Wir sahen ihn abfahren, wie damals Helene Trotzendorff. Es war eben ein anderer Zug, ein Vergnügungszug, angelangt und ein Gewühl aufge¬ regten und dem Anschein nach sehr vergnügten Volkes, das unserer Stadt und ihrer hübschen landschaftlichen Umgebung seinen Besuch zugedacht hatte, quoll uns daraus entgegen. Der Morgen war schön, die Sonne schien, ein fröhlicher Schenktisch war von einem sorg¬ lichen Komitee errichtet worden, die fremden Lieder¬ genossen oder Sangesbrüder kamen nicht nur mit ihrem musikalischen Hoch, sondern auch mit viel Durst bei uns an und eine einheimische Blechmusikbande brach mit schmetterndem Hall zum Willkommen los: die Stadt und Residenz hatte sich sehr vergrößert und verschönert seit dem Tage, an welchem Mr. Charles Trotzendorff sein Weib und sein Kind aus ihr weg und zu sich holte, und der jetzige Bahnhof, von welchem ich nun die Frau Nachbarin, die Mutter des Freundes, nach Hause führte, stand damals auch erst auf dem Papier und lag noch auf den Tischen der fürstlichen Landesbaudirektion. --
Die "Frau Doktorin" hatte ihren Arm in den meinigen gelegt, und sie, die bis in ihr höchstes Alter hinein einen leichten, schwebenden Schritt ge¬ habt hat, bedurfte auf diesem Heimwege doch einer
Wir ſahen ihn abfahren, wie damals Helene Trotzendorff. Es war eben ein anderer Zug, ein Vergnügungszug, angelangt und ein Gewühl aufge¬ regten und dem Anſchein nach ſehr vergnügten Volkes, das unſerer Stadt und ihrer hübſchen landſchaftlichen Umgebung ſeinen Beſuch zugedacht hatte, quoll uns daraus entgegen. Der Morgen war ſchön, die Sonne ſchien, ein fröhlicher Schenktiſch war von einem ſorg¬ lichen Komitee errichtet worden, die fremden Lieder¬ genoſſen oder Sangesbrüder kamen nicht nur mit ihrem muſikaliſchen Hoch, ſondern auch mit viel Durſt bei uns an und eine einheimiſche Blechmuſikbande brach mit ſchmetterndem Hall zum Willkommen los: die Stadt und Reſidenz hatte ſich ſehr vergrößert und verſchönert ſeit dem Tage, an welchem Mr. Charles Trotzendorff ſein Weib und ſein Kind aus ihr weg und zu ſich holte, und der jetzige Bahnhof, von welchem ich nun die Frau Nachbarin, die Mutter des Freundes, nach Hauſe führte, ſtand damals auch erſt auf dem Papier und lag noch auf den Tiſchen der fürſtlichen Landesbaudirektion. —
Die „Frau Doktorin“ hatte ihren Arm in den meinigen gelegt, und ſie, die bis in ihr höchſtes Alter hinein einen leichten, ſchwebenden Schritt ge¬ habt hat, bedurfte auf dieſem Heimwege doch einer
<TEI><text><body><pbfacs="#f0174"n="164"/><p>Wir ſahen ihn abfahren, wie damals Helene<lb/>
Trotzendorff. Es war eben ein anderer Zug, ein<lb/>
Vergnügungszug, angelangt und ein Gewühl aufge¬<lb/>
regten und dem Anſchein nach ſehr vergnügten Volkes,<lb/>
das unſerer Stadt und ihrer hübſchen landſchaftlichen<lb/>
Umgebung ſeinen Beſuch zugedacht hatte, quoll uns<lb/>
daraus entgegen. Der Morgen war ſchön, die Sonne<lb/>ſchien, ein fröhlicher Schenktiſch war von einem ſorg¬<lb/>
lichen Komitee errichtet worden, die fremden Lieder¬<lb/>
genoſſen oder Sangesbrüder kamen nicht nur mit<lb/>
ihrem muſikaliſchen Hoch, ſondern auch mit viel Durſt<lb/>
bei uns an und eine einheimiſche Blechmuſikbande<lb/>
brach mit ſchmetterndem Hall zum Willkommen los:<lb/>
die Stadt und Reſidenz hatte ſich ſehr vergrößert und<lb/>
verſchönert ſeit dem Tage, an welchem Mr. Charles<lb/>
Trotzendorff ſein Weib und ſein Kind aus ihr weg<lb/>
und zu ſich holte, und der jetzige Bahnhof, von<lb/>
welchem ich nun die Frau Nachbarin, die Mutter des<lb/>
Freundes, nach Hauſe führte, ſtand damals auch erſt<lb/>
auf dem Papier und lag noch auf den Tiſchen der<lb/>
fürſtlichen Landesbaudirektion. —</p><lb/><p>Die „Frau Doktorin“ hatte ihren Arm in den<lb/>
meinigen gelegt, und ſie, die bis in ihr höchſtes<lb/>
Alter hinein einen leichten, ſchwebenden Schritt ge¬<lb/>
habt hat, bedurfte auf dieſem Heimwege doch einer<lb/></p></body></text></TEI>
[164/0174]
Wir ſahen ihn abfahren, wie damals Helene
Trotzendorff. Es war eben ein anderer Zug, ein
Vergnügungszug, angelangt und ein Gewühl aufge¬
regten und dem Anſchein nach ſehr vergnügten Volkes,
das unſerer Stadt und ihrer hübſchen landſchaftlichen
Umgebung ſeinen Beſuch zugedacht hatte, quoll uns
daraus entgegen. Der Morgen war ſchön, die Sonne
ſchien, ein fröhlicher Schenktiſch war von einem ſorg¬
lichen Komitee errichtet worden, die fremden Lieder¬
genoſſen oder Sangesbrüder kamen nicht nur mit
ihrem muſikaliſchen Hoch, ſondern auch mit viel Durſt
bei uns an und eine einheimiſche Blechmuſikbande
brach mit ſchmetterndem Hall zum Willkommen los:
die Stadt und Reſidenz hatte ſich ſehr vergrößert und
verſchönert ſeit dem Tage, an welchem Mr. Charles
Trotzendorff ſein Weib und ſein Kind aus ihr weg
und zu ſich holte, und der jetzige Bahnhof, von
welchem ich nun die Frau Nachbarin, die Mutter des
Freundes, nach Hauſe führte, ſtand damals auch erſt
auf dem Papier und lag noch auf den Tiſchen der
fürſtlichen Landesbaudirektion. —
Die „Frau Doktorin“ hatte ihren Arm in den
meinigen gelegt, und ſie, die bis in ihr höchſtes
Alter hinein einen leichten, ſchwebenden Schritt ge¬
habt hat, bedurfte auf dieſem Heimwege doch einer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/174>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.