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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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von Brindisi nach Alexandrien gekommen und er als
Dolmetscher auf einem Pilgerschiff durch den Suez¬
kanal von Dscheddah; da haben wir uns auch ge¬
troffen im Hotel an der Wirthstafel. Was wißt
ihr hier im Land von uns Beiden? Damals hat auch
er mich seine alte Nilschlange genannt -- oh, ich habe
seinetwegen mir ja die ganze Gelehrsamkeit von Pough¬
keepsie zusammentragen müssen in mein armes Hirn: sie
waren auch in unserm Alter, der Mark Anton und
seine ägyptische Königin. Sie waren auch alte Leute,
er über die Fünfzig hinaus, sie vierzig Jahre alt,
und haben doch ihren Kampf um sich kämpfen müssen
bis zum Tode, bis sie beide todt waren. Sie zuletzt!
Ja, auch ich lebe noch und habe noch meine ganze Herr¬
lichkeit um mich her und sie nicht verloren wie die
Ägypterin die ihrige bei Aktium. Ja, merkst Du, ich
habe seinetwegen Geschichte und auch Litteraturgeschichte
getrieben. Da ist noch ein ander Paar aus meinen
Büchern. Am achtzehnten Oktober Achtzehnhundert¬
dreizehn hat euer alter Goethe -- nicht mehr der
junge, der uns den giftigen Vers gab, den Vers, der
unser Leben vergiftet hat! -- ja, was wollte ich
sagen? ja, hat euer alter Goethe sein letztes schönes
Gedicht gemacht -- auf die Elisabeth von England,
die ihrem Liebsten den Kopf abschlagen lassen mußte.
Das konnte die Wittwe Mungo -- nein, das konnte

von Brindiſi nach Alexandrien gekommen und er als
Dolmetſcher auf einem Pilgerſchiff durch den Suez¬
kanal von Dſcheddah; da haben wir uns auch ge¬
troffen im Hotel an der Wirthstafel. Was wißt
ihr hier im Land von uns Beiden? Damals hat auch
er mich ſeine alte Nilſchlange genannt — oh, ich habe
ſeinetwegen mir ja die ganze Gelehrſamkeit von Pough¬
keepſie zuſammentragen müſſen in mein armes Hirn: ſie
waren auch in unſerm Alter, der Mark Anton und
ſeine ägyptiſche Königin. Sie waren auch alte Leute,
er über die Fünfzig hinaus, ſie vierzig Jahre alt,
und haben doch ihren Kampf um ſich kämpfen müſſen
bis zum Tode, bis ſie beide todt waren. Sie zuletzt!
Ja, auch ich lebe noch und habe noch meine ganze Herr¬
lichkeit um mich her und ſie nicht verloren wie die
Ägypterin die ihrige bei Aktium. Ja, merkſt Du, ich
habe ſeinetwegen Geſchichte und auch Litteraturgeſchichte
getrieben. Da iſt noch ein ander Paar aus meinen
Büchern. Am achtzehnten Oktober Achtzehnhundert¬
dreizehn hat euer alter Goethe — nicht mehr der
junge, der uns den giftigen Vers gab, den Vers, der
unſer Leben vergiftet hat! — ja, was wollte ich
ſagen? ja, hat euer alter Goethe ſein letztes ſchönes
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[311/0321] von Brindiſi nach Alexandrien gekommen und er als Dolmetſcher auf einem Pilgerſchiff durch den Suez¬ kanal von Dſcheddah; da haben wir uns auch ge¬ troffen im Hotel an der Wirthstafel. Was wißt ihr hier im Land von uns Beiden? Damals hat auch er mich ſeine alte Nilſchlange genannt — oh, ich habe ſeinetwegen mir ja die ganze Gelehrſamkeit von Pough¬ keepſie zuſammentragen müſſen in mein armes Hirn: ſie waren auch in unſerm Alter, der Mark Anton und ſeine ägyptiſche Königin. Sie waren auch alte Leute, er über die Fünfzig hinaus, ſie vierzig Jahre alt, und haben doch ihren Kampf um ſich kämpfen müſſen bis zum Tode, bis ſie beide todt waren. Sie zuletzt! Ja, auch ich lebe noch und habe noch meine ganze Herr¬ lichkeit um mich her und ſie nicht verloren wie die Ägypterin die ihrige bei Aktium. Ja, merkſt Du, ich habe ſeinetwegen Geſchichte und auch Litteraturgeſchichte getrieben. Da iſt noch ein ander Paar aus meinen Büchern. Am achtzehnten Oktober Achtzehnhundert¬ dreizehn hat euer alter Goethe — nicht mehr der junge, der uns den giftigen Vers gab, den Vers, der unſer Leben vergiftet hat! — ja, was wollte ich ſagen? ja, hat euer alter Goethe ſein letztes ſchönes Gedicht gemacht — auf die Eliſabeth von England, die ihrem Liebſten den Kopf abſchlagen laſſen mußte. Das konnte die Wittwe Mungo — nein, das konnte

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/321>, abgerufen am 23.11.2024.