wir die Groͤſ- ſe ſeines Weſens nicht erreichen koͤn- ten. Dannenhero iſts auch unrecht/ wenn man Jhm gewiſſe Theile zu- leget/ oder/ als etwas Gantzes be- trachtet/ denn alles dieſes ſeynd Ei- genſchafften derer endlichen Dinge. So kan man eigendlich auch nicht ſa- gen/ daß er irgend an einem Orte ſey/ weil dieſes Ziel und Maſſe von einer gewiſſen Groͤſſe auf ſich hat. Auch nicht/ daß Er ſich bewege/ oder Ruhe/ denn beydes erfordert/ daß man an einem gewiſſen Orte ſey. Ebenfalls kan auch GOtt eigendlich nicht zugeſchrieben werden/ was ei- nen Schmertz und Leidenſchafft bedeutet/ als da ſeynd Zorn/ Reue/ Mitleiden/ Erbarmniß/ und ſ. w. Eigendlich ſage ich: denn wo man ja der-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/162
Zitationshilfe: Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/162>, abgerufen am 22.12.2024.