Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Lüften blitzt und leuchtet, sitzt nachher auf die
richtige Weise und bringt eine saubere Abfuhr zuwege.
Da mag man doch aufs Tapet bringen, was man
will, Herr Andres: solch ein armer, unschuldiger,
pudelnärrischer Draufgänger, mit der Gabe den Spieß
zu ärgern, wie Sie, ist mir weder in Jena noch hier
in Berlin, noch sonst in meinem lieben, langen Leben
vorgekommen. Den Herrn Leon frage ich nicht um
seine Meinung; aber was ist Ihre Ansicht, Fräulein
des Beaux?"

"Man kann auch unter den Fußtritten der Leute
auf der Landstraße und in der Gasse auf Salas y
Gomez sterben," sagte Leonie des Beaux leise. Damals
ging das Wort an mir vorüber in der lachenden,
lustigen Unterhaltung, wie das so gewöhnlich ist,
und ich habe mich vielleicht höchstens einen kurzen
Augenblick darüber verwundert, wie das Mädchen
dazu kam. Heute haftet mein Blick, von meinem
Schreibtisch aus, über das benachbarte Hausdach
hinweg, auf einer bewaldeten Hügelkuppe. Das ist
der Osterberg, auf dem wir, da wir noch Kinder
waren, die Sternschnuppen, die Thränen des heiligen
Laurentius, fallen sahen, und es versuchten, bei jedem
fallenden Funken einen Wunsch zu haben, um ihn
in Erfüllung gehen sehen zu können.

Einen Tod auf Salas y Gomez, das heißt

in den Lüften blitzt und leuchtet, ſitzt nachher auf die
richtige Weiſe und bringt eine ſaubere Abfuhr zuwege.
Da mag man doch aufs Tapet bringen, was man
will, Herr Andres: ſolch ein armer, unſchuldiger,
pudelnärriſcher Draufgänger, mit der Gabe den Spieß
zu ärgern, wie Sie, iſt mir weder in Jena noch hier
in Berlin, noch ſonſt in meinem lieben, langen Leben
vorgekommen. Den Herrn Leon frage ich nicht um
ſeine Meinung; aber was iſt Ihre Anſicht, Fräulein
des Beaux?“

„Man kann auch unter den Fußtritten der Leute
auf der Landſtraße und in der Gaſſe auf Salas y
Gomez ſterben,“ ſagte Leonie des Beaux leiſe. Damals
ging das Wort an mir vorüber in der lachenden,
luſtigen Unterhaltung, wie das ſo gewöhnlich iſt,
und ich habe mich vielleicht höchſtens einen kurzen
Augenblick darüber verwundert, wie das Mädchen
dazu kam. Heute haftet mein Blick, von meinem
Schreibtiſch aus, über das benachbarte Hausdach
hinweg, auf einer bewaldeten Hügelkuppe. Das iſt
der Oſterberg, auf dem wir, da wir noch Kinder
waren, die Sternſchnuppen, die Thränen des heiligen
Laurentius, fallen ſahen, und es verſuchten, bei jedem
fallenden Funken einen Wunſch zu haben, um ihn
in Erfüllung gehen ſehen zu können.

Einen Tod auf Salas y Gomez, das heißt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0147" n="137"/>
in den Lüften blitzt und leuchtet, &#x017F;itzt nachher auf die<lb/>
richtige Wei&#x017F;e und bringt eine &#x017F;aubere Abfuhr zuwege.<lb/>
Da mag man doch aufs Tapet bringen, was man<lb/>
will, Herr Andres: &#x017F;olch ein armer, un&#x017F;chuldiger,<lb/>
pudelnärri&#x017F;cher Draufgänger, mit der Gabe den Spieß<lb/>
zu ärgern, wie Sie, i&#x017F;t mir weder in Jena noch hier<lb/>
in Berlin, noch &#x017F;on&#x017F;t in meinem lieben, langen Leben<lb/>
vorgekommen. Den Herrn Leon frage ich nicht um<lb/>
&#x017F;eine Meinung; aber was i&#x017F;t Ihre An&#x017F;icht, Fräulein<lb/>
des Beaux?&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Man kann auch unter den Fußtritten der Leute<lb/>
auf der Land&#x017F;traße und in der Ga&#x017F;&#x017F;e auf Salas y<lb/>
Gomez &#x017F;terben,&#x201C; &#x017F;agte Leonie des Beaux lei&#x017F;e. Damals<lb/>
ging das Wort an mir vorüber in der lachenden,<lb/>
lu&#x017F;tigen Unterhaltung, wie das &#x017F;o gewöhnlich i&#x017F;t,<lb/>
und ich habe mich vielleicht höch&#x017F;tens einen kurzen<lb/>
Augenblick darüber verwundert, wie das Mädchen<lb/>
dazu kam. Heute haftet mein Blick, von meinem<lb/>
Schreibti&#x017F;ch aus, über das benachbarte Hausdach<lb/>
hinweg, auf einer bewaldeten Hügelkuppe. Das i&#x017F;t<lb/>
der O&#x017F;terberg, auf dem wir, da wir noch Kinder<lb/>
waren, die Stern&#x017F;chnuppen, die Thränen des heiligen<lb/>
Laurentius, fallen &#x017F;ahen, und es ver&#x017F;uchten, bei jedem<lb/>
fallenden Funken einen Wun&#x017F;ch zu haben, um ihn<lb/>
in Erfüllung gehen &#x017F;ehen zu können.</p><lb/>
      <p>Einen Tod auf Salas y Gomez, das heißt<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0147] in den Lüften blitzt und leuchtet, ſitzt nachher auf die richtige Weiſe und bringt eine ſaubere Abfuhr zuwege. Da mag man doch aufs Tapet bringen, was man will, Herr Andres: ſolch ein armer, unſchuldiger, pudelnärriſcher Draufgänger, mit der Gabe den Spieß zu ärgern, wie Sie, iſt mir weder in Jena noch hier in Berlin, noch ſonſt in meinem lieben, langen Leben vorgekommen. Den Herrn Leon frage ich nicht um ſeine Meinung; aber was iſt Ihre Anſicht, Fräulein des Beaux?“ „Man kann auch unter den Fußtritten der Leute auf der Landſtraße und in der Gaſſe auf Salas y Gomez ſterben,“ ſagte Leonie des Beaux leiſe. Damals ging das Wort an mir vorüber in der lachenden, luſtigen Unterhaltung, wie das ſo gewöhnlich iſt, und ich habe mich vielleicht höchſtens einen kurzen Augenblick darüber verwundert, wie das Mädchen dazu kam. Heute haftet mein Blick, von meinem Schreibtiſch aus, über das benachbarte Hausdach hinweg, auf einer bewaldeten Hügelkuppe. Das iſt der Oſterberg, auf dem wir, da wir noch Kinder waren, die Sternſchnuppen, die Thränen des heiligen Laurentius, fallen ſahen, und es verſuchten, bei jedem fallenden Funken einen Wunſch zu haben, um ihn in Erfüllung gehen ſehen zu können. Einen Tod auf Salas y Gomez, das heißt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/147
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/147>, abgerufen am 21.11.2024.