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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Und versuchen Sie sich nur mit meinem Bruder,
Herr Assessor. Die Welt kehrt sich freilich gänzlich
um: der Schneider geht auf die Mensur, und Ger¬
maniens Heldenjugend, wenn nicht auf den Schneider¬
tisch, so doch in die doppelte Buchführung und --"

Eben hatte sich draußen in der Vorsaalthür ein
Schlüssel gedreht und ein Schritt erklang im Gange.
Die junge Dame erröthend und wie erschreckt brach ab
in ihrer Rede.

"Baissez-vous, montagnes,
Haussez-vous, vallons!
M'empechez de voir
Ma mi' Madelon,"

klang es draußen aus einem französischen Volksliede,
das uns vordem Leonie des Beaux in ihrem Salon
im Vorderhause dann und wann zum Flügel ge¬
sungen hatte.

"Da haben mir ja die Tafelrunde aus den
Contes de ma mere l'Oie wieder einmal beinahe
vollständig beisammen," rief Velten Andres; und
ich sehe ihn wieder vor mir in seiner Pracht, wie
man sich in der Jugend den Lord Byron und im
Alter den jungen Goethe vorstellt. Mit dem kecken,
lachenden, siegessicheren Auge und dem Schelmenzug
um den Mund -- den Liebling der Götter und des
Vogelsangs, den Weltüberwinder von Leichtsinns
Gnaden. Ich habe ihn nie so wieder gesehen wie

Und verſuchen Sie ſich nur mit meinem Bruder,
Herr Aſſeſſor. Die Welt kehrt ſich freilich gänzlich
um: der Schneider geht auf die Menſur, und Ger¬
maniens Heldenjugend, wenn nicht auf den Schneider¬
tiſch, ſo doch in die doppelte Buchführung und —“

Eben hatte ſich draußen in der Vorſaalthür ein
Schlüſſel gedreht und ein Schritt erklang im Gange.
Die junge Dame erröthend und wie erſchreckt brach ab
in ihrer Rede.

„Baissez-vous, montagnes,
Haussez-vous, vallons!
M'empêchez de voir
Ma mi' Madelon,“

klang es draußen aus einem franzöſiſchen Volksliede,
das uns vordem Leonie des Beaux in ihrem Salon
im Vorderhauſe dann und wann zum Flügel ge¬
ſungen hatte.

„Da haben mir ja die Tafelrunde aus den
Contes de ma mère l'Oie wieder einmal beinahe
vollſtändig beiſammen,“ rief Velten Andres; und
ich ſehe ihn wieder vor mir in ſeiner Pracht, wie
man ſich in der Jugend den Lord Byron und im
Alter den jungen Goethe vorſtellt. Mit dem kecken,
lachenden, ſiegesſicheren Auge und dem Schelmenzug
um den Mund — den Liebling der Götter und des
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[157/0167] Und verſuchen Sie ſich nur mit meinem Bruder, Herr Aſſeſſor. Die Welt kehrt ſich freilich gänzlich um: der Schneider geht auf die Menſur, und Ger¬ maniens Heldenjugend, wenn nicht auf den Schneider¬ tiſch, ſo doch in die doppelte Buchführung und —“ Eben hatte ſich draußen in der Vorſaalthür ein Schlüſſel gedreht und ein Schritt erklang im Gange. Die junge Dame erröthend und wie erſchreckt brach ab in ihrer Rede. „Baissez-vous, montagnes, Haussez-vous, vallons! M'empêchez de voir Ma mi' Madelon,“ klang es draußen aus einem franzöſiſchen Volksliede, das uns vordem Leonie des Beaux in ihrem Salon im Vorderhauſe dann und wann zum Flügel ge¬ ſungen hatte. „Da haben mir ja die Tafelrunde aus den Contes de ma mère l'Oie wieder einmal beinahe vollſtändig beiſammen,“ rief Velten Andres; und ich ſehe ihn wieder vor mir in ſeiner Pracht, wie man ſich in der Jugend den Lord Byron und im Alter den jungen Goethe vorſtellt. Mit dem kecken, lachenden, ſiegesſicheren Auge und dem Schelmenzug um den Mund — den Liebling der Götter und des Vogelſangs, den Weltüberwinder von Leichtſinns Gnaden. Ich habe ihn nie ſo wieder geſehen wie

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/167>, abgerufen am 27.11.2024.