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Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855.

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VI. Cl. Inflammabilien: Steinölverbreitung.
von Seyssel (an der Rhone unterhalb Genf) größten Ruf. Es erfüllt
einen Molassesand und Nagelflue, man kocht das Gestein, und das Bi-
tumen löst sich davon und schwimmt auf dem Wasser. Auch ist daselbst
der Jurakalk wie im Val de Travers (bei Neufchatel) so durchdrungen,
daß er eine kaffeebraune Farbe bekommt. Man kann ihn zwar pulvern
und sieben, aber das Pulver ballt sich wieder von selbst. Das Bitumen
von Bechelbronn und Lobsann im Elsaß nördlich Straßburg bildet im
Braunkohlengebirge man kann sagen einen sandigen Theer, der sich in
seinen fettesten Schichten wie Wachs schneiden läßt, und ebenfalls abge-
kocht und dann weiter behandelt wird. Bei Darfeld westlich Münster
(Pogg. Ann. 47. 397) findet man im mergeligen Kalkstein der Kreide-
formation ein zähes honigsteifes Harz, was Spalten erfüllt. Man kann
dort reine Stücke von 13 Lb Schwere zu Tage fördern, die ganz dem
ächten Asphalt gleichen, nur werden sie bei warmer Witterung gleich
pechartig weich, was der ächte Asphalt niemals zeigt. Zu Limme ohn-
weit Hannover, Wietze, Häningsen, Oedesse, Verden, Braunschweig kennt
man ähnliche Vorkommen. Bei Seefeld ohnweit Innsbruck wird aus
Alpenkalkstein ein solcher Asphalt abdestillirt. Den dortigen Bitumenreichthum
erwähnt schon Agricola de nat. foss. IV. pag. 595. Häufig fällt die Nach-
barschaft der Salzgebirge in hohem Grade auf, ja wir finden mitten im
Steinsalz Nester von dem deutlichsten Asphalt (Wilhelmsglück am Kocher).
Der salzreiche Karpathenzug ist besonders in Siebenbürgen reich an Erd-
ölquellen. Schon im Alterthume sind auf der griechischen Halbinsel be-
sonders zwei Punkte durch Oel berühmt: Kudessi bei Avlona am Nord-
fuße der Acroceraunischen Berge, Nachts tanzen bläuliche Flammen über
dem Boden, wo das heilige Nymphäum von Apollonia lag. Klaproth
Beiträge III. 315 analysirte Asphalt von hier, der dem Kalkgebirge an-
gehört, und in solcher Menge vorkommt, daß man ganz Europa mit dieser
zum Kalfatern so vortrefflichen Substanz versehen könnte (Virlet Leon-
hard's Jahrb. 1837. 627). Auf Zanthe, dem alten Zakynthos, der südlichsten
unter den Jonischen Inseln, hatte schon Herodot 400 Jahr vor Christi
Geburt die berühmten Quellen besucht, die noch heute jährlich 100 Ctr.
Oel liefern. Eines der Oelbecken hat 50' Umfang, der Boden tönt hohl
und wankt unter den Füßen.

Die Halbinsel Abscheron am südöstlichen Ende des Kaukasus ist
wegen ihres Oelquellenreichthums der bedeutendste Punkt in der Alten Welt,
zumal in der Umgebung von Baku. Der schwarze Boden liegt auf einer
Erdpechschicht, bis zu welcher man Brunnen hinabführt, worin sich dann
meistens ein dunkeles Oel ansammelt, das Sommers am dünnflüssigsten
ist. Das Dorf Balaghan hat 25 Brunnen, wovon die besten bis 1500 Lb
in einem Tage geben sollen, die meisten sind aber viel ärmer, auch läßt
man die Brunnen häufig verfallen, und macht an andern Stellen neue.
Farbloses Naphtha findet sich jedoch nur an einer einzigen Stelle, wo es
wahrscheinlich durch eine unterirdische Destillation schon gereinigt wird.
Man rechnet jährlich auf 100,000 Ctr. Steinöl in der Umgegend von
Baku. Einige der Quellen dünsten zugleich viel Kohlenwasserstoff aus,
und bei warmem Herbstregen soll das ganze Feld um Baku in weißblauen
Flammen stehen, die aber nicht zünden. Das ewige Feuer der Parsen,
welches schon seit dem Jahre 900 brennt, ist ein solcher angezündeter

VI. Cl. Inflammabilien: Steinölverbreitung.
von Seyſſel (an der Rhone unterhalb Genf) größten Ruf. Es erfüllt
einen Molaſſeſand und Nagelflue, man kocht das Geſtein, und das Bi-
tumen löst ſich davon und ſchwimmt auf dem Waſſer. Auch iſt daſelbſt
der Jurakalk wie im Val de Travers (bei Neufchatel) ſo durchdrungen,
daß er eine kaffeebraune Farbe bekommt. Man kann ihn zwar pulvern
und ſieben, aber das Pulver ballt ſich wieder von ſelbſt. Das Bitumen
von Bechelbronn und Lobſann im Elſaß nördlich Straßburg bildet im
Braunkohlengebirge man kann ſagen einen ſandigen Theer, der ſich in
ſeinen fetteſten Schichten wie Wachs ſchneiden läßt, und ebenfalls abge-
kocht und dann weiter behandelt wird. Bei Darfeld weſtlich Münſter
(Pogg. Ann. 47. 397) findet man im mergeligen Kalkſtein der Kreide-
formation ein zähes honigſteifes Harz, was Spalten erfüllt. Man kann
dort reine Stücke von 13 ℔ Schwere zu Tage fördern, die ganz dem
ächten Asphalt gleichen, nur werden ſie bei warmer Witterung gleich
pechartig weich, was der ächte Asphalt niemals zeigt. Zu Limme ohn-
weit Hannover, Wietze, Häningſen, Oedeſſe, Verden, Braunſchweig kennt
man ähnliche Vorkommen. Bei Seefeld ohnweit Innsbruck wird aus
Alpenkalkſtein ein ſolcher Asphalt abdeſtillirt. Den dortigen Bitumenreichthum
erwähnt ſchon Agricola de nat. foss. IV. pag. 595. Häufig fällt die Nach-
barſchaft der Salzgebirge in hohem Grade auf, ja wir finden mitten im
Steinſalz Neſter von dem deutlichſten Asphalt (Wilhelmsglück am Kocher).
Der ſalzreiche Karpathenzug iſt beſonders in Siebenbürgen reich an Erd-
ölquellen. Schon im Alterthume ſind auf der griechiſchen Halbinſel be-
ſonders zwei Punkte durch Oel berühmt: Kudeſſi bei Avlona am Nord-
fuße der Acrocerauniſchen Berge, Nachts tanzen bläuliche Flammen über
dem Boden, wo das heilige Nymphäum von Apollonia lag. Klaproth
Beiträge III. 315 analyſirte Asphalt von hier, der dem Kalkgebirge an-
gehört, und in ſolcher Menge vorkommt, daß man ganz Europa mit dieſer
zum Kalfatern ſo vortrefflichen Subſtanz verſehen könnte (Virlet Leon-
hard’s Jahrb. 1837. 627). Auf Zanthe, dem alten Zakynthos, der ſüdlichſten
unter den Joniſchen Inſeln, hatte ſchon Herodot 400 Jahr vor Chriſti
Geburt die berühmten Quellen beſucht, die noch heute jährlich 100 Ctr.
Oel liefern. Eines der Oelbecken hat 50′ Umfang, der Boden tönt hohl
und wankt unter den Füßen.

Die Halbinſel Abſcheron am ſüdöſtlichen Ende des Kaukaſus iſt
wegen ihres Oelquellenreichthums der bedeutendſte Punkt in der Alten Welt,
zumal in der Umgebung von Baku. Der ſchwarze Boden liegt auf einer
Erdpechſchicht, bis zu welcher man Brunnen hinabführt, worin ſich dann
meiſtens ein dunkeles Oel anſammelt, das Sommers am dünnflüſſigſten
iſt. Das Dorf Balaghan hat 25 Brunnen, wovon die beſten bis 1500 ℔
in einem Tage geben ſollen, die meiſten ſind aber viel ärmer, auch läßt
man die Brunnen häufig verfallen, und macht an andern Stellen neue.
Farbloſes Naphtha findet ſich jedoch nur an einer einzigen Stelle, wo es
wahrſcheinlich durch eine unterirdiſche Deſtillation ſchon gereinigt wird.
Man rechnet jährlich auf 100,000 Ctr. Steinöl in der Umgegend von
Baku. Einige der Quellen dünſten zugleich viel Kohlenwaſſerſtoff aus,
und bei warmem Herbſtregen ſoll das ganze Feld um Baku in weißblauen
Flammen ſtehen, die aber nicht zünden. Das ewige Feuer der Parſen,
welches ſchon ſeit dem Jahre 900 brennt, iſt ein ſolcher angezündeter

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[649/0661] VI. Cl. Inflammabilien: Steinölverbreitung. von Seyſſel (an der Rhone unterhalb Genf) größten Ruf. Es erfüllt einen Molaſſeſand und Nagelflue, man kocht das Geſtein, und das Bi- tumen löst ſich davon und ſchwimmt auf dem Waſſer. Auch iſt daſelbſt der Jurakalk wie im Val de Travers (bei Neufchatel) ſo durchdrungen, daß er eine kaffeebraune Farbe bekommt. Man kann ihn zwar pulvern und ſieben, aber das Pulver ballt ſich wieder von ſelbſt. Das Bitumen von Bechelbronn und Lobſann im Elſaß nördlich Straßburg bildet im Braunkohlengebirge man kann ſagen einen ſandigen Theer, der ſich in ſeinen fetteſten Schichten wie Wachs ſchneiden läßt, und ebenfalls abge- kocht und dann weiter behandelt wird. Bei Darfeld weſtlich Münſter (Pogg. Ann. 47. 397) findet man im mergeligen Kalkſtein der Kreide- formation ein zähes honigſteifes Harz, was Spalten erfüllt. Man kann dort reine Stücke von 13 ℔ Schwere zu Tage fördern, die ganz dem ächten Asphalt gleichen, nur werden ſie bei warmer Witterung gleich pechartig weich, was der ächte Asphalt niemals zeigt. Zu Limme ohn- weit Hannover, Wietze, Häningſen, Oedeſſe, Verden, Braunſchweig kennt man ähnliche Vorkommen. Bei Seefeld ohnweit Innsbruck wird aus Alpenkalkſtein ein ſolcher Asphalt abdeſtillirt. Den dortigen Bitumenreichthum erwähnt ſchon Agricola de nat. foss. IV. pag. 595. Häufig fällt die Nach- barſchaft der Salzgebirge in hohem Grade auf, ja wir finden mitten im Steinſalz Neſter von dem deutlichſten Asphalt (Wilhelmsglück am Kocher). Der ſalzreiche Karpathenzug iſt beſonders in Siebenbürgen reich an Erd- ölquellen. Schon im Alterthume ſind auf der griechiſchen Halbinſel be- ſonders zwei Punkte durch Oel berühmt: Kudeſſi bei Avlona am Nord- fuße der Acrocerauniſchen Berge, Nachts tanzen bläuliche Flammen über dem Boden, wo das heilige Nymphäum von Apollonia lag. Klaproth Beiträge III. 315 analyſirte Asphalt von hier, der dem Kalkgebirge an- gehört, und in ſolcher Menge vorkommt, daß man ganz Europa mit dieſer zum Kalfatern ſo vortrefflichen Subſtanz verſehen könnte (Virlet Leon- hard’s Jahrb. 1837. 627). Auf Zanthe, dem alten Zakynthos, der ſüdlichſten unter den Joniſchen Inſeln, hatte ſchon Herodot 400 Jahr vor Chriſti Geburt die berühmten Quellen beſucht, die noch heute jährlich 100 Ctr. Oel liefern. Eines der Oelbecken hat 50′ Umfang, der Boden tönt hohl und wankt unter den Füßen. Die Halbinſel Abſcheron am ſüdöſtlichen Ende des Kaukaſus iſt wegen ihres Oelquellenreichthums der bedeutendſte Punkt in der Alten Welt, zumal in der Umgebung von Baku. Der ſchwarze Boden liegt auf einer Erdpechſchicht, bis zu welcher man Brunnen hinabführt, worin ſich dann meiſtens ein dunkeles Oel anſammelt, das Sommers am dünnflüſſigſten iſt. Das Dorf Balaghan hat 25 Brunnen, wovon die beſten bis 1500 ℔ in einem Tage geben ſollen, die meiſten ſind aber viel ärmer, auch läßt man die Brunnen häufig verfallen, und macht an andern Stellen neue. Farbloſes Naphtha findet ſich jedoch nur an einer einzigen Stelle, wo es wahrſcheinlich durch eine unterirdiſche Deſtillation ſchon gereinigt wird. Man rechnet jährlich auf 100,000 Ctr. Steinöl in der Umgegend von Baku. Einige der Quellen dünſten zugleich viel Kohlenwaſſerſtoff aus, und bei warmem Herbſtregen ſoll das ganze Feld um Baku in weißblauen Flammen ſtehen, die aber nicht zünden. Das ewige Feuer der Parſen, welches ſchon ſeit dem Jahre 900 brennt, iſt ein ſolcher angezündeter

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Zitationshilfe: Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/661>, abgerufen am 22.11.2024.