doch alle dumme Jungen, aber mit Ihm und unter Seiner Sauve-Garde ziehe ich schon in die weite Welt, wenn es mir ma chere tante nur noch ein bischen schlimmer macht. Sie ist ein Engel, mein Engel, ich lasse mir die Knochen für sie zusammenschlagen, und ich schlage Jedem, den sie lieber will als mich, die Knochen zusammen, und wenn chere tante ihr es jetzt zu arg gemacht hat und sie mit will, so bin ich in dieser Nacht auch deßwegen noch einmal in Amelungs¬ born -- Herr -- was -- soll? --"
Er vollendete sein Wort nicht. Magister Buchius hatte ihn zu fest an der Schulter gefaßt, Magister Buchius schüttelte, riß ihn, selber vor Aufregung zit¬ ternd, zu sehr hin und her. Magister Buchius sagte das, was er bis jetzt noch niemals zu einem der Herren Sekundaner oder gar Primaner der gelahrten Schule zu Amelungsborn zu sagen gewagt hatte. Er sagte:
"Lieber Monsieur von Münchhausen, Er ist ein Narr. Nehme Er es mir nicht für ungut: aber Er ist mehr denn ein Narr -- Er ist ein Einfaltspinsel und ein neugeboren Kind im Taumel dieses irdischen Elends. Er hat den Ovidius zu viel und den Livius und den Tacitus zu wenig traktiret. Man hat dieses Ihm nicht verhalten und man wird's Ihm im neuen Wesen zu Holzminden gesagt haben. Mit der Mademoisell kann ich Ihm nicht dienen, so wenig ich Ihm in dieser Nacht zu Seinem Stück trockenen Brodes da zu einem andern Stück guten Fleisches verhelfen kann. Sie ist doch um
doch alle dumme Jungen, aber mit Ihm und unter Seiner Sauve-Garde ziehe ich ſchon in die weite Welt, wenn es mir ma chère tante nur noch ein bischen ſchlimmer macht. Sie iſt ein Engel, mein Engel, ich laſſe mir die Knochen für ſie zuſammenſchlagen, und ich ſchlage Jedem, den ſie lieber will als mich, die Knochen zuſammen, und wenn chère tante ihr es jetzt zu arg gemacht hat und ſie mit will, ſo bin ich in dieſer Nacht auch deßwegen noch einmal in Amelungs¬ born — Herr — was — ſoll? —“
Er vollendete ſein Wort nicht. Magiſter Buchius hatte ihn zu feſt an der Schulter gefaßt, Magiſter Buchius ſchüttelte, riß ihn, ſelber vor Aufregung zit¬ ternd, zu ſehr hin und her. Magiſter Buchius ſagte das, was er bis jetzt noch niemals zu einem der Herren Sekundaner oder gar Primaner der gelahrten Schule zu Amelungsborn zu ſagen gewagt hatte. Er ſagte:
„Lieber Monſieur von Münchhauſen, Er iſt ein Narr. Nehme Er es mir nicht für ungut: aber Er iſt mehr denn ein Narr — Er iſt ein Einfaltspinſel und ein neugeboren Kind im Taumel dieſes irdiſchen Elends. Er hat den Ovidius zu viel und den Livius und den Tacitus zu wenig traktiret. Man hat dieſes Ihm nicht verhalten und man wird's Ihm im neuen Weſen zu Holzminden geſagt haben. Mit der Mademoiſell kann ich Ihm nicht dienen, ſo wenig ich Ihm in dieſer Nacht zu Seinem Stück trockenen Brodes da zu einem andern Stück guten Fleiſches verhelfen kann. Sie iſt doch um
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0115"n="107"/>
doch alle dumme Jungen, aber mit Ihm und unter<lb/>
Seiner Sauve-Garde ziehe ich ſchon in die weite Welt,<lb/>
wenn es mir <hirendition="#aq">ma chère tante</hi> nur noch ein bischen<lb/>ſchlimmer macht. Sie iſt ein Engel, mein Engel, ich<lb/>
laſſe mir die Knochen für ſie zuſammenſchlagen, und<lb/>
ich ſchlage Jedem, den ſie lieber will als mich, die<lb/>
Knochen zuſammen, und wenn <hirendition="#aq">chère tante</hi> ihr es jetzt<lb/>
zu arg gemacht hat und ſie mit will, ſo bin ich in<lb/>
dieſer Nacht auch deßwegen noch einmal in Amelungs¬<lb/>
born — Herr — was —ſoll? —“</p><lb/><p>Er vollendete ſein Wort nicht. Magiſter Buchius<lb/>
hatte ihn zu feſt an der Schulter gefaßt, Magiſter<lb/>
Buchius ſchüttelte, riß ihn, ſelber vor Aufregung zit¬<lb/>
ternd, zu ſehr hin und her. Magiſter Buchius ſagte<lb/>
das, was er bis jetzt noch niemals zu einem der Herren<lb/>
Sekundaner oder gar Primaner der gelahrten Schule<lb/>
zu Amelungsborn zu ſagen gewagt hatte. Er ſagte:</p><lb/><p>„Lieber Monſieur von Münchhauſen, Er iſt ein<lb/>
Narr. Nehme Er es mir nicht für ungut: aber Er iſt<lb/>
mehr denn ein Narr — Er iſt ein Einfaltspinſel und<lb/>
ein neugeboren Kind im Taumel dieſes irdiſchen Elends.<lb/>
Er hat den Ovidius zu viel und den Livius und den<lb/>
Tacitus zu wenig traktiret. Man hat dieſes Ihm nicht<lb/>
verhalten und man wird's Ihm im neuen Weſen zu<lb/>
Holzminden geſagt haben. Mit der Mademoiſell kann<lb/>
ich Ihm nicht dienen, ſo wenig ich Ihm in dieſer Nacht<lb/>
zu Seinem Stück trockenen Brodes da zu einem andern<lb/>
Stück guten Fleiſches verhelfen kann. Sie iſt doch um<lb/></p></div></body></text></TEI>
[107/0115]
doch alle dumme Jungen, aber mit Ihm und unter
Seiner Sauve-Garde ziehe ich ſchon in die weite Welt,
wenn es mir ma chère tante nur noch ein bischen
ſchlimmer macht. Sie iſt ein Engel, mein Engel, ich
laſſe mir die Knochen für ſie zuſammenſchlagen, und
ich ſchlage Jedem, den ſie lieber will als mich, die
Knochen zuſammen, und wenn chère tante ihr es jetzt
zu arg gemacht hat und ſie mit will, ſo bin ich in
dieſer Nacht auch deßwegen noch einmal in Amelungs¬
born — Herr — was — ſoll? —“
Er vollendete ſein Wort nicht. Magiſter Buchius
hatte ihn zu feſt an der Schulter gefaßt, Magiſter
Buchius ſchüttelte, riß ihn, ſelber vor Aufregung zit¬
ternd, zu ſehr hin und her. Magiſter Buchius ſagte
das, was er bis jetzt noch niemals zu einem der Herren
Sekundaner oder gar Primaner der gelahrten Schule
zu Amelungsborn zu ſagen gewagt hatte. Er ſagte:
„Lieber Monſieur von Münchhauſen, Er iſt ein
Narr. Nehme Er es mir nicht für ungut: aber Er iſt
mehr denn ein Narr — Er iſt ein Einfaltspinſel und
ein neugeboren Kind im Taumel dieſes irdiſchen Elends.
Er hat den Ovidius zu viel und den Livius und den
Tacitus zu wenig traktiret. Man hat dieſes Ihm nicht
verhalten und man wird's Ihm im neuen Weſen zu
Holzminden geſagt haben. Mit der Mademoiſell kann
ich Ihm nicht dienen, ſo wenig ich Ihm in dieſer Nacht
zu Seinem Stück trockenen Brodes da zu einem andern
Stück guten Fleiſches verhelfen kann. Sie iſt doch um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/115>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.