Universität habe! Sieh doch mal über die Hecke, Frau, und frage Deine Amalie, was sie nun wieder vorhaben. -- Der Lärm ist ja unerträglich."
Jawohl, der Lärm war unerträglich, vorzüglich für mich, der trotz seiner bessern Erziehung und Be¬ aufsichtigung, oder gerade wegen derselben, so gern mit dabei gewesen wäre; aber --
"Was habt ihr denn, Kinder?" fragte, ihr Strickzeug niederlegend, meine Mutter über den nachbarlichen Zaun, und -- da sind sie schon mit hochrothen Köpfen, Fräulein Ellen und Velten Andres, und hinter ihnen erscheinen die Mütter, Mistreß Trotzendorff in Thränen -- und die Frau Doktern sagt über deren Schulter weg mit ihrem Lächeln:
"Ja, es war die höchste Zeit, daß von hier aus mal wieder eingeschritten wurde. Jetzt reden Sie Vernunft, Nachbar Krumhardt; ich bin mit der meinigen vollständig zu Ende."
Es war am Tage vorher eine Hundertdollar¬ note aus Nordamerika im Vogelsang angelangt, und Mrs. A. Trotzendorff hatte, ohne alte Schulden in der Nachbarschaft abzutragen, sofort an diesem Sonntag¬ nachmittag ihre Vernunft walten lassen, das Wort genommen und es behalten trotz Veltens naseweisen unverschämten Einredens, trotz der Frau Amalie
Univerſität habe! Sieh doch mal über die Hecke, Frau, und frage Deine Amalie, was ſie nun wieder vorhaben. — Der Lärm iſt ja unerträglich.“
Jawohl, der Lärm war unerträglich, vorzüglich für mich, der trotz ſeiner beſſern Erziehung und Be¬ aufſichtigung, oder gerade wegen derſelben, ſo gern mit dabei geweſen wäre; aber —
„Was habt ihr denn, Kinder?“ fragte, ihr Strickzeug niederlegend, meine Mutter über den nachbarlichen Zaun, und — da ſind ſie ſchon mit hochrothen Köpfen, Fräulein Ellen und Velten Andres, und hinter ihnen erſcheinen die Mütter, Miſtreß Trotzendorff in Thränen — und die Frau Doktern ſagt über deren Schulter weg mit ihrem Lächeln:
„Ja, es war die höchſte Zeit, daß von hier aus mal wieder eingeſchritten wurde. Jetzt reden Sie Vernunft, Nachbar Krumhardt; ich bin mit der meinigen vollſtändig zu Ende.“
Es war am Tage vorher eine Hundertdollar¬ note aus Nordamerika im Vogelſang angelangt, und Mrs. A. Trotzendorff hatte, ohne alte Schulden in der Nachbarſchaft abzutragen, ſofort an dieſem Sonntag¬ nachmittag ihre Vernunft walten laſſen, das Wort genommen und es behalten trotz Veltens naſeweiſen unverſchämten Einredens, trotz der Frau Amalie
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0066"n="56"/>
Univerſität habe! Sieh doch mal über die Hecke,<lb/>
Frau, und frage Deine Amalie, was ſie nun wieder<lb/>
vorhaben. — Der Lärm iſt ja unerträglich.“</p><lb/><p>Jawohl, der Lärm war unerträglich, vorzüglich<lb/>
für mich, der trotz ſeiner beſſern Erziehung und Be¬<lb/>
aufſichtigung, oder gerade wegen derſelben, ſo gern<lb/>
mit dabei geweſen wäre; aber —</p><lb/><p>„Was habt ihr denn, Kinder?“ fragte, ihr<lb/>
Strickzeug niederlegend, meine Mutter über den<lb/>
nachbarlichen Zaun, und — da ſind ſie ſchon mit<lb/>
hochrothen Köpfen, Fräulein Ellen und Velten Andres,<lb/>
und hinter ihnen erſcheinen die Mütter, Miſtreß<lb/>
Trotzendorff in Thränen — und die Frau Doktern<lb/>ſagt über deren Schulter weg mit <hirendition="#g">ihrem</hi> Lächeln:</p><lb/><p>„Ja, es war die höchſte Zeit, daß von hier aus<lb/>
mal wieder eingeſchritten wurde. Jetzt reden Sie<lb/>
Vernunft, Nachbar Krumhardt; ich bin mit der<lb/>
meinigen vollſtändig zu Ende.“</p><lb/><p>Es war am Tage vorher eine Hundertdollar¬<lb/>
note aus Nordamerika im Vogelſang angelangt, und<lb/>
Mrs. A. Trotzendorff hatte, ohne alte Schulden in der<lb/>
Nachbarſchaft abzutragen, ſofort an dieſem Sonntag¬<lb/>
nachmittag <hirendition="#g">ihre</hi> Vernunft walten laſſen, das Wort<lb/>
genommen und es behalten trotz Veltens naſeweiſen<lb/>
unverſchämten Einredens, trotz der Frau Amalie<lb/></p></body></text></TEI>
[56/0066]
Univerſität habe! Sieh doch mal über die Hecke,
Frau, und frage Deine Amalie, was ſie nun wieder
vorhaben. — Der Lärm iſt ja unerträglich.“
Jawohl, der Lärm war unerträglich, vorzüglich
für mich, der trotz ſeiner beſſern Erziehung und Be¬
aufſichtigung, oder gerade wegen derſelben, ſo gern
mit dabei geweſen wäre; aber —
„Was habt ihr denn, Kinder?“ fragte, ihr
Strickzeug niederlegend, meine Mutter über den
nachbarlichen Zaun, und — da ſind ſie ſchon mit
hochrothen Köpfen, Fräulein Ellen und Velten Andres,
und hinter ihnen erſcheinen die Mütter, Miſtreß
Trotzendorff in Thränen — und die Frau Doktern
ſagt über deren Schulter weg mit ihrem Lächeln:
„Ja, es war die höchſte Zeit, daß von hier aus
mal wieder eingeſchritten wurde. Jetzt reden Sie
Vernunft, Nachbar Krumhardt; ich bin mit der
meinigen vollſtändig zu Ende.“
Es war am Tage vorher eine Hundertdollar¬
note aus Nordamerika im Vogelſang angelangt, und
Mrs. A. Trotzendorff hatte, ohne alte Schulden in der
Nachbarſchaft abzutragen, ſofort an dieſem Sonntag¬
nachmittag ihre Vernunft walten laſſen, das Wort
genommen und es behalten trotz Veltens naſeweiſen
unverſchämten Einredens, trotz der Frau Amalie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/66>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.