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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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als das da für den Verschmachteten. O Dieterice,
Dieterice, und die Frau Amtmannin wird weder um
meinet- noch um Seinetwegen zu so nachtschlafender
Stunde den Schlüssel zum Küchenschrank unter dem
Kopfkissen vorlangen."

Musjeh Thedel stieß zwischen seinem Kauen, Schlingen
und Schlucken einen Laut aus, der seine Gefühle in
Betreff der Frau Klosteramtmannin vollkommen deutlich
ausdrückte. Als er den ersten freien Athem wieder¬
gewonnen hatte, seufzte er mit der Befriedigung des
für's Erste wenigstens noch einmal vom Verhungern
Geretteten:

"Sufficit. Es genüget vor's Erste; -- erzähle Er,
Wanderer zu Sparta, daß Du mich dankbar erblicket
hast für das, was Gott gegeben und Amelungsborn
übrig und frei und offen auf'm Tische liegen gelassen
hat. Auf dem Wege von Holzminden her hatte kein
Bauer mehr was! Sie hatten alles in die Erde ver¬
graben und in hohlen Bäumen versteckt vor dem Marquis
von Poyanne."

Magister Buchius drückte beide Hände an die Schläfen:
"Es ist ein Wirbel! man überschläget sich im Abysso!
Ja, auch der Feind! Man vergisset im selbigen Moment
das Eine über das Andere! Ja, auch das, auch das,
auch das! Die Franzosen kommen wieder, und Er ist
eben auch gekommen, Münchhausen -- und Wieschen
und Heinrich Schelze und Mamsell Selinde und die
Schlacht auf dem Odfelde -- die Rabenschlacht und

als das da für den Verſchmachteten. O Dieterice,
Dieterice, und die Frau Amtmannin wird weder um
meinet- noch um Seinetwegen zu ſo nachtſchlafender
Stunde den Schlüſſel zum Küchenſchrank unter dem
Kopfkiſſen vorlangen.“

Musjeh Thedel ſtieß zwiſchen ſeinem Kauen, Schlingen
und Schlucken einen Laut aus, der ſeine Gefühle in
Betreff der Frau Kloſteramtmannin vollkommen deutlich
ausdrückte. Als er den erſten freien Athem wieder¬
gewonnen hatte, ſeufzte er mit der Befriedigung des
für's Erſte wenigſtens noch einmal vom Verhungern
Geretteten:

Sufficit. Es genüget vor's Erſte; — erzähle Er,
Wanderer zu Sparta, daß Du mich dankbar erblicket
haſt für das, was Gott gegeben und Amelungsborn
übrig und frei und offen auf'm Tiſche liegen gelaſſen
hat. Auf dem Wege von Holzminden her hatte kein
Bauer mehr was! Sie hatten alles in die Erde ver¬
graben und in hohlen Bäumen verſteckt vor dem Marquis
von Poyanne.“

Magiſter Buchius drückte beide Hände an die Schläfen:
„Es iſt ein Wirbel! man überſchläget ſich im Abyſſo!
Ja, auch der Feind! Man vergiſſet im ſelbigen Moment
das Eine über das Andere! Ja, auch das, auch das,
auch das! Die Franzoſen kommen wieder, und Er iſt
eben auch gekommen, Münchhauſen — und Wieſchen
und Heinrich Schelze und Mamſell Selinde und die
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[105/0113] als das da für den Verſchmachteten. O Dieterice, Dieterice, und die Frau Amtmannin wird weder um meinet- noch um Seinetwegen zu ſo nachtſchlafender Stunde den Schlüſſel zum Küchenſchrank unter dem Kopfkiſſen vorlangen.“ Musjeh Thedel ſtieß zwiſchen ſeinem Kauen, Schlingen und Schlucken einen Laut aus, der ſeine Gefühle in Betreff der Frau Kloſteramtmannin vollkommen deutlich ausdrückte. Als er den erſten freien Athem wieder¬ gewonnen hatte, ſeufzte er mit der Befriedigung des für's Erſte wenigſtens noch einmal vom Verhungern Geretteten: „Sufficit. Es genüget vor's Erſte; — erzähle Er, Wanderer zu Sparta, daß Du mich dankbar erblicket haſt für das, was Gott gegeben und Amelungsborn übrig und frei und offen auf'm Tiſche liegen gelaſſen hat. Auf dem Wege von Holzminden her hatte kein Bauer mehr was! Sie hatten alles in die Erde ver¬ graben und in hohlen Bäumen verſteckt vor dem Marquis von Poyanne.“ Magiſter Buchius drückte beide Hände an die Schläfen: „Es iſt ein Wirbel! man überſchläget ſich im Abyſſo! Ja, auch der Feind! Man vergiſſet im ſelbigen Moment das Eine über das Andere! Ja, auch das, auch das, auch das! Die Franzoſen kommen wieder, und Er iſt eben auch gekommen, Münchhauſen — und Wieſchen und Heinrich Schelze und Mamſell Selinde und die Schlacht auf dem Odfelde — die Rabenſchlacht und

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/113>, abgerufen am 21.11.2024.