westwärts, südwärts, durch Nebel und Schnee, durch und Sturm über den Rhein in die Sonne, in's warme lustige Frankreich zurück. Es ist Platz im Sattel, Mademoiselle, ma belle, ma jolie fleur de romarin -- wir reiten, wir reiten, Mademoiselle Se¬ linde!
Es war ganz närrisch -- war das nicht der Herr Magister und Kollaborator Zinserling, der da im Klosterbau grad jetzt sein Fenster aufmachte und sich drein legte und in den Sonnenschein, das Mittagslicht und frische Wesen von Mamsells Traumgebilden satyrisch hineinkrähete und zwar tumultuose gegen jedwede Schul¬ gesetze:
"Wie närrisch lebt ein Kerl doch in der Welt, "Wenn er erst in das Garn der Liebe fällt; "Wenn er den Muth für einen Blick verhandelt "Und in den Stricken des Verderbens wandelt?
Und war's nicht der liebe gute Junge, der Musjeh Thedel, der Herr Primaner, der Junker von Münch¬ hausen, welcher da hinter den Stachelbeerenbüschen schlich und zum gelahrten Herrn hinaufhöhnte:
"Bald sitzt ihm der Kragen am Halse nicht recht, "Bald ist ihm die dünne Paruque zu schlecht, "Bald zieht er den Degen, bald steckt er ihn ein, "Bald denkt er ein Bauer, bald König zu sein!! -- ?
Alles im Sonnenschein -- der Garten, das alte Kloster -- weiße Tauben in Schwärmen um die Dächer und den Kirchthurm und -- mit einem Male in den
weſtwärts, ſüdwärts, durch Nebel und Schnee, durch und Sturm über den Rhein in die Sonne, in's warme luſtige Frankreich zurück. Es iſt Platz im Sattel, Mademoiselle, ma belle, ma jolie fleur de romarin — wir reiten, wir reiten, Mademoiselle Se¬ linde!
Es war ganz närriſch — war das nicht der Herr Magiſter und Kollaborator Zinſerling, der da im Kloſterbau grad jetzt ſein Fenſter aufmachte und ſich drein legte und in den Sonnenſchein, das Mittagslicht und friſche Weſen von Mamſells Traumgebilden ſatyriſch hineinkrähete und zwar tumultuoſe gegen jedwede Schul¬ geſetze:
„Wie närriſch lebt ein Kerl doch in der Welt, „Wenn er erſt in das Garn der Liebe fällt; „Wenn er den Muth für einen Blick verhandelt „Und in den Stricken des Verderbens wandelt?
Und war's nicht der liebe gute Junge, der Musjeh Thedel, der Herr Primaner, der Junker von Münch¬ hauſen, welcher da hinter den Stachelbeerenbüſchen ſchlich und zum gelahrten Herrn hinaufhöhnte:
„Bald ſitzt ihm der Kragen am Halſe nicht recht, „Bald iſt ihm die dünne Paruque zu ſchlecht, „Bald zieht er den Degen, bald ſteckt er ihn ein, „Bald denkt er ein Bauer, bald König zu ſein!! — ?
Alles im Sonnenſchein — der Garten, das alte Kloſter — weiße Tauben in Schwärmen um die Dächer und den Kirchthurm und — mit einem Male in den
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und Sturm über den Rhein in die Sonne, in's
warme luſtige Frankreich zurück. Es iſt Platz im
Sattel, Mademoiselle, ma belle, ma jolie fleur de
romarin — wir reiten, wir reiten, Mademoiselle Se¬
linde!
Es war ganz närriſch — war das nicht der Herr
Magiſter und Kollaborator Zinſerling, der da im
Kloſterbau grad jetzt ſein Fenſter aufmachte und ſich
drein legte und in den Sonnenſchein, das Mittagslicht und
friſche Weſen von Mamſells Traumgebilden ſatyriſch
hineinkrähete und zwar tumultuoſe gegen jedwede Schul¬
geſetze:
„Wie närriſch lebt ein Kerl doch in der Welt,
„Wenn er erſt in das Garn der Liebe fällt;
„Wenn er den Muth für einen Blick verhandelt
„Und in den Stricken des Verderbens wandelt?
Und war's nicht der liebe gute Junge, der Musjeh
Thedel, der Herr Primaner, der Junker von Münch¬
hauſen, welcher da hinter den Stachelbeerenbüſchen ſchlich
und zum gelahrten Herrn hinaufhöhnte:
„Bald ſitzt ihm der Kragen am Halſe nicht recht,
„Bald iſt ihm die dünne Paruque zu ſchlecht,
„Bald zieht er den Degen, bald ſteckt er ihn ein,
„Bald denkt er ein Bauer, bald König zu ſein!! — ?
Alles im Sonnenſchein — der Garten, das alte
Kloſter — weiße Tauben in Schwärmen um die Dächer
und den Kirchthurm und — mit einem Male in den
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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