hart geworden in seinem Leben, und ich möchte mein Kind, unsern lieben Jungen, doch hier bei uns be¬ halten, in unserm gewöhnlichen gewohnten Leben -- ich weiß nicht, wie ich es sagen und ausdrücken soll, aber ich könnte jetzt das arme Würmchen nicht Velten rufen, und es später mal als alte Frau so nach Hause kommen sehen, wie die herzige alte Frau, eure Frau Doktor aus dem Vogelsang, Deinen Freund Velten!"
Selbstverständlich hat mein Schwager Ferdinand meinen Erstgeborenen über die Taufe gehalten. --
Und nun habe ich es auch mir selber wieder deutlich zu machen, wie es zuging, daß ich eigentlich nichts von Bedeutung über seinen letzten Aufenthalt bei uns in der Heimathstadt zu den Akten bringen kann, als eben sein abermaliges und letztes Weggehen aus ihr. "Das macht sich so!" sagen die Leute, und ich habe auch für mein Theil nichts in der Hand, womit ich mich gegen dieses Wort urältester menschlicher Er¬ fahrung wehren könnte.
Es machte sich auch zwischen Velten Andres und mir so. -- Er hatte mir wenig zu sagen; ich ihm eigentlich gar nichts. Meine Amtsgeschäfte vermehrten sich gerade in diesem Sommer sehr, und dazu kam das Kind im Hause, dem gegenüber er sich auf einen Standpunkt stellte, auf den ihm meine Frau noch weniger als auf irgend einen anderen folgen konnte.
W. Raabe. Die Akten des Vogelsangs. 16
hart geworden in ſeinem Leben, und ich möchte mein Kind, unſern lieben Jungen, doch hier bei uns be¬ halten, in unſerm gewöhnlichen gewohnten Leben — ich weiß nicht, wie ich es ſagen und ausdrücken ſoll, aber ich könnte jetzt das arme Würmchen nicht Velten rufen, und es ſpäter mal als alte Frau ſo nach Hauſe kommen ſehen, wie die herzige alte Frau, eure Frau Doktor aus dem Vogelſang, Deinen Freund Velten!“
Selbſtverſtändlich hat mein Schwager Ferdinand meinen Erſtgeborenen über die Taufe gehalten. —
Und nun habe ich es auch mir ſelber wieder deutlich zu machen, wie es zuging, daß ich eigentlich nichts von Bedeutung über ſeinen letzten Aufenthalt bei uns in der Heimathſtadt zu den Akten bringen kann, als eben ſein abermaliges und letztes Weggehen aus ihr. „Das macht ſich ſo!“ ſagen die Leute, und ich habe auch für mein Theil nichts in der Hand, womit ich mich gegen dieſes Wort urälteſter menſchlicher Er¬ fahrung wehren könnte.
Es machte ſich auch zwiſchen Velten Andres und mir ſo. — Er hatte mir wenig zu ſagen; ich ihm eigentlich gar nichts. Meine Amtsgeſchäfte vermehrten ſich gerade in dieſem Sommer ſehr, und dazu kam das Kind im Hauſe, dem gegenüber er ſich auf einen Standpunkt ſtellte, auf den ihm meine Frau noch weniger als auf irgend einen anderen folgen konnte.
W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 16
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0251"n="241"/>
hart geworden in ſeinem Leben, und ich möchte mein<lb/>
Kind, unſern lieben Jungen, doch hier bei uns be¬<lb/>
halten, in unſerm gewöhnlichen gewohnten Leben —<lb/>
ich weiß nicht, wie ich es ſagen und ausdrücken ſoll,<lb/>
aber ich könnte jetzt das arme Würmchen nicht Velten<lb/>
rufen, und es ſpäter mal als alte Frau ſo nach Hauſe<lb/>
kommen ſehen, wie die herzige alte Frau, eure Frau<lb/>
Doktor aus dem Vogelſang, Deinen Freund Velten!“</p><lb/><p>Selbſtverſtändlich hat mein Schwager Ferdinand<lb/>
meinen Erſtgeborenen über die Taufe gehalten. —</p><lb/><p>Und nun habe ich es auch mir ſelber wieder<lb/>
deutlich zu machen, wie es zuging, daß ich eigentlich<lb/>
nichts von Bedeutung über ſeinen letzten Aufenthalt bei<lb/>
uns in der Heimathſtadt zu den Akten bringen kann,<lb/>
als eben ſein abermaliges und letztes Weggehen aus ihr.<lb/>„Das macht ſich ſo!“ſagen die Leute, und ich habe<lb/>
auch für mein Theil nichts in der Hand, womit ich<lb/>
mich gegen dieſes Wort urälteſter menſchlicher Er¬<lb/>
fahrung wehren könnte.</p><lb/><p>Es machte ſich auch zwiſchen Velten Andres und<lb/>
mir ſo. — Er hatte mir wenig zu ſagen; ich ihm<lb/>
eigentlich gar nichts. Meine Amtsgeſchäfte vermehrten<lb/>ſich gerade in dieſem Sommer ſehr, und dazu kam<lb/>
das Kind im Hauſe, dem gegenüber er ſich auf einen<lb/>
Standpunkt ſtellte, auf den ihm meine Frau noch<lb/>
weniger als auf irgend einen anderen folgen konnte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 16<lb/></fw></body></text></TEI>
[241/0251]
hart geworden in ſeinem Leben, und ich möchte mein
Kind, unſern lieben Jungen, doch hier bei uns be¬
halten, in unſerm gewöhnlichen gewohnten Leben —
ich weiß nicht, wie ich es ſagen und ausdrücken ſoll,
aber ich könnte jetzt das arme Würmchen nicht Velten
rufen, und es ſpäter mal als alte Frau ſo nach Hauſe
kommen ſehen, wie die herzige alte Frau, eure Frau
Doktor aus dem Vogelſang, Deinen Freund Velten!“
Selbſtverſtändlich hat mein Schwager Ferdinand
meinen Erſtgeborenen über die Taufe gehalten. —
Und nun habe ich es auch mir ſelber wieder
deutlich zu machen, wie es zuging, daß ich eigentlich
nichts von Bedeutung über ſeinen letzten Aufenthalt bei
uns in der Heimathſtadt zu den Akten bringen kann,
als eben ſein abermaliges und letztes Weggehen aus ihr.
„Das macht ſich ſo!“ ſagen die Leute, und ich habe
auch für mein Theil nichts in der Hand, womit ich
mich gegen dieſes Wort urälteſter menſchlicher Er¬
fahrung wehren könnte.
Es machte ſich auch zwiſchen Velten Andres und
mir ſo. — Er hatte mir wenig zu ſagen; ich ihm
eigentlich gar nichts. Meine Amtsgeſchäfte vermehrten
ſich gerade in dieſem Sommer ſehr, und dazu kam
das Kind im Hauſe, dem gegenüber er ſich auf einen
Standpunkt ſtellte, auf den ihm meine Frau noch
weniger als auf irgend einen anderen folgen konnte.
W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 16
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/251>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.