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Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855.

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Optik: Prisma, Lichtzerstreuung.
geneigte Flächen (Prisma) der Fall. Die Kante k heißt die brechende
Kante, und sie verschiebt die Sachen um so mehr, je größer ihr Winkel
ist, und zwar nach der Gegend hin, wo sie liegt.
Fällt z. B. ein Lichtstrahl O auf die Fläche des Pris-
ma's, so muß er beim Eintritt dem Perpendikel p
zu, beim Austritt von p' ab gebrochen werden, also
eine doppelte Ablenkung erfahren, und das Auge O
[Abbildung] meint nun den Gegenstand a in a' zu sehen: bei horizontaler nach oben
gerichteter Kante k wird das a bedeutend gehoben, bei vertikaler bedeu-
tend zur Seite geschoben.

Anwendung. Nimm einen Axinitkrystall in die linke Hand und
lege eine seiner scharfen Kanten aufrecht gegen einen Finger der rechten
Hand: siehst du nun direkt gegen das Fensterlicht, so ist das Prisma
dunkel, so wie du aber rechts um vom Fenster weg siehst, so wird es
plötzlich ganz durchleuchtet, weil erst bei dieser schiefen Stellung zum Fen-
ster das Licht direkt ins Auge treten kann. Oder sieh durch die End-
flächen eines brillantirten Quarzes senkrecht gegen ein Licht, so kannst du
den Brillant leicht so stellen, daß in der Mitte nur ein einziges Licht
wahrgenommen wird, bei jeder Wendung des Kopfes treten dann erst
Reihen von Lichtern ins Auge. Zwillingskanten sind oft so stumpf ein-
springend oder ausspringend, daß man sie sehr vorsichtig im Lichtreflex
untersuchen muß, man legt dann die brechende Kante horizontal, geht in
den Hintergrund des Zimmers, und sieht nun gegen die Helle. Auch das
Kerzenlicht ist dazu sehr günstig.

Zerstreuung des Lichtes findet stets Statt, sobald es durch
das Prisma gegangen ist. Es entsteht ein Spectrum mit den bekannten
sieben Farben, aus welchen das weiße Sonnenlicht besteht. Man sieht
diese Farben nicht blos durch das Prisma, sondern man kann sie auch
auf eine Wand fallen lassen. Das Lichtbündel zeigt sich dann in die Länge
gezogen. Das Spectrum wird um so länger, je größer der Einfalls-
und Brechungswinkel und je ferner die Wand vom Prisma ist. Dann
ist aber auch die Mineralsubstanz noch von wesentlichem Einfluß.

Das Roth, unter allen die brennendste Farbe, wird am wenigsten
gebrochen, muß also allemal der brechenden Kante zu
liegen. Die stärkste Brechung widerfährt dem Violett
am entgegengesetzten Ende, dazwischen liegen vom rothen
zum violetten Pole Orange, Gelb, Grün, Blau, In-
digo. Grün und Blau stechen darunter am stärksten
hervor. Diese prismatischen Farben sind einfache (homo-
gene) Farben, und werden durch ein zweites Prisma
[Abbildung] angesehen nicht wieder zerlegt. Das Prisma ist daher ein treffliches In-
strument, um zu untersuchen, welche Farben der Minerale homogene sind
oder nicht. Auch die Wärmestrahlen sind im Spectrum sehr ungleich
vertheilt, die meiste Wärme liegt noch über dem Rothen, wo das Auge
keine Farbe mehr sieht. Die geringste Wärme liegt dagegen unter dem
Violett, wo jedoch die unsichtbaren Strahlen noch chemisch wirken (chemische
Strahlen). Aus der Länge des Spectrums geht hervor, daß die Farben
der Lichtstrahlen verschieden gebrochen werden. Da nun aber die verschie-

Optik: Prisma, Lichtzerſtreuung.
geneigte Flächen (Prisma) der Fall. Die Kante k heißt die brechende
Kante, und ſie verſchiebt die Sachen um ſo mehr, je größer ihr Winkel
iſt, und zwar nach der Gegend hin, wo ſie liegt.
Fällt z. B. ein Lichtſtrahl O auf die Fläche des Pris-
ma’s, ſo muß er beim Eintritt dem Perpendikel p
zu, beim Austritt von p' ab gebrochen werden, alſo
eine doppelte Ablenkung erfahren, und das Auge O
[Abbildung] meint nun den Gegenſtand a in a' zu ſehen: bei horizontaler nach oben
gerichteter Kante k wird das a bedeutend gehoben, bei vertikaler bedeu-
tend zur Seite geſchoben.

Anwendung. Nimm einen Axinitkryſtall in die linke Hand und
lege eine ſeiner ſcharfen Kanten aufrecht gegen einen Finger der rechten
Hand: ſiehſt du nun direkt gegen das Fenſterlicht, ſo iſt das Prisma
dunkel, ſo wie du aber rechts um vom Fenſter weg ſiehſt, ſo wird es
plötzlich ganz durchleuchtet, weil erſt bei dieſer ſchiefen Stellung zum Fen-
ſter das Licht direkt ins Auge treten kann. Oder ſieh durch die End-
flächen eines brillantirten Quarzes ſenkrecht gegen ein Licht, ſo kannſt du
den Brillant leicht ſo ſtellen, daß in der Mitte nur ein einziges Licht
wahrgenommen wird, bei jeder Wendung des Kopfes treten dann erſt
Reihen von Lichtern ins Auge. Zwillingskanten ſind oft ſo ſtumpf ein-
ſpringend oder ausſpringend, daß man ſie ſehr vorſichtig im Lichtreflex
unterſuchen muß, man legt dann die brechende Kante horizontal, geht in
den Hintergrund des Zimmers, und ſieht nun gegen die Helle. Auch das
Kerzenlicht iſt dazu ſehr günſtig.

Zerſtreuung des Lichtes findet ſtets Statt, ſobald es durch
das Prisma gegangen iſt. Es entſteht ein Spectrum mit den bekannten
ſieben Farben, aus welchen das weiße Sonnenlicht beſteht. Man ſieht
dieſe Farben nicht blos durch das Prisma, ſondern man kann ſie auch
auf eine Wand fallen laſſen. Das Lichtbündel zeigt ſich dann in die Länge
gezogen. Das Spectrum wird um ſo länger, je größer der Einfalls-
und Brechungswinkel und je ferner die Wand vom Prisma iſt. Dann
iſt aber auch die Mineralſubſtanz noch von weſentlichem Einfluß.

Das Roth, unter allen die brennendſte Farbe, wird am wenigſten
gebrochen, muß alſo allemal der brechenden Kante zu
liegen. Die ſtärkſte Brechung widerfährt dem Violett
am entgegengeſetzten Ende, dazwiſchen liegen vom rothen
zum violetten Pole Orange, Gelb, Grün, Blau, In-
digo. Grün und Blau ſtechen darunter am ſtärkſten
hervor. Dieſe prismatiſchen Farben ſind einfache (homo-
gene) Farben, und werden durch ein zweites Prisma
[Abbildung] angeſehen nicht wieder zerlegt. Das Prisma iſt daher ein treffliches In-
ſtrument, um zu unterſuchen, welche Farben der Minerale homogene ſind
oder nicht. Auch die Wärmeſtrahlen ſind im Spectrum ſehr ungleich
vertheilt, die meiſte Wärme liegt noch über dem Rothen, wo das Auge
keine Farbe mehr ſieht. Die geringſte Wärme liegt dagegen unter dem
Violett, wo jedoch die unſichtbaren Strahlen noch chemiſch wirken (chemiſche
Strahlen). Aus der Länge des Spectrums geht hervor, daß die Farben
der Lichtſtrahlen verſchieden gebrochen werden. Da nun aber die verſchie-

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[101/0113] Optik: Prisma, Lichtzerſtreuung. geneigte Flächen (Prisma) der Fall. Die Kante k heißt die brechende Kante, und ſie verſchiebt die Sachen um ſo mehr, je größer ihr Winkel iſt, und zwar nach der Gegend hin, wo ſie liegt. Fällt z. B. ein Lichtſtrahl O auf die Fläche des Pris- ma’s, ſo muß er beim Eintritt dem Perpendikel p zu, beim Austritt von p' ab gebrochen werden, alſo eine doppelte Ablenkung erfahren, und das Auge O [Abbildung] meint nun den Gegenſtand a in a' zu ſehen: bei horizontaler nach oben gerichteter Kante k wird das a bedeutend gehoben, bei vertikaler bedeu- tend zur Seite geſchoben. Anwendung. Nimm einen Axinitkryſtall in die linke Hand und lege eine ſeiner ſcharfen Kanten aufrecht gegen einen Finger der rechten Hand: ſiehſt du nun direkt gegen das Fenſterlicht, ſo iſt das Prisma dunkel, ſo wie du aber rechts um vom Fenſter weg ſiehſt, ſo wird es plötzlich ganz durchleuchtet, weil erſt bei dieſer ſchiefen Stellung zum Fen- ſter das Licht direkt ins Auge treten kann. Oder ſieh durch die End- flächen eines brillantirten Quarzes ſenkrecht gegen ein Licht, ſo kannſt du den Brillant leicht ſo ſtellen, daß in der Mitte nur ein einziges Licht wahrgenommen wird, bei jeder Wendung des Kopfes treten dann erſt Reihen von Lichtern ins Auge. Zwillingskanten ſind oft ſo ſtumpf ein- ſpringend oder ausſpringend, daß man ſie ſehr vorſichtig im Lichtreflex unterſuchen muß, man legt dann die brechende Kante horizontal, geht in den Hintergrund des Zimmers, und ſieht nun gegen die Helle. Auch das Kerzenlicht iſt dazu ſehr günſtig. Zerſtreuung des Lichtes findet ſtets Statt, ſobald es durch das Prisma gegangen iſt. Es entſteht ein Spectrum mit den bekannten ſieben Farben, aus welchen das weiße Sonnenlicht beſteht. Man ſieht dieſe Farben nicht blos durch das Prisma, ſondern man kann ſie auch auf eine Wand fallen laſſen. Das Lichtbündel zeigt ſich dann in die Länge gezogen. Das Spectrum wird um ſo länger, je größer der Einfalls- und Brechungswinkel und je ferner die Wand vom Prisma iſt. Dann iſt aber auch die Mineralſubſtanz noch von weſentlichem Einfluß. Das Roth, unter allen die brennendſte Farbe, wird am wenigſten gebrochen, muß alſo allemal der brechenden Kante zu liegen. Die ſtärkſte Brechung widerfährt dem Violett am entgegengeſetzten Ende, dazwiſchen liegen vom rothen zum violetten Pole Orange, Gelb, Grün, Blau, In- digo. Grün und Blau ſtechen darunter am ſtärkſten hervor. Dieſe prismatiſchen Farben ſind einfache (homo- gene) Farben, und werden durch ein zweites Prisma [Abbildung] angeſehen nicht wieder zerlegt. Das Prisma iſt daher ein treffliches In- ſtrument, um zu unterſuchen, welche Farben der Minerale homogene ſind oder nicht. Auch die Wärmeſtrahlen ſind im Spectrum ſehr ungleich vertheilt, die meiſte Wärme liegt noch über dem Rothen, wo das Auge keine Farbe mehr ſieht. Die geringſte Wärme liegt dagegen unter dem Violett, wo jedoch die unſichtbaren Strahlen noch chemiſch wirken (chemiſche Strahlen). Aus der Länge des Spectrums geht hervor, daß die Farben der Lichtſtrahlen verſchieden gebrochen werden. Da nun aber die verſchie-

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Zitationshilfe: Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/113>, abgerufen am 26.11.2024.