nirgends für ihn ein Ruheplatz gewesen ist. Aber ist es ein Glück, so unverwundbar auf seinem Wege durchs Leben zu werden wie dieser, Dein Freund Velten, der an Allem, was uns Anderen begegnen mag, jetzt nur Antheil nimmt wie wir auf unserem Theaterplatz, einerlei, ob es das Lustigste oder das Traurigste, das Dümmste oder das Klügste, das Häßlichste oder das Schönste ist, was vor ihm aufgeführt wird? Und was noch schlimmer ist, auch in ihm! Ich schwatze wohl thörichtes Zeug; aber wie hätte ich in meinen Kreisen je erfahren können, daß es so etwas in der Welt geben kann? Daß Menschen über das Leben und den Tod, über Alles, was uns Anderen wichtig, süß oder bitter ist, so ruhig werden könnten? Ach, Karl, der ist doch noch ganz anders, als wie Du ihn mir geschildert hast. Und, weißt Du noch eins -- eure arme Leonie in Berlin, von der Du mir erzählt hast, be¬ greife ich wohl; aber die Andere -- die hier aus dem Vogelsang, ganz und gar nicht. Wenn sie, diese Helene Trotzendorff, nicht doch nur, euch närrischen dummen Leuten gegenüber zum Trotz, eine ganz gewöhnliche dumme Gans gewesen ist, hat sie eine schwere Verantwortung auf sich genommen. Ich, für mein Theil, ich --"
"Nun, mein Herz?"
nirgends für ihn ein Ruheplatz geweſen iſt. Aber iſt es ein Glück, ſo unverwundbar auf ſeinem Wege durchs Leben zu werden wie dieſer, Dein Freund Velten, der an Allem, was uns Anderen begegnen mag, jetzt nur Antheil nimmt wie wir auf unſerem Theaterplatz, einerlei, ob es das Luſtigſte oder das Traurigſte, das Dümmſte oder das Klügſte, das Häßlichſte oder das Schönſte iſt, was vor ihm aufgeführt wird? Und was noch ſchlimmer iſt, auch in ihm! Ich ſchwatze wohl thörichtes Zeug; aber wie hätte ich in meinen Kreiſen je erfahren können, daß es ſo etwas in der Welt geben kann? Daß Menſchen über das Leben und den Tod, über Alles, was uns Anderen wichtig, ſüß oder bitter iſt, ſo ruhig werden könnten? Ach, Karl, der iſt doch noch ganz anders, als wie Du ihn mir geſchildert haſt. Und, weißt Du noch eins — eure arme Leonie in Berlin, von der Du mir erzählt haſt, be¬ greife ich wohl; aber die Andere — die hier aus dem Vogelſang, ganz und gar nicht. Wenn ſie, dieſe Helene Trotzendorff, nicht doch nur, euch närriſchen dummen Leuten gegenüber zum Trotz, eine ganz gewöhnliche dumme Gans geweſen iſt, hat ſie eine ſchwere Verantwortung auf ſich genommen. Ich, für mein Theil, ich —“
„Nun, mein Herz?“
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0233"n="223"/>
nirgends für ihn ein Ruheplatz geweſen iſt. Aber<lb/>
iſt es ein Glück, ſo unverwundbar auf ſeinem Wege<lb/>
durchs Leben zu werden wie dieſer, Dein Freund<lb/>
Velten, der an Allem, was uns Anderen begegnen<lb/>
mag, jetzt nur Antheil nimmt wie wir auf unſerem<lb/>
Theaterplatz, einerlei, ob es das Luſtigſte oder das<lb/>
Traurigſte, das Dümmſte oder das Klügſte, das<lb/>
Häßlichſte oder das Schönſte iſt, was vor ihm<lb/>
aufgeführt wird? Und was noch ſchlimmer iſt,<lb/>
auch in ihm! Ich ſchwatze wohl thörichtes Zeug;<lb/>
aber wie hätte ich in meinen Kreiſen je erfahren<lb/>
können, daß es ſo etwas in der Welt geben kann?<lb/>
Daß Menſchen über das Leben und den Tod, über<lb/>
Alles, was uns Anderen wichtig, ſüß oder bitter iſt,<lb/>ſo ruhig werden könnten? Ach, Karl, <hirendition="#g">der</hi> iſt doch<lb/>
noch ganz anders, als wie Du ihn mir geſchildert<lb/>
haſt. Und, weißt Du noch eins — eure arme<lb/>
Leonie in Berlin, von der Du mir erzählt haſt, be¬<lb/>
greife ich wohl; aber die Andere — die hier aus<lb/>
dem Vogelſang, ganz und gar nicht. Wenn ſie,<lb/>
dieſe Helene Trotzendorff, nicht doch nur, euch<lb/>
närriſchen dummen Leuten gegenüber zum Trotz, eine<lb/>
ganz gewöhnliche dumme Gans geweſen iſt, hat ſie<lb/>
eine ſchwere Verantwortung auf ſich genommen. Ich,<lb/>
für mein Theil, ich —“</p><lb/><p>„Nun, mein Herz?“<lb/></p></body></text></TEI>
[223/0233]
nirgends für ihn ein Ruheplatz geweſen iſt. Aber
iſt es ein Glück, ſo unverwundbar auf ſeinem Wege
durchs Leben zu werden wie dieſer, Dein Freund
Velten, der an Allem, was uns Anderen begegnen
mag, jetzt nur Antheil nimmt wie wir auf unſerem
Theaterplatz, einerlei, ob es das Luſtigſte oder das
Traurigſte, das Dümmſte oder das Klügſte, das
Häßlichſte oder das Schönſte iſt, was vor ihm
aufgeführt wird? Und was noch ſchlimmer iſt,
auch in ihm! Ich ſchwatze wohl thörichtes Zeug;
aber wie hätte ich in meinen Kreiſen je erfahren
können, daß es ſo etwas in der Welt geben kann?
Daß Menſchen über das Leben und den Tod, über
Alles, was uns Anderen wichtig, ſüß oder bitter iſt,
ſo ruhig werden könnten? Ach, Karl, der iſt doch
noch ganz anders, als wie Du ihn mir geſchildert
haſt. Und, weißt Du noch eins — eure arme
Leonie in Berlin, von der Du mir erzählt haſt, be¬
greife ich wohl; aber die Andere — die hier aus
dem Vogelſang, ganz und gar nicht. Wenn ſie,
dieſe Helene Trotzendorff, nicht doch nur, euch
närriſchen dummen Leuten gegenüber zum Trotz, eine
ganz gewöhnliche dumme Gans geweſen iſt, hat ſie
eine ſchwere Verantwortung auf ſich genommen. Ich,
für mein Theil, ich —“
„Nun, mein Herz?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/233>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.