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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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nur auf sein Maulwerk angewiesen. Wenn ich Ihnen,
Herr Sekretär und Frau Sekretärin, mit meinem
andern noch übrigen Fuhrwerk beim Auszuge zu
Diensten sein kann, soll's gern geschehen. Dem alten
Hartleben, dem Grobian, soll man's nicht nachsagen
aus der Stadt, daß er nicht doch alles in allem ein
guter Vogelsänger Nachbar gewesen sei. Mit dem
freundschaftlichen Verkehr später, aus der Stadt her¬
aus und hinein wird's wohl ein bißchen hapern.
Na, ich denke immer noch ein paar Jährchen es zu
machen, daß Sie mich hier auf den Rädern finden,
wenn Sie aus dem neuen Leben heraus das alte
hier am Ort mal wieder aufsuchen wollen. Recht
schönen guten Abend, liebe Herrschaften! Schieb den
Krüppel um ein Haus weiter, Lümmel da hinter
mir; die Frau Doktern hat mir versprochen, mir noch
ein weniges mehr aus ihrem Velten seinem letzten
Brief vorzulesen, und der Satansjunge hat das immer
so an sich gehabt, daß er einem mit seinen Schnurren,
Abenteuern, Meinungen und Ansichten wie mit einem
Schnaps aufwartet. Ich meine immer, einmal
mußt Du den auch noch wiedersehen, Hartleben, und
wenn er auch noch so lange seine Mutter und den
Vogelsang auf sich warten läßt!" --

Vier Wochen später mußten wir ihn begraben, den
Nachbar Hartleben, und zu Ostern des folgenden

nur auf ſein Maulwerk angewieſen. Wenn ich Ihnen,
Herr Sekretär und Frau Sekretärin, mit meinem
andern noch übrigen Fuhrwerk beim Auszuge zu
Dienſten ſein kann, ſoll's gern geſchehen. Dem alten
Hartleben, dem Grobian, ſoll man's nicht nachſagen
aus der Stadt, daß er nicht doch alles in allem ein
guter Vogelſänger Nachbar geweſen ſei. Mit dem
freundſchaftlichen Verkehr ſpäter, aus der Stadt her¬
aus und hinein wird's wohl ein bißchen hapern.
Na, ich denke immer noch ein paar Jährchen es zu
machen, daß Sie mich hier auf den Rädern finden,
wenn Sie aus dem neuen Leben heraus das alte
hier am Ort mal wieder aufſuchen wollen. Recht
ſchönen guten Abend, liebe Herrſchaften! Schieb den
Krüppel um ein Haus weiter, Lümmel da hinter
mir; die Frau Doktern hat mir verſprochen, mir noch
ein weniges mehr aus ihrem Velten ſeinem letzten
Brief vorzuleſen, und der Satansjunge hat das immer
ſo an ſich gehabt, daß er einem mit ſeinen Schnurren,
Abenteuern, Meinungen und Anſichten wie mit einem
Schnaps aufwartet. Ich meine immer, einmal
mußt Du den auch noch wiederſehen, Hartleben, und
wenn er auch noch ſo lange ſeine Mutter und den
Vogelſang auf ſich warten läßt!“ —

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Nachbar Hartleben, und zu Oſtern des folgenden

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[197/0207] nur auf ſein Maulwerk angewieſen. Wenn ich Ihnen, Herr Sekretär und Frau Sekretärin, mit meinem andern noch übrigen Fuhrwerk beim Auszuge zu Dienſten ſein kann, ſoll's gern geſchehen. Dem alten Hartleben, dem Grobian, ſoll man's nicht nachſagen aus der Stadt, daß er nicht doch alles in allem ein guter Vogelſänger Nachbar geweſen ſei. Mit dem freundſchaftlichen Verkehr ſpäter, aus der Stadt her¬ aus und hinein wird's wohl ein bißchen hapern. Na, ich denke immer noch ein paar Jährchen es zu machen, daß Sie mich hier auf den Rädern finden, wenn Sie aus dem neuen Leben heraus das alte hier am Ort mal wieder aufſuchen wollen. Recht ſchönen guten Abend, liebe Herrſchaften! Schieb den Krüppel um ein Haus weiter, Lümmel da hinter mir; die Frau Doktern hat mir verſprochen, mir noch ein weniges mehr aus ihrem Velten ſeinem letzten Brief vorzuleſen, und der Satansjunge hat das immer ſo an ſich gehabt, daß er einem mit ſeinen Schnurren, Abenteuern, Meinungen und Anſichten wie mit einem Schnaps aufwartet. Ich meine immer, einmal mußt Du den auch noch wiederſehen, Hartleben, und wenn er auch noch ſo lange ſeine Mutter und den Vogelſang auf ſich warten läßt!“ — Vier Wochen ſpäter mußten wir ihn begraben, den Nachbar Hartleben, und zu Oſtern des folgenden

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/207>, abgerufen am 23.11.2024.