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Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855.

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II. Cl. Salinische Steine: Gyps.
haltige Wasser lösten das Salz, und die dadurch entstehende Sole konnte
den Gyps nicht halten. Schon bei 1090 R. gibt der Gyps alles Wasser
ab, und erhitzt man ihn darüber, so brennt er sich todt, d. h. er nimmt
kein Wasser wieder auf. Erhitzt man ihn darunter, etwa bis 900, wo
er noch 1/2 Atom Wasser hält, so nimmt er, mit Wasser gemischt, schnell
das Wasser wieder auf, erhärtet und erwärmt sich dabei. Darauf be-
ruht seine vielfache technische Anwendung. Die feinsten besonders zu
Statuen brauchbaren Sorten liefert der blättrige farblose Gyps (omnium
autem optimum fieri compertum est e lapide speculari Plin.
), dieser kommt
daher auch ungebrannt in den Handel. Man brennt ihn so lange, als
das Aufwallen dauert. Neuerlich ist Gyps auch in der Oekonomie wichtig
geworden: man streut ihn gepulvert roh oder besser gebrannt sparsam
auf Futterkräuter (Klee, Lucerne, Esparsette), Lein und Hülsenfrüchte.
Hanf und sumpfige Wiesen vertragen ihn nicht.

Seine Bildung findet sowohl auf trockenem als nassem Wege statt,
Dr. Schacht fand sogar, daß in den Zellen, welche die Bastbündel un-
mittelbar umgeben, die häufigen Krystalle gewöhnlich Gyps seien. In
vulkanischen Gegenden, wo Schwefelwasserstoff und schweflichte Säure
fortwährend entweichen, kann es an Zersetzung der Kalkfelsen nicht fehlen,
und wo Schwefelmetalle auf Erzgängen, besonders aber Schwefelkies in
den Thonmergeln verwittern, tritt gern Gyps als Nebenprodukt auf.
Doch spielt er auf Erzgängen als Ganggestein niemals eine Rolle, so
schön andererseits die Krystalle in den Thonmergeln der Jura- und Kreide-
formation vorkommen, die lediglich dem dortigen Schwefelkies ihr Dasein
verdanken dürften. Aber alles dieses sind verschwindende Mengen gegen
die Stöcke und Lager sonderlich des Flözgebirges, könnten wir auch für
den Urgyps mit eingesprengtem Glimmer im Glimmerschiefer der Alpen
(Val Canaria) oder für die mit Serpentin vorkommenden Stöcke der Py-
renäen die Schwefelsäurequelle im Innern der Erde suchen, so muß doch
wohl die große Menge der folgenden Lager gleich aus dem Meerwasser,
woraus sie sich niederschlugen, ihren Schwefelsäuregehalt bezogen haben.
In Amerika finden sich Gypslager mit Salz schon unter der Steinkohlen-
formation, bei uns ist der von großen "Schlotten" durchzogene Zechstein-
gyps am Rande des Harzes der älteste, dann hat aber auch der Bunte-
sandstein, Muschelkalk und Keuper bedeutende Lager. In den Alpen und
den Karpathen läßt sich das Alter nicht immer mit Sicherheit nachweisen,
dagegen stellt sich im Tertiärgebirge nochmals eine ausgezeichnete, wenn
auch sporadische Entwickelung ein.

Das Gypsgebirge ist nicht blos durch den Einschluß von Thierresten,
besonders der Wirbelthiere, merkwürdig: Säugethierknochen bei Paris,
Schildkröten am Hohenhöwen, Fischschuppen im Keupergyps etc., woher
auch der nicht seltene Gehalt an Bitumen erklärt werden könnte, sondern
es bildet auch eine Fundgrube für ganz eigenthümliche Minerale: Boracit
von Lüneburg, Arragonit und rothe Quarzkrystalle in Spanien und Süd-
frankreich, Bitterspath bei Hall, Schwefel, Cölestin etc., und noch unbe-
antwortet ist die Frage, in welchem innern Zusammenhang er mit An-
hydrit stehe.

Gypskrystalle schließen öfter bewegliche Wassertropfen ein. Sie
tapeziren vor allem die Wände größerer und kleinerer Höhlen im Gyps-

II. Cl. Saliniſche Steine: Gyps.
haltige Waſſer lösten das Salz, und die dadurch entſtehende Sole konnte
den Gyps nicht halten. Schon bei 1090 R. gibt der Gyps alles Waſſer
ab, und erhitzt man ihn darüber, ſo brennt er ſich todt, d. h. er nimmt
kein Waſſer wieder auf. Erhitzt man ihn darunter, etwa bis 900, wo
er noch ½ Atom Waſſer hält, ſo nimmt er, mit Waſſer gemiſcht, ſchnell
das Waſſer wieder auf, erhärtet und erwärmt ſich dabei. Darauf be-
ruht ſeine vielfache techniſche Anwendung. Die feinſten beſonders zu
Statuen brauchbaren Sorten liefert der blättrige farbloſe Gyps (omnium
autem optimum fieri compertum est e lapide speculari Plin.
), dieſer kommt
daher auch ungebrannt in den Handel. Man brennt ihn ſo lange, als
das Aufwallen dauert. Neuerlich iſt Gyps auch in der Oekonomie wichtig
geworden: man ſtreut ihn gepulvert roh oder beſſer gebrannt ſparſam
auf Futterkräuter (Klee, Lucerne, Eſparſette), Lein und Hülſenfrüchte.
Hanf und ſumpfige Wieſen vertragen ihn nicht.

Seine Bildung findet ſowohl auf trockenem als naſſem Wege ſtatt,
Dr. Schacht fand ſogar, daß in den Zellen, welche die Baſtbündel un-
mittelbar umgeben, die häufigen Kryſtalle gewöhnlich Gyps ſeien. In
vulkaniſchen Gegenden, wo Schwefelwaſſerſtoff und ſchweflichte Säure
fortwährend entweichen, kann es an Zerſetzung der Kalkfelſen nicht fehlen,
und wo Schwefelmetalle auf Erzgängen, beſonders aber Schwefelkies in
den Thonmergeln verwittern, tritt gern Gyps als Nebenprodukt auf.
Doch ſpielt er auf Erzgängen als Ganggeſtein niemals eine Rolle, ſo
ſchön andererſeits die Kryſtalle in den Thonmergeln der Jura- und Kreide-
formation vorkommen, die lediglich dem dortigen Schwefelkies ihr Daſein
verdanken dürften. Aber alles dieſes ſind verſchwindende Mengen gegen
die Stöcke und Lager ſonderlich des Flözgebirges, könnten wir auch für
den Urgyps mit eingeſprengtem Glimmer im Glimmerſchiefer der Alpen
(Val Canaria) oder für die mit Serpentin vorkommenden Stöcke der Py-
renäen die Schwefelſäurequelle im Innern der Erde ſuchen, ſo muß doch
wohl die große Menge der folgenden Lager gleich aus dem Meerwaſſer,
woraus ſie ſich niederſchlugen, ihren Schwefelſäuregehalt bezogen haben.
In Amerika finden ſich Gypslager mit Salz ſchon unter der Steinkohlen-
formation, bei uns iſt der von großen „Schlotten“ durchzogene Zechſtein-
gyps am Rande des Harzes der älteſte, dann hat aber auch der Bunte-
ſandſtein, Muſchelkalk und Keuper bedeutende Lager. In den Alpen und
den Karpathen läßt ſich das Alter nicht immer mit Sicherheit nachweiſen,
dagegen ſtellt ſich im Tertiärgebirge nochmals eine ausgezeichnete, wenn
auch ſporadiſche Entwickelung ein.

Das Gypsgebirge iſt nicht blos durch den Einſchluß von Thierreſten,
beſonders der Wirbelthiere, merkwürdig: Säugethierknochen bei Paris,
Schildkröten am Hohenhöwen, Fiſchſchuppen im Keupergyps ꝛc., woher
auch der nicht ſeltene Gehalt an Bitumen erklärt werden könnte, ſondern
es bildet auch eine Fundgrube für ganz eigenthümliche Minerale: Boracit
von Lüneburg, Arragonit und rothe Quarzkryſtalle in Spanien und Süd-
frankreich, Bitterſpath bei Hall, Schwefel, Cöleſtin ꝛc., und noch unbe-
antwortet iſt die Frage, in welchem innern Zuſammenhang er mit An-
hydrit ſtehe.

Gypskryſtalle ſchließen öfter bewegliche Waſſertropfen ein. Sie
tapeziren vor allem die Wände größerer und kleinerer Höhlen im Gyps-

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[364/0376] II. Cl. Saliniſche Steine: Gyps. haltige Waſſer lösten das Salz, und die dadurch entſtehende Sole konnte den Gyps nicht halten. Schon bei 1090 R. gibt der Gyps alles Waſſer ab, und erhitzt man ihn darüber, ſo brennt er ſich todt, d. h. er nimmt kein Waſſer wieder auf. Erhitzt man ihn darunter, etwa bis 900, wo er noch ½ Atom Waſſer hält, ſo nimmt er, mit Waſſer gemiſcht, ſchnell das Waſſer wieder auf, erhärtet und erwärmt ſich dabei. Darauf be- ruht ſeine vielfache techniſche Anwendung. Die feinſten beſonders zu Statuen brauchbaren Sorten liefert der blättrige farbloſe Gyps (omnium autem optimum fieri compertum est e lapide speculari Plin.), dieſer kommt daher auch ungebrannt in den Handel. Man brennt ihn ſo lange, als das Aufwallen dauert. Neuerlich iſt Gyps auch in der Oekonomie wichtig geworden: man ſtreut ihn gepulvert roh oder beſſer gebrannt ſparſam auf Futterkräuter (Klee, Lucerne, Eſparſette), Lein und Hülſenfrüchte. Hanf und ſumpfige Wieſen vertragen ihn nicht. Seine Bildung findet ſowohl auf trockenem als naſſem Wege ſtatt, Dr. Schacht fand ſogar, daß in den Zellen, welche die Baſtbündel un- mittelbar umgeben, die häufigen Kryſtalle gewöhnlich Gyps ſeien. In vulkaniſchen Gegenden, wo Schwefelwaſſerſtoff und ſchweflichte Säure fortwährend entweichen, kann es an Zerſetzung der Kalkfelſen nicht fehlen, und wo Schwefelmetalle auf Erzgängen, beſonders aber Schwefelkies in den Thonmergeln verwittern, tritt gern Gyps als Nebenprodukt auf. Doch ſpielt er auf Erzgängen als Ganggeſtein niemals eine Rolle, ſo ſchön andererſeits die Kryſtalle in den Thonmergeln der Jura- und Kreide- formation vorkommen, die lediglich dem dortigen Schwefelkies ihr Daſein verdanken dürften. Aber alles dieſes ſind verſchwindende Mengen gegen die Stöcke und Lager ſonderlich des Flözgebirges, könnten wir auch für den Urgyps mit eingeſprengtem Glimmer im Glimmerſchiefer der Alpen (Val Canaria) oder für die mit Serpentin vorkommenden Stöcke der Py- renäen die Schwefelſäurequelle im Innern der Erde ſuchen, ſo muß doch wohl die große Menge der folgenden Lager gleich aus dem Meerwaſſer, woraus ſie ſich niederſchlugen, ihren Schwefelſäuregehalt bezogen haben. In Amerika finden ſich Gypslager mit Salz ſchon unter der Steinkohlen- formation, bei uns iſt der von großen „Schlotten“ durchzogene Zechſtein- gyps am Rande des Harzes der älteſte, dann hat aber auch der Bunte- ſandſtein, Muſchelkalk und Keuper bedeutende Lager. In den Alpen und den Karpathen läßt ſich das Alter nicht immer mit Sicherheit nachweiſen, dagegen ſtellt ſich im Tertiärgebirge nochmals eine ausgezeichnete, wenn auch ſporadiſche Entwickelung ein. Das Gypsgebirge iſt nicht blos durch den Einſchluß von Thierreſten, beſonders der Wirbelthiere, merkwürdig: Säugethierknochen bei Paris, Schildkröten am Hohenhöwen, Fiſchſchuppen im Keupergyps ꝛc., woher auch der nicht ſeltene Gehalt an Bitumen erklärt werden könnte, ſondern es bildet auch eine Fundgrube für ganz eigenthümliche Minerale: Boracit von Lüneburg, Arragonit und rothe Quarzkryſtalle in Spanien und Süd- frankreich, Bitterſpath bei Hall, Schwefel, Cöleſtin ꝛc., und noch unbe- antwortet iſt die Frage, in welchem innern Zuſammenhang er mit An- hydrit ſtehe. Gypskryſtalle ſchließen öfter bewegliche Waſſertropfen ein. Sie tapeziren vor allem die Wände größerer und kleinerer Höhlen im Gyps-

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Zitationshilfe: Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/376>, abgerufen am 21.11.2024.