doch ein wenig zusammennehmen, um es mit der nothwendigsten Höflichkeit und Freundlichkeit zu thun; doch --
"Weshalb kommen Sie nicht von Jena?" fragte die Frau Fechtmeisterin jetzt schon von ihrem Sofa aus. "Setzen Sie sich doch, Velten; und Sie auch, Herr Krumhardt, und nehmen Sie mir meine Frage nicht übel: ich komme nämlich von Jena, mein Mann ist da begraben und ich bin dort jung gewesen, da erkundige ich mich denn bei den jetzigen jungen Herren gern so nach dort und der alten Zeit, eben hier von Berlin aus, wo Keiner von uns eigentlich so recht weiß, ob er dahin gehört."
Da saß sie, ein weißhaarig Mütterchen, mit scharfem, hübschem Altfrauengesichtchen und Augen, die auf jeder Mensur dem Gegner imponiren mußten, und das "Keiner von uns" kam so selbstverständlich, natürlich, sachgemäß heraus, mit einem Anklang von Fechtboden und Kneipe, daß -- es gar nicht anders möglich gewesen war: sie und Velten Andres mußten sich im Leben treffen. Der Wohnungsnachweis: Frau Fechtmeisterin Feucht war vom Schicksal nur für meinen Freund Velten berechnet gewesen, im Treppen¬ hause der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. --
"So setze Dich doch, Mensch," sagte der junge Weise aus dem Vogelsang, der bereits die andere
doch ein wenig zuſammennehmen, um es mit der nothwendigſten Höflichkeit und Freundlichkeit zu thun; doch —
„Weshalb kommen Sie nicht von Jena?“ fragte die Frau Fechtmeiſterin jetzt ſchon von ihrem Sofa aus. „Setzen Sie ſich doch, Velten; und Sie auch, Herr Krumhardt, und nehmen Sie mir meine Frage nicht übel: ich komme nämlich von Jena, mein Mann iſt da begraben und ich bin dort jung geweſen, da erkundige ich mich denn bei den jetzigen jungen Herren gern ſo nach dort und der alten Zeit, eben hier von Berlin aus, wo Keiner von uns eigentlich ſo recht weiß, ob er dahin gehört.“
Da ſaß ſie, ein weißhaarig Mütterchen, mit ſcharfem, hübſchem Altfrauengeſichtchen und Augen, die auf jeder Menſur dem Gegner imponiren mußten, und das „Keiner von uns“ kam ſo ſelbſtverſtändlich, natürlich, ſachgemäß heraus, mit einem Anklang von Fechtboden und Kneipe, daß — es gar nicht anders möglich geweſen war: ſie und Velten Andres mußten ſich im Leben treffen. Der Wohnungsnachweis: Frau Fechtmeiſterin Feucht war vom Schickſal nur für meinen Freund Velten berechnet geweſen, im Treppen¬ hauſe der Friedrich-Wilhelms-Univerſität zu Berlin. —
„So ſetze Dich doch, Menſch,“ ſagte der junge Weiſe aus dem Vogelſang, der bereits die andere
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0122"n="112"/>
doch ein wenig zuſammennehmen, um es mit der<lb/>
nothwendigſten Höflichkeit und Freundlichkeit zu thun;<lb/>
doch —</p><lb/><p>„Weshalb kommen Sie nicht von Jena?“ fragte<lb/>
die Frau Fechtmeiſterin jetzt ſchon von ihrem Sofa<lb/>
aus. „Setzen Sie ſich doch, Velten; und Sie auch,<lb/>
Herr Krumhardt, und nehmen Sie mir meine Frage<lb/>
nicht übel: ich komme nämlich von Jena, mein Mann<lb/>
iſt da begraben und ich bin dort jung geweſen, da<lb/>
erkundige ich mich denn bei den jetzigen jungen<lb/>
Herren gern ſo nach dort und der alten Zeit, eben<lb/>
hier von Berlin aus, wo Keiner von uns eigentlich<lb/>ſo recht weiß, ob er dahin gehört.“</p><lb/><p>Da ſaß ſie, ein weißhaarig <choice><sic>Müttterchen</sic><corr>Mütterchen</corr></choice>, mit<lb/>ſcharfem, hübſchem Altfrauengeſichtchen und Augen,<lb/>
die auf jeder Menſur dem Gegner imponiren mußten,<lb/>
und das „Keiner von uns“ kam ſo ſelbſtverſtändlich,<lb/>
natürlich, ſachgemäß heraus, mit einem Anklang von<lb/>
Fechtboden und Kneipe, daß — es gar nicht anders<lb/>
möglich geweſen war: ſie und Velten Andres <hirendition="#g">mußten</hi><lb/>ſich im Leben treffen. Der Wohnungsnachweis: Frau<lb/>
Fechtmeiſterin Feucht war vom Schickſal nur für<lb/>
meinen Freund Velten berechnet geweſen, im Treppen¬<lb/>
hauſe der Friedrich-Wilhelms-Univerſität zu Berlin. —</p><lb/><p>„So ſetze Dich doch, Menſch,“ſagte der junge<lb/>
Weiſe aus dem Vogelſang, der bereits die andere<lb/></p></body></text></TEI>
[112/0122]
doch ein wenig zuſammennehmen, um es mit der
nothwendigſten Höflichkeit und Freundlichkeit zu thun;
doch —
„Weshalb kommen Sie nicht von Jena?“ fragte
die Frau Fechtmeiſterin jetzt ſchon von ihrem Sofa
aus. „Setzen Sie ſich doch, Velten; und Sie auch,
Herr Krumhardt, und nehmen Sie mir meine Frage
nicht übel: ich komme nämlich von Jena, mein Mann
iſt da begraben und ich bin dort jung geweſen, da
erkundige ich mich denn bei den jetzigen jungen
Herren gern ſo nach dort und der alten Zeit, eben
hier von Berlin aus, wo Keiner von uns eigentlich
ſo recht weiß, ob er dahin gehört.“
Da ſaß ſie, ein weißhaarig Mütterchen, mit
ſcharfem, hübſchem Altfrauengeſichtchen und Augen,
die auf jeder Menſur dem Gegner imponiren mußten,
und das „Keiner von uns“ kam ſo ſelbſtverſtändlich,
natürlich, ſachgemäß heraus, mit einem Anklang von
Fechtboden und Kneipe, daß — es gar nicht anders
möglich geweſen war: ſie und Velten Andres mußten
ſich im Leben treffen. Der Wohnungsnachweis: Frau
Fechtmeiſterin Feucht war vom Schickſal nur für
meinen Freund Velten berechnet geweſen, im Treppen¬
hauſe der Friedrich-Wilhelms-Univerſität zu Berlin. —
„So ſetze Dich doch, Menſch,“ ſagte der junge
Weiſe aus dem Vogelſang, der bereits die andere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/122>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.