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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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der ihn zu nehmen wisse, einen unbegrenzten Kredit
bei seinem Herrn Vater in der Tasche.

"Das geht ja noch über Schlappe!" seufzten
unsere Zeitgenossen in der Heimath, fügten jedoch be¬
ruhigt hinzu: "Na, er wird wohl wieder nichts
damit anzufangen wissen und seine guten Karten
nicht aus Dummheit, sondern purer Suffisance
abermals aus der Hand geben."

"Was haben Sie den Herrschaften hier eigentlich
über mich aufgebunden?" fragte wohl (und hatte das
Recht dazu) der Sohn und Erbe des jetzt wohl¬
habendsten und berühmtesten Schneidermeisters von
Berlin an der Spree, in gewohnter, schüchterner
Verlegenheit die Hände aneinander reibend. "Die
Leute sind doch ganz gewiß nicht meinetwegen so
liebenswürdig gegen mich an diesem entzückenden
Orte."

"Bloß Ihretwegen, Leon! Ich habe nur bei¬
läufig fallen lassen, daß Sie mein guter Freund
sind, und daß mir Ihr Herr Vater sein Haus und
einen Credit illimite, das heißt Riesenpump, bei
sich eröffnet habe. Krumhardt kann das bezeugen,
und unsere Alte da auch, Monsieur le vicomte."

"Ja, ja!" lachte die Frau Doktorin Andres.
"Beruhigen Sie sich aber nur, mein lieber Freund;
solchen schlimmen Ruf unter den Leuten können Sie

der ihn zu nehmen wiſſe, einen unbegrenzten Kredit
bei ſeinem Herrn Vater in der Taſche.

„Das geht ja noch über Schlappe!“ ſeufzten
unſere Zeitgenoſſen in der Heimath, fügten jedoch be¬
ruhigt hinzu: „Na, er wird wohl wieder nichts
damit anzufangen wiſſen und ſeine guten Karten
nicht aus Dummheit, ſondern purer Suffiſance
abermals aus der Hand geben.“

„Was haben Sie den Herrſchaften hier eigentlich
über mich aufgebunden?“ fragte wohl (und hatte das
Recht dazu) der Sohn und Erbe des jetzt wohl¬
habendſten und berühmteſten Schneidermeiſters von
Berlin an der Spree, in gewohnter, ſchüchterner
Verlegenheit die Hände aneinander reibend. „Die
Leute ſind doch ganz gewiß nicht meinetwegen ſo
liebenswürdig gegen mich an dieſem entzückenden
Orte.“

„Bloß Ihretwegen, Leon! Ich habe nur bei¬
läufig fallen laſſen, daß Sie mein guter Freund
ſind, und daß mir Ihr Herr Vater ſein Haus und
einen Credit illimité, das heißt Rieſenpump, bei
ſich eröffnet habe. Krumhardt kann das bezeugen,
und unſere Alte da auch, Monsieur le vicomte.“

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[139/0149] der ihn zu nehmen wiſſe, einen unbegrenzten Kredit bei ſeinem Herrn Vater in der Taſche. „Das geht ja noch über Schlappe!“ ſeufzten unſere Zeitgenoſſen in der Heimath, fügten jedoch be¬ ruhigt hinzu: „Na, er wird wohl wieder nichts damit anzufangen wiſſen und ſeine guten Karten nicht aus Dummheit, ſondern purer Suffiſance abermals aus der Hand geben.“ „Was haben Sie den Herrſchaften hier eigentlich über mich aufgebunden?“ fragte wohl (und hatte das Recht dazu) der Sohn und Erbe des jetzt wohl¬ habendſten und berühmteſten Schneidermeiſters von Berlin an der Spree, in gewohnter, ſchüchterner Verlegenheit die Hände aneinander reibend. „Die Leute ſind doch ganz gewiß nicht meinetwegen ſo liebenswürdig gegen mich an dieſem entzückenden Orte.“ „Bloß Ihretwegen, Leon! Ich habe nur bei¬ läufig fallen laſſen, daß Sie mein guter Freund ſind, und daß mir Ihr Herr Vater ſein Haus und einen Credit illimité, das heißt Rieſenpump, bei ſich eröffnet habe. Krumhardt kann das bezeugen, und unſere Alte da auch, Monsieur le vicomte.“ „Ja, ja!“ lachte die Frau Doktorin Andres. „Beruhigen Sie ſich aber nur, mein lieber Freund; ſolchen ſchlimmen Ruf unter den Leuten können Sie

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/149>, abgerufen am 21.11.2024.