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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Thränen des heiligen Laurentius, sie werden uns
da unten vor Schlafengehen noch einmal schön die
Leviten lesen! Da freue ich mich schon auf meine
Mutter."

"Deine Mutter ist viel zu gut für Dich!" rief
Miß Ellen, noch einmal mit dem Ärmel über die
Augen fahrend, der letzten Zornesthränen wegen.

"Jawohl, da hast Du zum ersten Mal heute
abend Recht," sagte Velten. "Von der Scheußlichkeit
der Menschheit hat sie nur sehr dunkle Begriffe, und
ich thue deshalb auch mein Möglichstes, ihr nach
und nach klarere beizubringen."


So mußte er damals schon zu denken und zu
reden; ein Herr in einem Reich, das leider auch
nicht sehr von dieser Welt war. Ich habe es in den
Akten, wenn auch nicht aktenmäßig. Ich habe dies
Alles aus Ungeschriebenem, Unprotokollirtem, Un¬
gestempeltem und Ungesiegeltem heraus und stehe für
es ein. Ich muß es aber heute sehr aus der Tiefe
holen, daß damals auf dem Osterberge, um den
zehnten August jenes Jahres herum, wir Nachbar¬
kinder des Vogelsangs die Thränen des heiligen
Laurentius so fallen sahen und ihr leuchtendes

Thränen des heiligen Laurentius, ſie werden uns
da unten vor Schlafengehen noch einmal ſchön die
Leviten leſen! Da freue ich mich ſchon auf meine
Mutter.“

„Deine Mutter iſt viel zu gut für Dich!“ rief
Miß Ellen, noch einmal mit dem Ärmel über die
Augen fahrend, der letzten Zornesthränen wegen.

„Jawohl, da haſt Du zum erſten Mal heute
abend Recht,“ ſagte Velten. „Von der Scheußlichkeit
der Menſchheit hat ſie nur ſehr dunkle Begriffe, und
ich thue deshalb auch mein Möglichſtes, ihr nach
und nach klarere beizubringen.“


So mußte er damals ſchon zu denken und zu
reden; ein Herr in einem Reich, das leider auch
nicht ſehr von dieſer Welt war. Ich habe es in den
Akten, wenn auch nicht aktenmäßig. Ich habe dies
Alles aus Ungeſchriebenem, Unprotokollirtem, Un¬
geſtempeltem und Ungeſiegeltem heraus und ſtehe für
es ein. Ich muß es aber heute ſehr aus der Tiefe
holen, daß damals auf dem Oſterberge, um den
zehnten Auguſt jenes Jahres herum, wir Nachbar¬
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Laurentius ſo fallen ſahen und ihr leuchtendes

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[80/0090] Thränen des heiligen Laurentius, ſie werden uns da unten vor Schlafengehen noch einmal ſchön die Leviten leſen! Da freue ich mich ſchon auf meine Mutter.“ „Deine Mutter iſt viel zu gut für Dich!“ rief Miß Ellen, noch einmal mit dem Ärmel über die Augen fahrend, der letzten Zornesthränen wegen. „Jawohl, da haſt Du zum erſten Mal heute abend Recht,“ ſagte Velten. „Von der Scheußlichkeit der Menſchheit hat ſie nur ſehr dunkle Begriffe, und ich thue deshalb auch mein Möglichſtes, ihr nach und nach klarere beizubringen.“ So mußte er damals ſchon zu denken und zu reden; ein Herr in einem Reich, das leider auch nicht ſehr von dieſer Welt war. Ich habe es in den Akten, wenn auch nicht aktenmäßig. Ich habe dies Alles aus Ungeſchriebenem, Unprotokollirtem, Un¬ geſtempeltem und Ungeſiegeltem heraus und ſtehe für es ein. Ich muß es aber heute ſehr aus der Tiefe holen, daß damals auf dem Oſterberge, um den zehnten Auguſt jenes Jahres herum, wir Nachbar¬ kinder des Vogelſangs die Thränen des heiligen Laurentius ſo fallen ſahen und ihr leuchtendes

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/90>, abgerufen am 30.11.2024.