Gänsen auf den Schulwegen, in den Gärten und Gassen bei Sommersonnenschein und Winterschnee.
So warteten wir denn mit dem Kinn auf dem Zaun wie zwei europäische Indianer nach Hartlebens Wigwam hinüber.
"Aus den beiden dummen Engländerinnen, Cora und Alice, mache ich mir gar nichts," sagte Velten, "aber wenn diese Neue roth, grün, gelb und blau angemalt käme, wie Junithau im Pfadfinder, dann wär doch noch was, und mal was Neues hier bei uns in der ewigen Langweilerei aus dem Cocon gekrochen."
"Du! Da kommt Deine Mutter mit ihr! Ach, der Dreikäsehoch! Guck, läßt sich auch noch an der Hand führen, und -- richtig -- hat natürlich ge¬ weint und zimpert noch und läßt sich nachziehen, als ob Deine Mutter der richtige Oger wäre und ihr bei euch zu Hause bloß von Kinderfleisch lebtet. Na, nun mach nur, Velten, daß Du auch nach Hause kommst. Du hast sie wahrscheinlich heute zu Tische, -- guck, da nimmt Deine Mutter das große Balg in eurer Gartenthür gar noch auf den Arm! Na, adjö, da rufen sie auch bei uns nach mir, und meinen Vater kennst Du."
Es war ein Sonnabend und keine Schule am Nachmittag; wir lagen also am Osterberg unter einem
Gänſen auf den Schulwegen, in den Gärten und Gaſſen bei Sommerſonnenſchein und Winterſchnee.
So warteten wir denn mit dem Kinn auf dem Zaun wie zwei europäiſche Indianer nach Hartlebens Wigwam hinüber.
„Aus den beiden dummen Engländerinnen, Cora und Alice, mache ich mir gar nichts,“ ſagte Velten, „aber wenn dieſe Neue roth, grün, gelb und blau angemalt käme, wie Junithau im Pfadfinder, dann wär doch noch was, und mal was Neues hier bei uns in der ewigen Langweilerei aus dem Cocon gekrochen.“
„Du! Da kommt Deine Mutter mit ihr! Ach, der Dreikäſehoch! Guck, läßt ſich auch noch an der Hand führen, und — richtig — hat natürlich ge¬ weint und zimpert noch und läßt ſich nachziehen, als ob Deine Mutter der richtige Oger wäre und ihr bei euch zu Hauſe bloß von Kinderfleiſch lebtet. Na, nun mach nur, Velten, daß Du auch nach Hauſe kommſt. Du haſt ſie wahrſcheinlich heute zu Tiſche, — guck, da nimmt Deine Mutter das große Balg in eurer Gartenthür gar noch auf den Arm! Na, adjö, da rufen ſie auch bei uns nach mir, und meinen Vater kennſt Du.“
Es war ein Sonnabend und keine Schule am Nachmittag; wir lagen alſo am Oſterberg unter einem
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0041"n="31"/>
Gänſen auf den Schulwegen, in den Gärten und<lb/>
Gaſſen bei Sommerſonnenſchein und Winterſchnee.</p><lb/><p>So warteten wir denn mit dem Kinn auf dem<lb/>
Zaun wie zwei europäiſche Indianer nach Hartlebens<lb/>
Wigwam hinüber.</p><lb/><p>„Aus den beiden dummen Engländerinnen,<lb/>
Cora und Alice, mache ich mir gar nichts,“ſagte<lb/>
Velten, „aber wenn dieſe Neue roth, grün, gelb und<lb/>
blau angemalt käme, wie Junithau im Pfadfinder,<lb/>
dann wär doch noch was, und mal was Neues hier<lb/>
bei uns in der ewigen Langweilerei aus dem Cocon<lb/>
gekrochen.“</p><lb/><p>„Du! Da kommt Deine Mutter mit ihr! Ach,<lb/>
der Dreikäſehoch! Guck, läßt ſich auch noch an der<lb/>
Hand führen, und — richtig — hat natürlich ge¬<lb/>
weint und zimpert noch und läßt ſich nachziehen, als<lb/>
ob Deine Mutter der richtige Oger wäre und ihr<lb/>
bei euch zu Hauſe bloß von Kinderfleiſch lebtet.<lb/>
Na, nun mach nur, Velten, daß Du auch nach Hauſe<lb/>
kommſt. Du haſt ſie wahrſcheinlich heute zu Tiſche,<lb/>— guck, da nimmt Deine Mutter das große Balg<lb/>
in eurer Gartenthür gar noch auf den Arm! Na,<lb/>
adjö, da rufen ſie auch bei uns nach mir, und meinen<lb/>
Vater kennſt Du.“</p><lb/><p>Es war ein Sonnabend und keine Schule am<lb/>
Nachmittag; wir lagen alſo am Oſterberg unter einem<lb/></p></body></text></TEI>
[31/0041]
Gänſen auf den Schulwegen, in den Gärten und
Gaſſen bei Sommerſonnenſchein und Winterſchnee.
So warteten wir denn mit dem Kinn auf dem
Zaun wie zwei europäiſche Indianer nach Hartlebens
Wigwam hinüber.
„Aus den beiden dummen Engländerinnen,
Cora und Alice, mache ich mir gar nichts,“ ſagte
Velten, „aber wenn dieſe Neue roth, grün, gelb und
blau angemalt käme, wie Junithau im Pfadfinder,
dann wär doch noch was, und mal was Neues hier
bei uns in der ewigen Langweilerei aus dem Cocon
gekrochen.“
„Du! Da kommt Deine Mutter mit ihr! Ach,
der Dreikäſehoch! Guck, läßt ſich auch noch an der
Hand führen, und — richtig — hat natürlich ge¬
weint und zimpert noch und läßt ſich nachziehen, als
ob Deine Mutter der richtige Oger wäre und ihr
bei euch zu Hauſe bloß von Kinderfleiſch lebtet.
Na, nun mach nur, Velten, daß Du auch nach Hauſe
kommſt. Du haſt ſie wahrſcheinlich heute zu Tiſche,
— guck, da nimmt Deine Mutter das große Balg
in eurer Gartenthür gar noch auf den Arm! Na,
adjö, da rufen ſie auch bei uns nach mir, und meinen
Vater kennſt Du.“
Es war ein Sonnabend und keine Schule am
Nachmittag; wir lagen alſo am Oſterberg unter einem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/41>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.