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Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855.

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Geschichte: Agricola, Bartholin, Steno.
Angriff genommen. Ohne mineralogische Kenntniß konnte ein solcher aus-
gedehnter Bergbau gar nicht stattfinden, allein die Bergleute schrieben
nichts nieder, sie waren "Männer vom Leder, und nicht von der Feder".
Wenn auch einiges den Gelehrten zu Ohren und Augen kam, wie dem
Schwaben Albertus Magnus (1193--1280), der 5 Bücher de mineralibus
et rebus metallicis
schrieb, so sahen sie es doch immer im Spiegel alter
Autoren.

Das Bergbüchlein, die erste deutsch geschriebene Mineralogie,
schöpfte zuerst aus der reinen Quelle praktischer Erfahrung. Basilius
Valentin, den man weiter nicht kennt, soll der Verfasser sein, aber
wahrscheinlich haben mehrere daran gearbeitet. Doch waren es jedenfalls
nicht classisch gebildete Bergleute, die etwa um das Jahr 1500 nieder-
schrieben, was bis dahin die Erfahrung gelehrt hatte, denn sonst hätten
sie nicht deutsch geschrieben! Neue, dem Alterthum unbekannte Namen,
wie Quarz, Spath, Schiefer, Kies etc. treten uns hier zum ersten Male
entgegen, die wir dann wieder bei Agricola (1494--1555) de natura
fossilium
1546 beschrieben finden. Dieser war Arzt zu Joachimsthal in
Böhmen, wo er von Bergwerken rings umgeben reiche Kenntnisse sammeln
konnte, die ihn beim Deuten alter Autoren leiteten. Werner nennt ihn
den "Vater aller metallurgischen Wissenschaften" und allerdings beschäf-
tigten ihn schon die Gestalt, Blättrigkeit, Härte, Schwere, Farbe, Glanz etc.
der Minerale in einer Weise, wie vor ihm keinen. Johann Kenntmann
zu Torgau (1518--1568) heißt der erste Sammler in Deutschland, wozu
ihn wahrscheinlich die Eislebischen Bergwerke veranlaßten und Conrad
Gesner de rerum fossilium figuris Zürich 1565 liefert uns die ersten
Abbildungen. Im 17ten Jahrhundert geschah zwar nicht sonderlich viel,
doch verlor sich der erwachte Sinn für das Fach nicht wieder. Boetius
de Boot schreibt eine Gemmarum et Lapidum historia 1609, leitet die
Form der Krystalle von beigemischten Salzen ab, und sucht schon auf
geometrischem Wege die Sechseckigkeit des Quarzes zu erklären. Beson-
deres Aufsehen erregte der Doppelspath, welchen der Däne Erasmus
Bartholin (Experimenta Crystalli Islandici. 1669) auf Island entdeckte,
durch seine doppelten Bilder. Bartholin bestimmte die ebenen Winkel der
Rhomboeder-Flächen durch Messung zu 101° und 79°, und fand die
Kante durch Rechnung 103° 40'. Schon früher hatte er eine Abhandlung
de figura nivis 1661 geschrieben, worin er die Meinung des Cartesius
vertheidigt: die Schneesterne entständen dadurch, daß sechs Wasserbläschen
genau ein siebentes central gelagertes umgäben. Die Formen wurden
von nun an Gegenstand gründlichern Nachdenkens. Der berühmte Huygens
(+ 1695) maß die Doppelspathkante schon sehr genau auf 105°, und suchte
den blättrigen Bruch zu erklären. Boyle (+ 1691) weist den blättrigen
Bruch noch bei vielen andern Krystallen nach. Der Däne Steno, welcher
in Italien lebte, hat durch sein Werk de solido intra solidum naturaliter
contento
1669 Epoche gemacht. Er spricht beim Bergkrystall nicht blos
von 6seitigen Säulen und 6seitigen Pyramiden an den Enden, sondern
behauptet auch, daß trotz der Verziehung der einzelnen Theile eine Con-
stanz der Winkel stattfinde (non mutatis angulis). Er zeigt weiter, daß
man durch Abstumpfen eines Würfels sämmtliche Flächen des Eisenglanzes
ableiten könnte, und weist die dreifache Streifung der Würfelflächen des

Geſchichte: Agricola, Bartholin, Steno.
Angriff genommen. Ohne mineralogiſche Kenntniß konnte ein ſolcher aus-
gedehnter Bergbau gar nicht ſtattfinden, allein die Bergleute ſchrieben
nichts nieder, ſie waren „Männer vom Leder, und nicht von der Feder“.
Wenn auch einiges den Gelehrten zu Ohren und Augen kam, wie dem
Schwaben Albertus Magnus (1193—1280), der 5 Bücher de mineralibus
et rebus metallicis
ſchrieb, ſo ſahen ſie es doch immer im Spiegel alter
Autoren.

Das Bergbüchlein, die erſte deutſch geſchriebene Mineralogie,
ſchöpfte zuerſt aus der reinen Quelle praktiſcher Erfahrung. Baſilius
Valentin, den man weiter nicht kennt, ſoll der Verfaſſer ſein, aber
wahrſcheinlich haben mehrere daran gearbeitet. Doch waren es jedenfalls
nicht claſſiſch gebildete Bergleute, die etwa um das Jahr 1500 nieder-
ſchrieben, was bis dahin die Erfahrung gelehrt hatte, denn ſonſt hätten
ſie nicht deutſch geſchrieben! Neue, dem Alterthum unbekannte Namen,
wie Quarz, Spath, Schiefer, Kies ꝛc. treten uns hier zum erſten Male
entgegen, die wir dann wieder bei Agricola (1494—1555) de natura
fossilium
1546 beſchrieben finden. Dieſer war Arzt zu Joachimsthal in
Böhmen, wo er von Bergwerken rings umgeben reiche Kenntniſſe ſammeln
konnte, die ihn beim Deuten alter Autoren leiteten. Werner nennt ihn
den „Vater aller metallurgiſchen Wiſſenſchaften“ und allerdings beſchäf-
tigten ihn ſchon die Geſtalt, Blättrigkeit, Härte, Schwere, Farbe, Glanz ꝛc.
der Minerale in einer Weiſe, wie vor ihm keinen. Johann Kenntmann
zu Torgau (1518—1568) heißt der erſte Sammler in Deutſchland, wozu
ihn wahrſcheinlich die Eislebiſchen Bergwerke veranlaßten und Conrad
Gesner de rerum fossilium figuris Zürich 1565 liefert uns die erſten
Abbildungen. Im 17ten Jahrhundert geſchah zwar nicht ſonderlich viel,
doch verlor ſich der erwachte Sinn für das Fach nicht wieder. Boetius
de Boot ſchreibt eine Gemmarum et Lapidum historia 1609, leitet die
Form der Kryſtalle von beigemiſchten Salzen ab, und ſucht ſchon auf
geometriſchem Wege die Sechseckigkeit des Quarzes zu erklären. Beſon-
deres Aufſehen erregte der Doppelſpath, welchen der Däne Erasmus
Bartholin (Experimenta Crystalli Islandici. 1669) auf Island entdeckte,
durch ſeine doppelten Bilder. Bartholin beſtimmte die ebenen Winkel der
Rhomboeder-Flächen durch Meſſung zu 101° und 79°, und fand die
Kante durch Rechnung 103° 40′. Schon früher hatte er eine Abhandlung
de figura nivis 1661 geſchrieben, worin er die Meinung des Carteſius
vertheidigt: die Schneeſterne entſtänden dadurch, daß ſechs Waſſerbläschen
genau ein ſiebentes central gelagertes umgäben. Die Formen wurden
von nun an Gegenſtand gründlichern Nachdenkens. Der berühmte Huygens
(† 1695) maß die Doppelſpathkante ſchon ſehr genau auf 105°, und ſuchte
den blättrigen Bruch zu erklären. Boyle († 1691) weist den blättrigen
Bruch noch bei vielen andern Kryſtallen nach. Der Däne Steno, welcher
in Italien lebte, hat durch ſein Werk de solido intra solidum naturaliter
contento
1669 Epoche gemacht. Er ſpricht beim Bergkryſtall nicht blos
von 6ſeitigen Säulen und 6ſeitigen Pyramiden an den Enden, ſondern
behauptet auch, daß trotz der Verziehung der einzelnen Theile eine Con-
ſtanz der Winkel ſtattfinde (non mutatis angulis). Er zeigt weiter, daß
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[2/0014] Geſchichte: Agricola, Bartholin, Steno. Angriff genommen. Ohne mineralogiſche Kenntniß konnte ein ſolcher aus- gedehnter Bergbau gar nicht ſtattfinden, allein die Bergleute ſchrieben nichts nieder, ſie waren „Männer vom Leder, und nicht von der Feder“. Wenn auch einiges den Gelehrten zu Ohren und Augen kam, wie dem Schwaben Albertus Magnus (1193—1280), der 5 Bücher de mineralibus et rebus metallicis ſchrieb, ſo ſahen ſie es doch immer im Spiegel alter Autoren. Das Bergbüchlein, die erſte deutſch geſchriebene Mineralogie, ſchöpfte zuerſt aus der reinen Quelle praktiſcher Erfahrung. Baſilius Valentin, den man weiter nicht kennt, ſoll der Verfaſſer ſein, aber wahrſcheinlich haben mehrere daran gearbeitet. Doch waren es jedenfalls nicht claſſiſch gebildete Bergleute, die etwa um das Jahr 1500 nieder- ſchrieben, was bis dahin die Erfahrung gelehrt hatte, denn ſonſt hätten ſie nicht deutſch geſchrieben! Neue, dem Alterthum unbekannte Namen, wie Quarz, Spath, Schiefer, Kies ꝛc. treten uns hier zum erſten Male entgegen, die wir dann wieder bei Agricola (1494—1555) de natura fossilium 1546 beſchrieben finden. Dieſer war Arzt zu Joachimsthal in Böhmen, wo er von Bergwerken rings umgeben reiche Kenntniſſe ſammeln konnte, die ihn beim Deuten alter Autoren leiteten. Werner nennt ihn den „Vater aller metallurgiſchen Wiſſenſchaften“ und allerdings beſchäf- tigten ihn ſchon die Geſtalt, Blättrigkeit, Härte, Schwere, Farbe, Glanz ꝛc. der Minerale in einer Weiſe, wie vor ihm keinen. Johann Kenntmann zu Torgau (1518—1568) heißt der erſte Sammler in Deutſchland, wozu ihn wahrſcheinlich die Eislebiſchen Bergwerke veranlaßten und Conrad Gesner de rerum fossilium figuris Zürich 1565 liefert uns die erſten Abbildungen. Im 17ten Jahrhundert geſchah zwar nicht ſonderlich viel, doch verlor ſich der erwachte Sinn für das Fach nicht wieder. Boetius de Boot ſchreibt eine Gemmarum et Lapidum historia 1609, leitet die Form der Kryſtalle von beigemiſchten Salzen ab, und ſucht ſchon auf geometriſchem Wege die Sechseckigkeit des Quarzes zu erklären. Beſon- deres Aufſehen erregte der Doppelſpath, welchen der Däne Erasmus Bartholin (Experimenta Crystalli Islandici. 1669) auf Island entdeckte, durch ſeine doppelten Bilder. Bartholin beſtimmte die ebenen Winkel der Rhomboeder-Flächen durch Meſſung zu 101° und 79°, und fand die Kante durch Rechnung 103° 40′. Schon früher hatte er eine Abhandlung de figura nivis 1661 geſchrieben, worin er die Meinung des Carteſius vertheidigt: die Schneeſterne entſtänden dadurch, daß ſechs Waſſerbläschen genau ein ſiebentes central gelagertes umgäben. Die Formen wurden von nun an Gegenſtand gründlichern Nachdenkens. Der berühmte Huygens († 1695) maß die Doppelſpathkante ſchon ſehr genau auf 105°, und ſuchte den blättrigen Bruch zu erklären. Boyle († 1691) weist den blättrigen Bruch noch bei vielen andern Kryſtallen nach. Der Däne Steno, welcher in Italien lebte, hat durch ſein Werk de solido intra solidum naturaliter contento 1669 Epoche gemacht. Er ſpricht beim Bergkryſtall nicht blos von 6ſeitigen Säulen und 6ſeitigen Pyramiden an den Enden, ſondern behauptet auch, daß trotz der Verziehung der einzelnen Theile eine Con- ſtanz der Winkel ſtattfinde (non mutatis angulis). Er zeigt weiter, daß man durch Abſtumpfen eines Würfels ſämmtliche Flächen des Eiſenglanzes ableiten könnte, und weist die dreifache Streifung der Würfelflächen des

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Zitationshilfe: Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/14>, abgerufen am 21.11.2024.