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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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einen einsamen Tod, aber -- nach dem Wege und
Siege des Welteroberers wünschte sich Velten Andres
damals.

Sein Wunsch ist ihm erfüllt worden! Er hat
die Welt überwunden und ist mit sich allein ge¬
storben. -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

Also, wie gesagt, ich ließ ihn in Berlin, bestand
zu Hause ehrenvoll, und wie es mein Vater auch
gar nicht anders erwartet hatte, mein erstes juristisches
Examen, wurde der nächsten Behörde, die eine Lücke
für mich aufzuweisen hatte, als rechtskundiger Kate¬
chumene zugeteilt, entsprach den Anforderungen meiner
Vorgesetzten und sah, wie mein Papa, dem zweiten
"stärkern Licht", das heißt der nächsten Prüfung, mit
nicht ungerechtfertigtem Vertrauen entgegen. Er kam
einige Male in den Ferien zu seiner Mutter heim,
und stellte dem Vogelsang sowie der Residenz seinen
Freund, Herrn Leon des Beaux, vor, indem er ihm
sein Bett in seinem Schülerstübchen unterm schrägen
Dache der Frau Doktorin abtrat, selber auf dem Sofa
kampirte und (auch durch mich) in der Hauptstadt
verbreitete: den Titel "Vicomte" habe die Familie
im Laufe der Jahrhunderte einschlafen lassen, aber
die französische Republik erkenne ihn heute noch an,
und der schüchterne junge Mensch habe für Jeden,

einen einſamen Tod, aber — nach dem Wege und
Siege des Welteroberers wünſchte ſich Velten Andres
damals.

Sein Wunſch iſt ihm erfüllt worden! Er hat
die Welt überwunden und iſt mit ſich allein ge¬
ſtorben. — — — — — — — — — — — —

Alſo, wie geſagt, ich ließ ihn in Berlin, beſtand
zu Hauſe ehrenvoll, und wie es mein Vater auch
gar nicht anders erwartet hatte, mein erſtes juriſtiſches
Examen, wurde der nächſten Behörde, die eine Lücke
für mich aufzuweiſen hatte, als rechtskundiger Kate¬
chumene zugeteilt, entſprach den Anforderungen meiner
Vorgeſetzten und ſah, wie mein Papa, dem zweiten
„ſtärkern Licht“, das heißt der nächſten Prüfung, mit
nicht ungerechtfertigtem Vertrauen entgegen. Er kam
einige Male in den Ferien zu ſeiner Mutter heim,
und ſtellte dem Vogelſang ſowie der Reſidenz ſeinen
Freund, Herrn Leon des Beaux, vor, indem er ihm
ſein Bett in ſeinem Schülerſtübchen unterm ſchrägen
Dache der Frau Doktorin abtrat, ſelber auf dem Sofa
kampirte und (auch durch mich) in der Hauptſtadt
verbreitete: den Titel „Vicomte“ habe die Familie
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[138/0148] einen einſamen Tod, aber — nach dem Wege und Siege des Welteroberers wünſchte ſich Velten Andres damals. Sein Wunſch iſt ihm erfüllt worden! Er hat die Welt überwunden und iſt mit ſich allein ge¬ ſtorben. — — — — — — — — — — — — Alſo, wie geſagt, ich ließ ihn in Berlin, beſtand zu Hauſe ehrenvoll, und wie es mein Vater auch gar nicht anders erwartet hatte, mein erſtes juriſtiſches Examen, wurde der nächſten Behörde, die eine Lücke für mich aufzuweiſen hatte, als rechtskundiger Kate¬ chumene zugeteilt, entſprach den Anforderungen meiner Vorgeſetzten und ſah, wie mein Papa, dem zweiten „ſtärkern Licht“, das heißt der nächſten Prüfung, mit nicht ungerechtfertigtem Vertrauen entgegen. Er kam einige Male in den Ferien zu ſeiner Mutter heim, und ſtellte dem Vogelſang ſowie der Reſidenz ſeinen Freund, Herrn Leon des Beaux, vor, indem er ihm ſein Bett in ſeinem Schülerſtübchen unterm ſchrägen Dache der Frau Doktorin abtrat, ſelber auf dem Sofa kampirte und (auch durch mich) in der Hauptſtadt verbreitete: den Titel „Vicomte“ habe die Familie im Laufe der Jahrhunderte einſchlafen laſſen, aber die franzöſiſche Republik erkenne ihn heute noch an, und der ſchüchterne junge Menſch habe für Jeden,

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/148>, abgerufen am 21.11.2024.