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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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ständig, daß Velten mich lachend auf die Schulter
schlug und seine Mutter dabei mir zunickte. Ein¬
dringlicher war's natürlich, wenn die weise alte Frau
noch hinzufügte:

"Höre ja nicht auf den Narren, Freund Karl.
Bleibe Du ruhig auf Deinem Wege und halte die
Welt aufrecht; nicht bloß hier im Vogelsang, sondern
auch für den Vogelsang!"

So war es auch bei dem diesmaligen Abschied¬
nehmen auf dem Bahnhofe. Der Lebensmuth und die
Siegesgewißheit des scheidenden Freundes überwäl¬
tigten das nüchterne Besserwissen, das ich noch mit
dorthin genommen hatte, völlig. Und als mir Velten
noch sagte:

"Ich verlasse mich fest darauf, daß Du mir ge¬
wißlich meine Stelle bei der Alten vertrittst und Dich
ihrer gegebenen Falls nach Kräften annimmst," da
konnte ich mich nur fragen:

"Ja, wird das möglich sein und je nöthig wer¬
den können?"

Ich versprach es aber, wahrhaftig mit feuchten
Augen und stockendem Herzen -- mit dem besten
Willen, seinen Platz am Herde meines Nachbarhauses
festzuhalten und die "alte Frau" nicht einsam dort
sitzen zu lassen, während er seine Siege in der Welt
erfocht. --

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ſtändig, daß Velten mich lachend auf die Schulter
ſchlug und ſeine Mutter dabei mir zunickte. Ein¬
dringlicher war's natürlich, wenn die weiſe alte Frau
noch hinzufügte:

„Höre ja nicht auf den Narren, Freund Karl.
Bleibe Du ruhig auf Deinem Wege und halte die
Welt aufrecht; nicht bloß hier im Vogelſang, ſondern
auch für den Vogelſang!“

So war es auch bei dem diesmaligen Abſchied¬
nehmen auf dem Bahnhofe. Der Lebensmuth und die
Siegesgewißheit des ſcheidenden Freundes überwäl¬
tigten das nüchterne Beſſerwiſſen, das ich noch mit
dorthin genommen hatte, völlig. Und als mir Velten
noch ſagte:

„Ich verlaſſe mich feſt darauf, daß Du mir ge¬
wißlich meine Stelle bei der Alten vertrittſt und Dich
ihrer gegebenen Falls nach Kräften annimmſt,“ da
konnte ich mich nur fragen:

„Ja, wird das möglich ſein und je nöthig wer¬
den können?“

Ich verſprach es aber, wahrhaftig mit feuchten
Augen und ſtockendem Herzen — mit dem beſten
Willen, ſeinen Platz am Herde meines Nachbarhauſes
feſtzuhalten und die „alte Frau“ nicht einſam dort
ſitzen zu laſſen, während er ſeine Siege in der Welt
erfocht. —

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[163/0173] ſtändig, daß Velten mich lachend auf die Schulter ſchlug und ſeine Mutter dabei mir zunickte. Ein¬ dringlicher war's natürlich, wenn die weiſe alte Frau noch hinzufügte: „Höre ja nicht auf den Narren, Freund Karl. Bleibe Du ruhig auf Deinem Wege und halte die Welt aufrecht; nicht bloß hier im Vogelſang, ſondern auch für den Vogelſang!“ So war es auch bei dem diesmaligen Abſchied¬ nehmen auf dem Bahnhofe. Der Lebensmuth und die Siegesgewißheit des ſcheidenden Freundes überwäl¬ tigten das nüchterne Beſſerwiſſen, das ich noch mit dorthin genommen hatte, völlig. Und als mir Velten noch ſagte: „Ich verlaſſe mich feſt darauf, daß Du mir ge¬ wißlich meine Stelle bei der Alten vertrittſt und Dich ihrer gegebenen Falls nach Kräften annimmſt,“ da konnte ich mich nur fragen: „Ja, wird das möglich ſein und je nöthig wer¬ den können?“ Ich verſprach es aber, wahrhaftig mit feuchten Augen und ſtockendem Herzen — mit dem beſten Willen, ſeinen Platz am Herde meines Nachbarhauſes feſtzuhalten und die „alte Frau“ nicht einſam dort ſitzen zu laſſen, während er ſeine Siege in der Welt erfocht. — 11*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/173>, abgerufen am 09.11.2024.