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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Doktern Andres ihren gewohnten Unsinn selbst am
Sarge Deines Vaters, ihres guten, treuesten Freundes!
Aber glaub mir, wenn ihr ihn morgen früh durch
den Vogelsang geleitet, so sieht ihm über ihren Zaun
dort eine Freundin mit nassen Augen und vollem
Herzen nach und sagt: Da begraben sie einen Mann,
den Dir das Schicksal dort an die Hecke gesetzt hatte,
um Dir ein Muster an ihm zu nehmen, Dein ganzes
Leben lang, Mutter Andres! Alles für unsere
Jungen! Natürlich er auf seine Weise, ich auf die
meinige. Und daß seine Art gut war, das bezeugt
ihm am besten die kleine Frau hier hinter ihrem
feuchten Taschentuch, Karl. Ziehen Sie es mir noch
einen Moment hinunter, Kindchen, und geben Sie
mir einen Kuß, und nun gute Nacht, und habt ferner
euren Trost aneinander und gönnt uns Alten unsere
Ruhe, wenn unsere Schlafenszeit gekommen ist."


Es war ein schöner, sonniger Morgen, an
welchem wir meinen Vater begruben. Mit einem
stattlichen Gefolge, an dem er wohl seine Genug¬
thuung haben mochte, und wie es ihm da, wo man
sonst wohl am wenigsten an so etwas denkt, auf

Doktern Andres ihren gewohnten Unſinn ſelbſt am
Sarge Deines Vaters, ihres guten, treueſten Freundes!
Aber glaub mir, wenn ihr ihn morgen früh durch
den Vogelſang geleitet, ſo ſieht ihm über ihren Zaun
dort eine Freundin mit naſſen Augen und vollem
Herzen nach und ſagt: Da begraben ſie einen Mann,
den Dir das Schickſal dort an die Hecke geſetzt hatte,
um Dir ein Muſter an ihm zu nehmen, Dein ganzes
Leben lang, Mutter Andres! Alles für unſere
Jungen! Natürlich er auf ſeine Weiſe, ich auf die
meinige. Und daß ſeine Art gut war, das bezeugt
ihm am beſten die kleine Frau hier hinter ihrem
feuchten Taſchentuch, Karl. Ziehen Sie es mir noch
einen Moment hinunter, Kindchen, und geben Sie
mir einen Kuß, und nun gute Nacht, und habt ferner
euren Troſt aneinander und gönnt uns Alten unſere
Ruhe, wenn unſere Schlafenszeit gekommen iſt.“


Es war ein ſchöner, ſonniger Morgen, an
welchem wir meinen Vater begruben. Mit einem
ſtattlichen Gefolge, an dem er wohl ſeine Genug¬
thuung haben mochte, und wie es ihm da, wo man
ſonſt wohl am wenigſten an ſo etwas denkt, auf

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[206/0216] Doktern Andres ihren gewohnten Unſinn ſelbſt am Sarge Deines Vaters, ihres guten, treueſten Freundes! Aber glaub mir, wenn ihr ihn morgen früh durch den Vogelſang geleitet, ſo ſieht ihm über ihren Zaun dort eine Freundin mit naſſen Augen und vollem Herzen nach und ſagt: Da begraben ſie einen Mann, den Dir das Schickſal dort an die Hecke geſetzt hatte, um Dir ein Muſter an ihm zu nehmen, Dein ganzes Leben lang, Mutter Andres! Alles für unſere Jungen! Natürlich er auf ſeine Weiſe, ich auf die meinige. Und daß ſeine Art gut war, das bezeugt ihm am beſten die kleine Frau hier hinter ihrem feuchten Taſchentuch, Karl. Ziehen Sie es mir noch einen Moment hinunter, Kindchen, und geben Sie mir einen Kuß, und nun gute Nacht, und habt ferner euren Troſt aneinander und gönnt uns Alten unſere Ruhe, wenn unſere Schlafenszeit gekommen iſt.“ Es war ein ſchöner, ſonniger Morgen, an welchem wir meinen Vater begruben. Mit einem ſtattlichen Gefolge, an dem er wohl ſeine Genug¬ thuung haben mochte, und wie es ihm da, wo man ſonſt wohl am wenigſten an ſo etwas denkt, auf

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/216>, abgerufen am 23.11.2024.