sich schon gefallen lassen. Es ist noch nicht die schlimmste Art, um verlegen zu werden, wenn Einem die Leute in den Gassen nachgucken."
"Monstrari digito," entfuhr mir selbstverständlich, und ebenso selbstverständlich fuhr Velten Andres fort im Citat:
"Et dicier Hic est!" fügte aber natürlich hinzu und zwar grinsend: "Herrje, er weiß auch hierfür ein Citat! Leon, wünschen Sie heute nach¬ mittag im Kasinokonzert den vornehmen Fremden zur Darstellung zu bringen, oder legen Sie sich lieber mit mir in den Wald am Schluderkopfe und wehren mir die Fliegen ab?"
"Aber Velten?!" murmelte selbst die Nachbarin Andres; doch ihr Sprößling meinte:
"Ich arbeite ja dabei an seiner Bildung, Mama. Na, wie ist's, Leon? Und wie ist's mit Dir, Aus¬ kultatore oder zu deutsch: Aufmerker, auch, nach Heyses Fremdwörterbuch: Sitzungszuhörer?"
Auch ich verzichtete auf das Gartenkonzert der bessern oder besten Gesellschaft des Städtleins, und so durchstreiften wir die Wälder auf den Hügeln auch diesmal wieder wie in unserer Knabenzeit, und unsere Kameradin, Helene Trotzendorff, ging wieder mit uns. Velten hatte wieder einen Brief von ihr in der Tasche, über den er mit seiner Mutter schon
ſich ſchon gefallen laſſen. Es iſt noch nicht die ſchlimmſte Art, um verlegen zu werden, wenn Einem die Leute in den Gaſſen nachgucken.“
„Monstrari digito,“ entfuhr mir ſelbſtverſtändlich, und ebenſo ſelbſtverſtändlich fuhr Velten Andres fort im Citat:
„Et dicier Hic est!“ fügte aber natürlich hinzu und zwar grinſend: „Herrje, er weiß auch hierfür ein Citat! Leon, wünſchen Sie heute nach¬ mittag im Kaſinokonzert den vornehmen Fremden zur Darſtellung zu bringen, oder legen Sie ſich lieber mit mir in den Wald am Schluderkopfe und wehren mir die Fliegen ab?“
„Aber Velten?!“ murmelte ſelbſt die Nachbarin Andres; doch ihr Sprößling meinte:
„Ich arbeite ja dabei an ſeiner Bildung, Mama. Na, wie iſt's, Leon? Und wie iſt's mit Dir, Aus¬ kultatore oder zu deutſch: Aufmerker, auch, nach Heyſes Fremdwörterbuch: Sitzungszuhörer?“
Auch ich verzichtete auf das Gartenkonzert der beſſern oder beſten Geſellſchaft des Städtleins, und ſo durchſtreiften wir die Wälder auf den Hügeln auch diesmal wieder wie in unſerer Knabenzeit, und unſere Kameradin, Helene Trotzendorff, ging wieder mit uns. Velten hatte wieder einen Brief von ihr in der Taſche, über den er mit ſeiner Mutter ſchon
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ſich ſchon gefallen laſſen. Es iſt noch nicht die
ſchlimmſte Art, um verlegen zu werden, wenn Einem
die Leute in den Gaſſen nachgucken.“
„Monstrari digito,“ entfuhr mir ſelbſtverſtändlich,
und ebenſo ſelbſtverſtändlich fuhr Velten Andres fort
im Citat:
„Et dicier Hic est!“ fügte aber natürlich
hinzu und zwar grinſend: „Herrje, er weiß auch
hierfür ein Citat! Leon, wünſchen Sie heute nach¬
mittag im Kaſinokonzert den vornehmen Fremden
zur Darſtellung zu bringen, oder legen Sie ſich lieber
mit mir in den Wald am Schluderkopfe und wehren
mir die Fliegen ab?“
„Aber Velten?!“ murmelte ſelbſt die Nachbarin
Andres; doch ihr Sprößling meinte:
„Ich arbeite ja dabei an ſeiner Bildung, Mama.
Na, wie iſt's, Leon? Und wie iſt's mit Dir, Aus¬
kultatore oder zu deutſch: Aufmerker, auch, nach
Heyſes Fremdwörterbuch: Sitzungszuhörer?“
Auch ich verzichtete auf das Gartenkonzert der
beſſern oder beſten Geſellſchaft des Städtleins, und
ſo durchſtreiften wir die Wälder auf den Hügeln
auch diesmal wieder wie in unſerer Knabenzeit, und
unſere Kameradin, Helene Trotzendorff, ging wieder
mit uns. Velten hatte wieder einen Brief von ihr
in der Taſche, über den er mit ſeiner Mutter ſchon
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/150>, abgerufen am 16.02.2025.
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