Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

von des Lebens bezahlten und unbezahlten Schneider¬
rechnungen," lachte Velten.

"Redet man davon so viel bei uns, Herr
Andres?" fragte der junge Herr und reiche Haus¬
sohn aus dem Vorderhause ein wenig vorwurfsvoll.

"Nein! Wahrhaftig nicht. Soweit ich bis jetzt
darüber urtheilen kann, des Beaux. Ich habe im
Gegentheil bereits meinem Freund Krumhardt davon
erzählt, wie kurios anders das da drüben bei euch
rauscht, klingt und tönt. Wie das da bunt durchein¬
ander geht. Troubadourgeklimper, Albigenser Schwert-
und Speergerassel, Hugenottischer Orgelklang und
Chorgesang. Der Knabe aus der germanischen Pro¬
vinz ist schon fest überzeugt, daß er in diesem seinen
Berlin keine zweite gleich großartige Schneiderbude
finden wird. Da habe ich Ihnen natürlich schon
vorgearbeitet, Leon; übrigens bürge ich auch für jeden
Pump, den er bei euch anlegt."

"Aber Herr Andres?"

"Jawohl, mein Herr Andres," sagte die Frau
Fechtmeisterin Feucht, "seien Sie nicht zu naseweis
und ausfallend. Dafür kennen auch wir Beide uns
doch erst zu kurze Zeit, als daß ich für alle schlechten
Witze hier bei mir den Fechtboden hergeben möchte."

"Karl, ich werde wieder verkannt," seufzte kläg¬
lich mein Schulfreund aus dem Vogelsang. "Was

8*

von des Lebens bezahlten und unbezahlten Schneider¬
rechnungen,“ lachte Velten.

„Redet man davon ſo viel bei uns, Herr
Andres?“ fragte der junge Herr und reiche Haus¬
ſohn aus dem Vorderhauſe ein wenig vorwurfsvoll.

„Nein! Wahrhaftig nicht. Soweit ich bis jetzt
darüber urtheilen kann, des Beaux. Ich habe im
Gegentheil bereits meinem Freund Krumhardt davon
erzählt, wie kurios anders das da drüben bei euch
rauſcht, klingt und tönt. Wie das da bunt durchein¬
ander geht. Troubadourgeklimper, Albigenſer Schwert-
und Speergeraſſel, Hugenottiſcher Orgelklang und
Chorgeſang. Der Knabe aus der germaniſchen Pro¬
vinz iſt ſchon feſt überzeugt, daß er in dieſem ſeinen
Berlin keine zweite gleich großartige Schneiderbude
finden wird. Da habe ich Ihnen natürlich ſchon
vorgearbeitet, Leon; übrigens bürge ich auch für jeden
Pump, den er bei euch anlegt.“

„Aber Herr Andres?“

„Jawohl, mein Herr Andres,“ ſagte die Frau
Fechtmeiſterin Feucht, „ſeien Sie nicht zu naſeweis
und ausfallend. Dafür kennen auch wir Beide uns
doch erſt zu kurze Zeit, als daß ich für alle ſchlechten
Witze hier bei mir den Fechtboden hergeben möchte.“

„Karl, ich werde wieder verkannt,“ ſeufzte kläg¬
lich mein Schulfreund aus dem Vogelſang. „Was

8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0125" n="115"/>
von des Lebens bezahlten und unbezahlten Schneider¬<lb/>
rechnungen,&#x201C; lachte Velten.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Redet man davon &#x017F;o viel bei uns, Herr<lb/>
Andres?&#x201C; fragte der junge Herr und reiche Haus¬<lb/>
&#x017F;ohn aus dem Vorderhau&#x017F;e ein wenig vorwurfsvoll.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Nein! Wahrhaftig nicht. Soweit ich bis jetzt<lb/>
darüber urtheilen kann, des Beaux. Ich habe im<lb/>
Gegentheil bereits meinem Freund Krumhardt davon<lb/>
erzählt, wie kurios anders das da drüben bei euch<lb/>
rau&#x017F;cht, klingt und tönt. Wie das da bunt durchein¬<lb/>
ander geht. Troubadourgeklimper, Albigen&#x017F;er Schwert-<lb/>
und Speergera&#x017F;&#x017F;el, Hugenotti&#x017F;cher Orgelklang und<lb/>
Chorge&#x017F;ang. Der Knabe aus der germani&#x017F;chen Pro¬<lb/>
vinz i&#x017F;t &#x017F;chon fe&#x017F;t überzeugt, daß er in die&#x017F;em &#x017F;einen<lb/>
Berlin keine zweite gleich großartige Schneiderbude<lb/>
finden wird. Da habe ich Ihnen natürlich &#x017F;chon<lb/>
vorgearbeitet, Leon; übrigens bürge ich auch für jeden<lb/>
Pump, den er bei euch anlegt.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Aber Herr Andres?&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Jawohl, mein Herr Andres,&#x201C; &#x017F;agte die Frau<lb/>
Fechtmei&#x017F;terin Feucht, &#x201E;&#x017F;eien Sie nicht zu na&#x017F;eweis<lb/>
und ausfallend. Dafür kennen auch wir Beide uns<lb/>
doch er&#x017F;t zu kurze Zeit, als daß ich für alle &#x017F;chlechten<lb/>
Witze hier bei mir den Fechtboden hergeben möchte.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Karl, ich werde wieder verkannt,&#x201C; &#x017F;eufzte kläg¬<lb/>
lich mein Schulfreund aus dem Vogel&#x017F;ang. &#x201E;Was<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8*<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0125] von des Lebens bezahlten und unbezahlten Schneider¬ rechnungen,“ lachte Velten. „Redet man davon ſo viel bei uns, Herr Andres?“ fragte der junge Herr und reiche Haus¬ ſohn aus dem Vorderhauſe ein wenig vorwurfsvoll. „Nein! Wahrhaftig nicht. Soweit ich bis jetzt darüber urtheilen kann, des Beaux. Ich habe im Gegentheil bereits meinem Freund Krumhardt davon erzählt, wie kurios anders das da drüben bei euch rauſcht, klingt und tönt. Wie das da bunt durchein¬ ander geht. Troubadourgeklimper, Albigenſer Schwert- und Speergeraſſel, Hugenottiſcher Orgelklang und Chorgeſang. Der Knabe aus der germaniſchen Pro¬ vinz iſt ſchon feſt überzeugt, daß er in dieſem ſeinen Berlin keine zweite gleich großartige Schneiderbude finden wird. Da habe ich Ihnen natürlich ſchon vorgearbeitet, Leon; übrigens bürge ich auch für jeden Pump, den er bei euch anlegt.“ „Aber Herr Andres?“ „Jawohl, mein Herr Andres,“ ſagte die Frau Fechtmeiſterin Feucht, „ſeien Sie nicht zu naſeweis und ausfallend. Dafür kennen auch wir Beide uns doch erſt zu kurze Zeit, als daß ich für alle ſchlechten Witze hier bei mir den Fechtboden hergeben möchte.“ „Karl, ich werde wieder verkannt,“ ſeufzte kläg¬ lich mein Schulfreund aus dem Vogelſang. „Was 8*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/125
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/125>, abgerufen am 21.11.2024.