Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Violoncellisten insbesondere.
aus dem Jnstrumente zu bringen: wozu die Art, wie er den Bogen füh-
ret, und ob er denselben nahe oder weit vom Stege hält, ingleichen auch,
ob er denselben stark oder schwach auf die Seyten drücket, viel beyträgt.
Wollte er bey einer starken Musik die Zärtlichkeit so weit treiben, und
sich so wenig hören lassen, daß er, anstatt des Bogens, die Seyten mit
einem Flederwische zu berühren schiene; so würde er wenig Lob verdienen.
Gewisse kleine Verdrehungen des Leibes, die bey diesem Jnstrumente nicht
allezeit vermieden werden können, wird man ihm hoffentlich zu Gute
halten.

3. §.

Ein Violoncellist muß sich hüten, daß er nicht, wie ehedem einige
große Violoncellisten die üble Gewohnheit gehabt haben, den Baß mit
Manieren zu verbrämen, und zur unrechten Zeit seine Geschiklichkeit zu
zeigen suche. Denn wofern ein Violoncellist, wenn er die Setzkunst nicht
versteht, im Basse willkührliche Manieren anbringen will; so thut er noch
mehr Schaden, als ein Violinist bey der Ripienstimme: besonders wenn
er solche Bässe vor sich hat, über welchen die Hauptstimme in beständiger
Bewegung ist, um den simpeln Gesang mit Zusätzen auszuzieren. Es ist
nicht möglich daß einer des andern Gedanken allezeit errathen könne; und
wenn auch beyde gleiche Einsicht hätten. Ueberdem ist es ungereimt, den
Baß, welcher die Zierrathen der andern Stimme unterstützen und har-
moniös machen soll, selbst zu einer Art von Oberstimme zu machen, und
ihn seines ernsthaften Ganges zu berauben; dadurch aber die nothwendi-
gen Zierrathen der Oberstimme zu verhindern, oder zu verdunkeln. Es
ist zwar nicht zu läugnen, daß einige melodiöse und concertirende Bässe
bey einem Solo, etwas von Zusatze leiden; wenn nur der Ausführer des
Basses genugsame Einsicht hat, und weis, an welchem Orte es sich thun
läßt: und wenn bey solcher Gelegenheit, etwas von Zierrathen auf eine
geschikte Art hinzugefüget wird; so wird die Sache desto vollkommener.
Doch wenn der Violoncellist sich auf seine Wissenschaft nicht hinlänglich
verlassen kann: so ist ihm zu rathen, daß er lieber den Baß so spiele, wie
ihn der Componist gesetzet hat; als daß er aus Unwissenheit sich in die Ge-
fahr begebe, viele ungereimte und übelklingende Noten zuzusetzen. Ein
geschikter Zusatz von Zierrathen findet nirgends als bey einem Solo statt.
Doch müssen zu der Zeit, wenn die Hauptstimme, bey simpeln Noten,
nothwendig etwas zusetzen muß, die Noten des Basses ganz ohne allen
willkührlichen Zierrath vorgetragen werden. Hat aber der Baß Nachah-

mungen;
D d 3

Von dem Violoncelliſten insbeſondere.
aus dem Jnſtrumente zu bringen: wozu die Art, wie er den Bogen fuͤh-
ret, und ob er denſelben nahe oder weit vom Stege haͤlt, ingleichen auch,
ob er denſelben ſtark oder ſchwach auf die Seyten druͤcket, viel beytraͤgt.
Wollte er bey einer ſtarken Muſik die Zaͤrtlichkeit ſo weit treiben, und
ſich ſo wenig hoͤren laſſen, daß er, anſtatt des Bogens, die Seyten mit
einem Flederwiſche zu beruͤhren ſchiene; ſo wuͤrde er wenig Lob verdienen.
Gewiſſe kleine Verdrehungen des Leibes, die bey dieſem Jnſtrumente nicht
allezeit vermieden werden koͤnnen, wird man ihm hoffentlich zu Gute
halten.

3. §.

Ein Violoncelliſt muß ſich huͤten, daß er nicht, wie ehedem einige
große Violoncelliſten die uͤble Gewohnheit gehabt haben, den Baß mit
Manieren zu verbraͤmen, und zur unrechten Zeit ſeine Geſchiklichkeit zu
zeigen ſuche. Denn wofern ein Violoncelliſt, wenn er die Setzkunſt nicht
verſteht, im Baſſe willkuͤhrliche Manieren anbringen will; ſo thut er noch
mehr Schaden, als ein Violiniſt bey der Ripienſtimme: beſonders wenn
er ſolche Baͤſſe vor ſich hat, uͤber welchen die Hauptſtimme in beſtaͤndiger
Bewegung iſt, um den ſimpeln Geſang mit Zuſaͤtzen auszuzieren. Es iſt
nicht moͤglich daß einer des andern Gedanken allezeit errathen koͤnne; und
wenn auch beyde gleiche Einſicht haͤtten. Ueberdem iſt es ungereimt, den
Baß, welcher die Zierrathen der andern Stimme unterſtuͤtzen und har-
monioͤs machen ſoll, ſelbſt zu einer Art von Oberſtimme zu machen, und
ihn ſeines ernſthaften Ganges zu berauben; dadurch aber die nothwendi-
gen Zierrathen der Oberſtimme zu verhindern, oder zu verdunkeln. Es
iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß einige melodioͤſe und concertirende Baͤſſe
bey einem Solo, etwas von Zuſatze leiden; wenn nur der Ausfuͤhrer des
Baſſes genugſame Einſicht hat, und weis, an welchem Orte es ſich thun
laͤßt: und wenn bey ſolcher Gelegenheit, etwas von Zierrathen auf eine
geſchikte Art hinzugefuͤget wird; ſo wird die Sache deſto vollkommener.
Doch wenn der Violoncelliſt ſich auf ſeine Wiſſenſchaft nicht hinlaͤnglich
verlaſſen kann: ſo iſt ihm zu rathen, daß er lieber den Baß ſo ſpiele, wie
ihn der Componiſt geſetzet hat; als daß er aus Unwiſſenheit ſich in die Ge-
fahr begebe, viele ungereimte und uͤbelklingende Noten zuzuſetzen. Ein
geſchikter Zuſatz von Zierrathen findet nirgends als bey einem Solo ſtatt.
Doch muͤſſen zu der Zeit, wenn die Hauptſtimme, bey ſimpeln Noten,
nothwendig etwas zuſetzen muß, die Noten des Baſſes ganz ohne allen
willkuͤhrlichen Zierrath vorgetragen werden. Hat aber der Baß Nachah-

mungen;
D d 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0231" n="213"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Violoncelli&#x017F;ten insbe&#x017F;ondere.</hi></fw><lb/>
aus dem Jn&#x017F;trumente zu bringen: wozu die Art, wie er den Bogen fu&#x0364;h-<lb/>
ret, und ob er den&#x017F;elben nahe oder weit vom Stege ha&#x0364;lt, ingleichen auch,<lb/>
ob er den&#x017F;elben &#x017F;tark oder &#x017F;chwach auf die Seyten dru&#x0364;cket, viel beytra&#x0364;gt.<lb/>
Wollte er bey einer &#x017F;tarken Mu&#x017F;ik die Za&#x0364;rtlichkeit &#x017F;o weit treiben, und<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o wenig ho&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en, daß er, an&#x017F;tatt des Bogens, die Seyten mit<lb/>
einem Flederwi&#x017F;che zu beru&#x0364;hren &#x017F;chiene; &#x017F;o wu&#x0364;rde er wenig Lob verdienen.<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;e kleine Verdrehungen des Leibes, die bey die&#x017F;em Jn&#x017F;trumente nicht<lb/>
allezeit vermieden werden ko&#x0364;nnen, wird man ihm hoffentlich zu Gute<lb/>
halten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>3. §.</head><lb/>
            <p>Ein Violoncelli&#x017F;t muß &#x017F;ich hu&#x0364;ten, daß er nicht, wie ehedem einige<lb/>
große Violoncelli&#x017F;ten die u&#x0364;ble Gewohnheit gehabt haben, den Baß mit<lb/>
Manieren zu verbra&#x0364;men, und zur unrechten Zeit &#x017F;eine Ge&#x017F;chiklichkeit zu<lb/>
zeigen &#x017F;uche. Denn wofern ein Violoncelli&#x017F;t, wenn er die Setzkun&#x017F;t nicht<lb/>
ver&#x017F;teht, im Ba&#x017F;&#x017F;e willku&#x0364;hrliche Manieren anbringen will; &#x017F;o thut er noch<lb/>
mehr Schaden, als ein Violini&#x017F;t bey der Ripien&#x017F;timme: be&#x017F;onders wenn<lb/>
er &#x017F;olche Ba&#x0364;&#x017F;&#x017F;e vor &#x017F;ich hat, u&#x0364;ber welchen die Haupt&#x017F;timme in be&#x017F;ta&#x0364;ndiger<lb/>
Bewegung i&#x017F;t, um den &#x017F;impeln Ge&#x017F;ang mit Zu&#x017F;a&#x0364;tzen auszuzieren. Es i&#x017F;t<lb/>
nicht mo&#x0364;glich daß einer des andern Gedanken allezeit errathen ko&#x0364;nne; und<lb/>
wenn auch beyde gleiche Ein&#x017F;icht ha&#x0364;tten. Ueberdem i&#x017F;t es ungereimt, den<lb/>
Baß, welcher die Zierrathen der andern Stimme unter&#x017F;tu&#x0364;tzen und har-<lb/>
monio&#x0364;s machen &#x017F;oll, &#x017F;elb&#x017F;t zu einer Art von Ober&#x017F;timme zu machen, und<lb/>
ihn &#x017F;eines ern&#x017F;thaften Ganges zu berauben; dadurch aber die nothwendi-<lb/>
gen Zierrathen der Ober&#x017F;timme zu verhindern, oder zu verdunkeln. Es<lb/>
i&#x017F;t zwar nicht zu la&#x0364;ugnen, daß einige melodio&#x0364;&#x017F;e und concertirende Ba&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
bey einem Solo, etwas von Zu&#x017F;atze leiden; wenn nur der Ausfu&#x0364;hrer des<lb/>
Ba&#x017F;&#x017F;es genug&#x017F;ame Ein&#x017F;icht hat, und weis, an welchem Orte es &#x017F;ich thun<lb/>
la&#x0364;ßt: und wenn bey &#x017F;olcher Gelegenheit, etwas von Zierrathen auf eine<lb/>
ge&#x017F;chikte Art hinzugefu&#x0364;get wird; &#x017F;o wird die Sache de&#x017F;to vollkommener.<lb/>
Doch wenn der Violoncelli&#x017F;t &#x017F;ich auf &#x017F;eine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft nicht hinla&#x0364;nglich<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en kann: &#x017F;o i&#x017F;t ihm zu rathen, daß er lieber den Baß &#x017F;o &#x017F;piele, wie<lb/>
ihn der Componi&#x017F;t ge&#x017F;etzet hat; als daß er aus Unwi&#x017F;&#x017F;enheit &#x017F;ich in die Ge-<lb/>
fahr begebe, viele ungereimte und u&#x0364;belklingende Noten zuzu&#x017F;etzen. Ein<lb/>
ge&#x017F;chikter Zu&#x017F;atz von Zierrathen findet nirgends als bey einem Solo &#x017F;tatt.<lb/>
Doch mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu der Zeit, wenn die Haupt&#x017F;timme, bey &#x017F;impeln Noten,<lb/>
nothwendig etwas zu&#x017F;etzen muß, die Noten des Ba&#x017F;&#x017F;es ganz ohne allen<lb/>
willku&#x0364;hrlichen Zierrath vorgetragen werden. Hat aber der Baß Nachah-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d 3</fw><fw place="bottom" type="catch">mungen;</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0231] Von dem Violoncelliſten insbeſondere. aus dem Jnſtrumente zu bringen: wozu die Art, wie er den Bogen fuͤh- ret, und ob er denſelben nahe oder weit vom Stege haͤlt, ingleichen auch, ob er denſelben ſtark oder ſchwach auf die Seyten druͤcket, viel beytraͤgt. Wollte er bey einer ſtarken Muſik die Zaͤrtlichkeit ſo weit treiben, und ſich ſo wenig hoͤren laſſen, daß er, anſtatt des Bogens, die Seyten mit einem Flederwiſche zu beruͤhren ſchiene; ſo wuͤrde er wenig Lob verdienen. Gewiſſe kleine Verdrehungen des Leibes, die bey dieſem Jnſtrumente nicht allezeit vermieden werden koͤnnen, wird man ihm hoffentlich zu Gute halten. 3. §. Ein Violoncelliſt muß ſich huͤten, daß er nicht, wie ehedem einige große Violoncelliſten die uͤble Gewohnheit gehabt haben, den Baß mit Manieren zu verbraͤmen, und zur unrechten Zeit ſeine Geſchiklichkeit zu zeigen ſuche. Denn wofern ein Violoncelliſt, wenn er die Setzkunſt nicht verſteht, im Baſſe willkuͤhrliche Manieren anbringen will; ſo thut er noch mehr Schaden, als ein Violiniſt bey der Ripienſtimme: beſonders wenn er ſolche Baͤſſe vor ſich hat, uͤber welchen die Hauptſtimme in beſtaͤndiger Bewegung iſt, um den ſimpeln Geſang mit Zuſaͤtzen auszuzieren. Es iſt nicht moͤglich daß einer des andern Gedanken allezeit errathen koͤnne; und wenn auch beyde gleiche Einſicht haͤtten. Ueberdem iſt es ungereimt, den Baß, welcher die Zierrathen der andern Stimme unterſtuͤtzen und har- monioͤs machen ſoll, ſelbſt zu einer Art von Oberſtimme zu machen, und ihn ſeines ernſthaften Ganges zu berauben; dadurch aber die nothwendi- gen Zierrathen der Oberſtimme zu verhindern, oder zu verdunkeln. Es iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß einige melodioͤſe und concertirende Baͤſſe bey einem Solo, etwas von Zuſatze leiden; wenn nur der Ausfuͤhrer des Baſſes genugſame Einſicht hat, und weis, an welchem Orte es ſich thun laͤßt: und wenn bey ſolcher Gelegenheit, etwas von Zierrathen auf eine geſchikte Art hinzugefuͤget wird; ſo wird die Sache deſto vollkommener. Doch wenn der Violoncelliſt ſich auf ſeine Wiſſenſchaft nicht hinlaͤnglich verlaſſen kann: ſo iſt ihm zu rathen, daß er lieber den Baß ſo ſpiele, wie ihn der Componiſt geſetzet hat; als daß er aus Unwiſſenheit ſich in die Ge- fahr begebe, viele ungereimte und uͤbelklingende Noten zuzuſetzen. Ein geſchikter Zuſatz von Zierrathen findet nirgends als bey einem Solo ſtatt. Doch muͤſſen zu der Zeit, wenn die Hauptſtimme, bey ſimpeln Noten, nothwendig etwas zuſetzen muß, die Noten des Baſſes ganz ohne allen willkuͤhrlichen Zierrath vorgetragen werden. Hat aber der Baß Nachah- mungen; D d 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/231
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/231>, abgerufen am 24.11.2024.