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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Einleitung.
Schmiede gewesen sind. Der eine wurde von seinem Vater, welcher
Vermögen hatte, und nicht wollte, daß sein Sohn ein gemeiner Hand-
werker werden sollte, der Musik gewidmet. Von Seiten des Vaters
wurden keine Kosten gesparet. Es wurden noch mehrere Meister gehal-
ten, um den Sohn zugleich neben andern Jnstrumenten, auch in der
Wissenschaft des Generalbasses, und in der Composition zu unterrichten.
Ob nun der Lehrling gleich viel Lust zur Musik bezeigte, und allen Fleiß
anwendete; so blieb er doch nur ein ganz gemeiner Musikus, und würde
sich zu seines Vaters Handwerke viel besser als zur Musik geschicket haben.
Der andere wurde hingegen von seinem Vater, der nicht so viel Vermö-
gen als jener hatte, dem Schmiedehandwerke bestimmet. Es würde
auch solches unfehlbar erfüllet worden seyn, wenn er nicht durch das früh-
zeitige Absterben seines Vaters, die Freyheit erlanget hätte, sich selbst
nach seinem eigenen Gefallen eine Lebensart zu erwählen. Zu dem Ende
wurde ihm von seinen Anverwandten viererley vorgeschlagen, nämlich,
ob er ein Schmidt, oder ein Schneider, oder ein Musikus werden wollte,
oder ob er Lust zum Studiren hätte; weil von jeder Art, unter seinen
Anverwandten, sich einige befanden. Weil er aber zur Musik die größte
Neigung bey sich verspürete, so ergriff er auch glücklicher Weise diese
Wissenschaft, und kam zu obengemeldetem Meister in die Lehre. Was
ihm hier an guter Anweisung, und am Vermögen andere Meister zu hal-
ten, abgieng; das ersetzete sein Talent, Lust, Begierde und Fleiß, in-
gleichen die glückliche Gelegenheit, bald an solche Orte zu kommen, wo er
viel gutes hören konnte, und des Umgangs vieler brafen Musikverständi-
gen theihaftig wurde. Hätte sein Vater noch ein paar Jahre länger ge-
lebet; so hätte dieser Schmidtssohn auch ein Schmidt werden müssen:
folglich würde sein Talent zur Musik seyn vergraben worden; und seine
nachher verfertigten musikalischen Werke, würden niemals das Licht er-
blicket haben. Jch geschweige vieler andern Exempel, da es nämlich
Leute gegeben hat, welche zwar die Hälfte ihrer Lebensjahre auf die Mu-
sik gewendet, und Profeßion davon gemacht, sich aber erst, in ihrem
männlichen Alter, auf eine andere Wissenschaft geleget haben; in welcher
es ihnen ohne sonderliche Anweisung besser gelungen ist, als in der Mu-
sik. Wären nun diese Leute gleich in der Jugend zu demjenigen ange-
halten worden, was sie nachhero erst ergriffen haben; so hätten sie un-
fehlbar die größten Künstler werden müssen.

4. §. Das
A 2

Einleitung.
Schmiede geweſen ſind. Der eine wurde von ſeinem Vater, welcher
Vermoͤgen hatte, und nicht wollte, daß ſein Sohn ein gemeiner Hand-
werker werden ſollte, der Muſik gewidmet. Von Seiten des Vaters
wurden keine Koſten geſparet. Es wurden noch mehrere Meiſter gehal-
ten, um den Sohn zugleich neben andern Jnſtrumenten, auch in der
Wiſſenſchaft des Generalbaſſes, und in der Compoſition zu unterrichten.
Ob nun der Lehrling gleich viel Luſt zur Muſik bezeigte, und allen Fleiß
anwendete; ſo blieb er doch nur ein ganz gemeiner Muſikus, und wuͤrde
ſich zu ſeines Vaters Handwerke viel beſſer als zur Muſik geſchicket haben.
Der andere wurde hingegen von ſeinem Vater, der nicht ſo viel Vermoͤ-
gen als jener hatte, dem Schmiedehandwerke beſtimmet. Es wuͤrde
auch ſolches unfehlbar erfuͤllet worden ſeyn, wenn er nicht durch das fruͤh-
zeitige Abſterben ſeines Vaters, die Freyheit erlanget haͤtte, ſich ſelbſt
nach ſeinem eigenen Gefallen eine Lebensart zu erwaͤhlen. Zu dem Ende
wurde ihm von ſeinen Anverwandten viererley vorgeſchlagen, naͤmlich,
ob er ein Schmidt, oder ein Schneider, oder ein Muſikus werden wollte,
oder ob er Luſt zum Studiren haͤtte; weil von jeder Art, unter ſeinen
Anverwandten, ſich einige befanden. Weil er aber zur Muſik die groͤßte
Neigung bey ſich verſpuͤrete, ſo ergriff er auch gluͤcklicher Weiſe dieſe
Wiſſenſchaft, und kam zu obengemeldetem Meiſter in die Lehre. Was
ihm hier an guter Anweiſung, und am Vermoͤgen andere Meiſter zu hal-
ten, abgieng; das erſetzete ſein Talent, Luſt, Begierde und Fleiß, in-
gleichen die gluͤckliche Gelegenheit, bald an ſolche Orte zu kommen, wo er
viel gutes hoͤren konnte, und des Umgangs vieler brafen Muſikverſtaͤndi-
gen theihaftig wurde. Haͤtte ſein Vater noch ein paar Jahre laͤnger ge-
lebet; ſo haͤtte dieſer Schmidtsſohn auch ein Schmidt werden muͤſſen:
folglich wuͤrde ſein Talent zur Muſik ſeyn vergraben worden; und ſeine
nachher verfertigten muſikaliſchen Werke, wuͤrden niemals das Licht er-
blicket haben. Jch geſchweige vieler andern Exempel, da es naͤmlich
Leute gegeben hat, welche zwar die Haͤlfte ihrer Lebensjahre auf die Mu-
ſik gewendet, und Profeßion davon gemacht, ſich aber erſt, in ihrem
maͤnnlichen Alter, auf eine andere Wiſſenſchaft geleget haben; in welcher
es ihnen ohne ſonderliche Anweiſung beſſer gelungen iſt, als in der Mu-
ſik. Waͤren nun dieſe Leute gleich in der Jugend zu demjenigen ange-
halten worden, was ſie nachhero erſt ergriffen haben; ſo haͤtten ſie un-
fehlbar die groͤßten Kuͤnſtler werden muͤſſen.

4. §. Das
A 2
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[3/0021] Einleitung. Schmiede geweſen ſind. Der eine wurde von ſeinem Vater, welcher Vermoͤgen hatte, und nicht wollte, daß ſein Sohn ein gemeiner Hand- werker werden ſollte, der Muſik gewidmet. Von Seiten des Vaters wurden keine Koſten geſparet. Es wurden noch mehrere Meiſter gehal- ten, um den Sohn zugleich neben andern Jnſtrumenten, auch in der Wiſſenſchaft des Generalbaſſes, und in der Compoſition zu unterrichten. Ob nun der Lehrling gleich viel Luſt zur Muſik bezeigte, und allen Fleiß anwendete; ſo blieb er doch nur ein ganz gemeiner Muſikus, und wuͤrde ſich zu ſeines Vaters Handwerke viel beſſer als zur Muſik geſchicket haben. Der andere wurde hingegen von ſeinem Vater, der nicht ſo viel Vermoͤ- gen als jener hatte, dem Schmiedehandwerke beſtimmet. Es wuͤrde auch ſolches unfehlbar erfuͤllet worden ſeyn, wenn er nicht durch das fruͤh- zeitige Abſterben ſeines Vaters, die Freyheit erlanget haͤtte, ſich ſelbſt nach ſeinem eigenen Gefallen eine Lebensart zu erwaͤhlen. Zu dem Ende wurde ihm von ſeinen Anverwandten viererley vorgeſchlagen, naͤmlich, ob er ein Schmidt, oder ein Schneider, oder ein Muſikus werden wollte, oder ob er Luſt zum Studiren haͤtte; weil von jeder Art, unter ſeinen Anverwandten, ſich einige befanden. Weil er aber zur Muſik die groͤßte Neigung bey ſich verſpuͤrete, ſo ergriff er auch gluͤcklicher Weiſe dieſe Wiſſenſchaft, und kam zu obengemeldetem Meiſter in die Lehre. Was ihm hier an guter Anweiſung, und am Vermoͤgen andere Meiſter zu hal- ten, abgieng; das erſetzete ſein Talent, Luſt, Begierde und Fleiß, in- gleichen die gluͤckliche Gelegenheit, bald an ſolche Orte zu kommen, wo er viel gutes hoͤren konnte, und des Umgangs vieler brafen Muſikverſtaͤndi- gen theihaftig wurde. Haͤtte ſein Vater noch ein paar Jahre laͤnger ge- lebet; ſo haͤtte dieſer Schmidtsſohn auch ein Schmidt werden muͤſſen: folglich wuͤrde ſein Talent zur Muſik ſeyn vergraben worden; und ſeine nachher verfertigten muſikaliſchen Werke, wuͤrden niemals das Licht er- blicket haben. Jch geſchweige vieler andern Exempel, da es naͤmlich Leute gegeben hat, welche zwar die Haͤlfte ihrer Lebensjahre auf die Mu- ſik gewendet, und Profeßion davon gemacht, ſich aber erſt, in ihrem maͤnnlichen Alter, auf eine andere Wiſſenſchaft geleget haben; in welcher es ihnen ohne ſonderliche Anweiſung beſſer gelungen iſt, als in der Mu- ſik. Waͤren nun dieſe Leute gleich in der Jugend zu demjenigen ange- halten worden, was ſie nachhero erſt ergriffen haben; ſo haͤtten ſie un- fehlbar die groͤßten Kuͤnſtler werden muͤſſen. 4. §. Das A 2

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/21>, abgerufen am 21.11.2024.