Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Optische Axen.
wird der außerordentliche Strahl e = 1,483 und der ordentliche o =
1,654 (Differenz = 0,171) gebrochen. Je größer bei einem Mineral diese
Differenz, und je dicker der Krystall, desto weiter treten die Bilder aus-
einander. Aus beiden Gründen ist der Kalkspath besonders geschickt. Beim
Bergkrystall ist o = 1,548, und e = 1,548 bis 1,558, also die Diffe-
renz = 0,01 nur 1/17 von der des Kalkspathes. Die Stücke müssen 17mal
dicker sein, wenn sie gleiche Wirkung wie beim Kalkspath hervorbringen sollen.

Das Prisma läßt die Bilder weiter auseinander treten, um so
mehr, je größer der brechende Winkel und je entfernter der zu betrachtende
Gegenstand. Es beruht dieß auf denselben Gründen, wie die Erzeugung
des Spectrums pag. 101 auf der verschiedenen Brechbarkeit der sieben
Farben. Das gewährt ein treffliches Mittel, Gläser von Gemmen zu
unterscheiden. Nimmt man z. B. einen geschliffenen Bergkrystall und sieht
damit nach einem entfernten Lichte, so zeigt jede Facette eine doppelte
Flamme, das Glas aber nur eine einfache.

Optische Axen.

Darunter versteht man diejenigen Richtungen im Krystall, nach welchen
gesehen die beiden Bilder sich decken. Da nun im regulären System über-
haupt keine doppelte Brechung vorkommt, so kann man hier auch von
keiner optischen Axe reden. Brewster (Gilberts Ann. 69. 1) hat zuerst den
Zusammenhang mit der Krystallform nachgewiesen:

Optisch einaxige Krystalle

sind alle im 4gl., 3- und 6gl. Systeme. Die optische Axe fällt hier mit
der Hauptaxe c des Krystalls zusammen. Man kann zweierlei Fälle
unterscheiden:

1) Kalkspathgesetz (repulsiv oder negativ), der ordentliche Strahl
wird stärker gebrochen, als der außerordentliche. Be-
trachte ich einen Punkt P im Hauptschnitte cEcE des
Kalkspaths, so gehe der ordinäre Strahl Po senkrecht
hinauf ins Auge, dann macht der außerordentliche e den
Weg Pq, geht aber bei seinem Heraustreten mit o pa-
rallel, und das Auge meint ihn in p zu sehen. Zieht
man nun durch P die Axe des Krystalls PQ parallel cc, so
[Abbildung] leuchtet ein, daß der ordentliche Strahl o stärker gebrochen wird, als der
außerordentliche e. Zu dieser Gruppe gehört Turmalin, Corund, Apatit,
Vesuvian, Anatas, Honigstein etc.

2) Quarzgesetz (attraktiv oder positiv), hier wird umgekehrt der
außerordentliche Strahl e stärker gebrochen, als der ordentliche o, er muß
also innerhalb des Winkels QPo fallen, wird daher von der Axe PQ stärker
angezogen, und nicht zurückgestoßen, wie vorhin. Zu dieser Gruppe gehört
Rothgülden, Eisenglanz, Zirkon, Ichthyophthalm, Zinnstein, Rutil, Eis etc.


Optiſche Axen.
wird der außerordentliche Strahl e = 1,483 und der ordentliche o =
1,654 (Differenz = 0,171) gebrochen. Je größer bei einem Mineral dieſe
Differenz, und je dicker der Kryſtall, deſto weiter treten die Bilder aus-
einander. Aus beiden Gründen iſt der Kalkſpath beſonders geſchickt. Beim
Bergkryſtall iſt o = 1,548, und e = 1,548 bis 1,558, alſo die Diffe-
renz = 0,01 nur 1/17 von der des Kalkſpathes. Die Stücke müſſen 17mal
dicker ſein, wenn ſie gleiche Wirkung wie beim Kalkſpath hervorbringen ſollen.

Das Prisma läßt die Bilder weiter auseinander treten, um ſo
mehr, je größer der brechende Winkel und je entfernter der zu betrachtende
Gegenſtand. Es beruht dieß auf denſelben Gründen, wie die Erzeugung
des Spectrums pag. 101 auf der verſchiedenen Brechbarkeit der ſieben
Farben. Das gewährt ein treffliches Mittel, Gläſer von Gemmen zu
unterſcheiden. Nimmt man z. B. einen geſchliffenen Bergkryſtall und ſieht
damit nach einem entfernten Lichte, ſo zeigt jede Facette eine doppelte
Flamme, das Glas aber nur eine einfache.

Optiſche Axen.

Darunter verſteht man diejenigen Richtungen im Kryſtall, nach welchen
geſehen die beiden Bilder ſich decken. Da nun im regulären Syſtem über-
haupt keine doppelte Brechung vorkommt, ſo kann man hier auch von
keiner optiſchen Axe reden. Brewſter (Gilberts Ann. 69. 1) hat zuerſt den
Zuſammenhang mit der Kryſtallform nachgewieſen:

Optiſch einaxige Kryſtalle

ſind alle im 4gl., 3- und 6gl. Syſteme. Die optiſche Axe fällt hier mit
der Hauptaxe c des Kryſtalls zuſammen. Man kann zweierlei Fälle
unterſcheiden:

1) Kalkſpathgeſetz (repulſiv oder negativ), der ordentliche Strahl
wird ſtärker gebrochen, als der außerordentliche. Be-
trachte ich einen Punkt P im Hauptſchnitte cEcE des
Kalkſpaths, ſo gehe der ordinäre Strahl Po ſenkrecht
hinauf ins Auge, dann macht der außerordentliche e den
Weg Pq, geht aber bei ſeinem Heraustreten mit o pa-
rallel, und das Auge meint ihn in p zu ſehen. Zieht
man nun durch P die Axe des Kryſtalls PQ parallel cc, ſo
[Abbildung] leuchtet ein, daß der ordentliche Strahl o ſtärker gebrochen wird, als der
außerordentliche e. Zu dieſer Gruppe gehört Turmalin, Corund, Apatit,
Veſuvian, Anatas, Honigſtein ꝛc.

2) Quarzgeſetz (attraktiv oder poſitiv), hier wird umgekehrt der
außerordentliche Strahl e ſtärker gebrochen, als der ordentliche o, er muß
alſo innerhalb des Winkels QPo fallen, wird daher von der Axe PQ ſtärker
angezogen, und nicht zurückgeſtoßen, wie vorhin. Zu dieſer Gruppe gehört
Rothgülden, Eiſenglanz, Zirkon, Ichthyophthalm, Zinnſtein, Rutil, Eis ꝛc.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="103"/><fw place="top" type="header">Opti&#x017F;che Axen.</fw><lb/>
wird der außerordentliche Strahl <hi rendition="#aq">e</hi> = 1,483 und der ordentliche <hi rendition="#aq">o</hi> =<lb/>
1,654 (Differenz = 0,171) gebrochen. Je größer bei einem Mineral die&#x017F;e<lb/>
Differenz, und je dicker der Kry&#x017F;tall, de&#x017F;to weiter treten die Bilder aus-<lb/>
einander. Aus beiden Gründen i&#x017F;t der Kalk&#x017F;path be&#x017F;onders ge&#x017F;chickt. Beim<lb/>
Bergkry&#x017F;tall i&#x017F;t <hi rendition="#aq">o</hi> = 1,548, und <hi rendition="#aq">e</hi> = 1,548 bis 1,558, al&#x017F;o die Diffe-<lb/>
renz = 0,01 nur 1/17 von der des Kalk&#x017F;pathes. Die Stücke mü&#x017F;&#x017F;en 17mal<lb/>
dicker &#x017F;ein, wenn &#x017F;ie gleiche Wirkung wie beim Kalk&#x017F;path hervorbringen &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#g">Prisma</hi> läßt die Bilder weiter auseinander treten, um &#x017F;o<lb/>
mehr, je größer der brechende Winkel und je entfernter der zu betrachtende<lb/>
Gegen&#x017F;tand. Es beruht dieß auf den&#x017F;elben Gründen, wie die Erzeugung<lb/>
des Spectrums <hi rendition="#aq">pag.</hi> 101 auf der ver&#x017F;chiedenen Brechbarkeit der &#x017F;ieben<lb/>
Farben. Das gewährt ein treffliches Mittel, Glä&#x017F;er von Gemmen zu<lb/>
unter&#x017F;cheiden. Nimmt man z. B. einen ge&#x017F;chliffenen Bergkry&#x017F;tall und &#x017F;ieht<lb/>
damit nach einem entfernten Lichte, &#x017F;o zeigt jede Facette eine doppelte<lb/>
Flamme, das Glas aber nur eine einfache.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Opti&#x017F;che Axen.</hi> </head><lb/>
          <p>Darunter ver&#x017F;teht man diejenigen Richtungen im Kry&#x017F;tall, nach welchen<lb/>
ge&#x017F;ehen die beiden Bilder &#x017F;ich decken. Da nun im regulären Sy&#x017F;tem über-<lb/>
haupt keine doppelte Brechung vorkommt, &#x017F;o kann man hier auch von<lb/>
keiner opti&#x017F;chen Axe reden. Brew&#x017F;ter (Gilberts Ann. 69. <hi rendition="#sub">1</hi>) hat zuer&#x017F;t den<lb/>
Zu&#x017F;ammenhang mit der Kry&#x017F;tallform nachgewie&#x017F;en:</p><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Opti&#x017F;ch einaxige Kry&#x017F;talle</hi> </head><lb/>
            <p>&#x017F;ind alle im 4gl., 3- und 6gl. Sy&#x017F;teme. Die opti&#x017F;che Axe fällt hier mit<lb/>
der Hauptaxe <hi rendition="#aq">c</hi> des Kry&#x017F;talls zu&#x017F;ammen. Man kann zweierlei Fälle<lb/>
unter&#x017F;cheiden:</p><lb/>
            <p>1) <hi rendition="#g">Kalk&#x017F;pathge&#x017F;etz</hi> (repul&#x017F;iv oder negativ), der ordentliche Strahl<lb/>
wird &#x017F;tärker gebrochen, als der außerordentliche. Be-<lb/>
trachte ich einen Punkt <hi rendition="#aq">P</hi> im Haupt&#x017F;chnitte <hi rendition="#aq">cEcE</hi> des<lb/>
Kalk&#x017F;paths, &#x017F;o gehe der ordinäre Strahl <hi rendition="#aq">Po</hi> &#x017F;enkrecht<lb/>
hinauf ins Auge, dann macht der außerordentliche <hi rendition="#aq">e</hi> den<lb/>
Weg <hi rendition="#aq">Pq</hi>, geht aber bei &#x017F;einem Heraustreten mit <hi rendition="#aq">o</hi> pa-<lb/>
rallel, und das Auge meint ihn in <hi rendition="#aq">p</hi> zu &#x017F;ehen. Zieht<lb/>
man nun durch <hi rendition="#aq">P</hi> die Axe des Kry&#x017F;talls <hi rendition="#aq">PQ</hi> parallel <hi rendition="#aq">cc</hi>, &#x017F;o<lb/><figure/> leuchtet ein, daß der ordentliche Strahl <hi rendition="#aq">o</hi> &#x017F;tärker gebrochen wird, als der<lb/>
außerordentliche <hi rendition="#aq">e</hi>. Zu die&#x017F;er Gruppe gehört Turmalin, Corund, Apatit,<lb/>
Ve&#x017F;uvian, Anatas, Honig&#x017F;tein &#xA75B;c.</p><lb/>
            <p>2) <hi rendition="#g">Quarzge&#x017F;etz</hi> (attraktiv oder po&#x017F;itiv), hier wird umgekehrt der<lb/>
außerordentliche Strahl <hi rendition="#aq">e</hi> &#x017F;tärker gebrochen, als der ordentliche <hi rendition="#aq">o</hi>, er muß<lb/>
al&#x017F;o innerhalb des Winkels <hi rendition="#aq">QPo</hi> fallen, wird daher von der Axe <hi rendition="#aq">PQ</hi> &#x017F;tärker<lb/>
angezogen, und nicht zurückge&#x017F;toßen, wie vorhin. Zu die&#x017F;er Gruppe gehört<lb/>
Rothgülden, Ei&#x017F;englanz, Zirkon, Ichthyophthalm, Zinn&#x017F;tein, Rutil, Eis &#xA75B;c.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0115] Optiſche Axen. wird der außerordentliche Strahl e = 1,483 und der ordentliche o = 1,654 (Differenz = 0,171) gebrochen. Je größer bei einem Mineral dieſe Differenz, und je dicker der Kryſtall, deſto weiter treten die Bilder aus- einander. Aus beiden Gründen iſt der Kalkſpath beſonders geſchickt. Beim Bergkryſtall iſt o = 1,548, und e = 1,548 bis 1,558, alſo die Diffe- renz = 0,01 nur 1/17 von der des Kalkſpathes. Die Stücke müſſen 17mal dicker ſein, wenn ſie gleiche Wirkung wie beim Kalkſpath hervorbringen ſollen. Das Prisma läßt die Bilder weiter auseinander treten, um ſo mehr, je größer der brechende Winkel und je entfernter der zu betrachtende Gegenſtand. Es beruht dieß auf denſelben Gründen, wie die Erzeugung des Spectrums pag. 101 auf der verſchiedenen Brechbarkeit der ſieben Farben. Das gewährt ein treffliches Mittel, Gläſer von Gemmen zu unterſcheiden. Nimmt man z. B. einen geſchliffenen Bergkryſtall und ſieht damit nach einem entfernten Lichte, ſo zeigt jede Facette eine doppelte Flamme, das Glas aber nur eine einfache. Optiſche Axen. Darunter verſteht man diejenigen Richtungen im Kryſtall, nach welchen geſehen die beiden Bilder ſich decken. Da nun im regulären Syſtem über- haupt keine doppelte Brechung vorkommt, ſo kann man hier auch von keiner optiſchen Axe reden. Brewſter (Gilberts Ann. 69. 1) hat zuerſt den Zuſammenhang mit der Kryſtallform nachgewieſen: Optiſch einaxige Kryſtalle ſind alle im 4gl., 3- und 6gl. Syſteme. Die optiſche Axe fällt hier mit der Hauptaxe c des Kryſtalls zuſammen. Man kann zweierlei Fälle unterſcheiden: 1) Kalkſpathgeſetz (repulſiv oder negativ), der ordentliche Strahl wird ſtärker gebrochen, als der außerordentliche. Be- trachte ich einen Punkt P im Hauptſchnitte cEcE des Kalkſpaths, ſo gehe der ordinäre Strahl Po ſenkrecht hinauf ins Auge, dann macht der außerordentliche e den Weg Pq, geht aber bei ſeinem Heraustreten mit o pa- rallel, und das Auge meint ihn in p zu ſehen. Zieht man nun durch P die Axe des Kryſtalls PQ parallel cc, ſo [Abbildung] leuchtet ein, daß der ordentliche Strahl o ſtärker gebrochen wird, als der außerordentliche e. Zu dieſer Gruppe gehört Turmalin, Corund, Apatit, Veſuvian, Anatas, Honigſtein ꝛc. 2) Quarzgeſetz (attraktiv oder poſitiv), hier wird umgekehrt der außerordentliche Strahl e ſtärker gebrochen, als der ordentliche o, er muß alſo innerhalb des Winkels QPo fallen, wird daher von der Axe PQ ſtärker angezogen, und nicht zurückgeſtoßen, wie vorhin. Zu dieſer Gruppe gehört Rothgülden, Eiſenglanz, Zirkon, Ichthyophthalm, Zinnſtein, Rutil, Eis ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/115
Zitationshilfe: Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/115>, abgerufen am 26.11.2024.