"Das fragt Sie noch, Mademoisell?" klang es vor¬ wurfsvoll zurück durch's Schlüsselloch. "Bei dem Spek¬ takel? . . Sie aus dem Feuer holen, will er! In das Wasser für Sie gehen wie Ihr Pudelhund will er. Jeden Franzmann, der Ihr auf drei Schritte nahe kommt, unter'm Daumen knicken will er. Riegle Sie auf, Jungfer! Will Sie? Auf den Knien liege ich hier --"
"Reine verrückt ist Er; aber -- doch ein guter Mensche!" sagte Jungfer Selinde Fegebanck, wirklich ihre Thür öffnend und in demselben Augenblick ihn, mit der Faust in seinen Haaren, von sich abdrängend. "Herr von Münchhausen, das bitt' ich mir aber aus --"
"Engel!" schluchzte der Tollkopf, jetzt wahrhaftig auf den Knien vor seinem Ideale. "Hat man mich nicht um Sie von Holzminden weggejagt? Bin ich nicht um Sie den Tag durch gelaufen? Haben mich Ihretwegen nicht der Herr von Chabot und seine Halunken gejagt und hängen wollen? Hab ich nicht Ihretwegen mit des Magisters Buchius letzter Brodrinde die Nacht durch auf dem kalten Gypsboden gelegen?"
"Ein Flegel braucht Er darum doch nicht zu sein, und wenn ich zehntausendmal ein Engel bin -- Jesus Christus, Thedel, liebster, bester, allerliebster Thedel -- sie wollen wohl dießmal das Kind im Mutterleibe nicht verschonen!"
"Deßhalb bin ich ja von Holzminden hergelaufen. Ueber meinen Leichnam geht der Weg zu Dir, meine Prinzeß. Courage, Herze, Göttin, Seraph! Und in
„Das fragt Sie noch, Mademoiſell?“ klang es vor¬ wurfsvoll zurück durch's Schlüſſelloch. „Bei dem Spek¬ takel? . . Sie aus dem Feuer holen, will er! In das Waſſer für Sie gehen wie Ihr Pudelhund will er. Jeden Franzmann, der Ihr auf drei Schritte nahe kommt, unter'm Daumen knicken will er. Riegle Sie auf, Jungfer! Will Sie? Auf den Knien liege ich hier —“
„Reine verrückt iſt Er; aber — doch ein guter Menſche!“ ſagte Jungfer Selinde Fegebanck, wirklich ihre Thür öffnend und in demſelben Augenblick ihn, mit der Fauſt in ſeinen Haaren, von ſich abdrängend. „Herr von Münchhauſen, das bitt' ich mir aber aus —“
„Engel!“ ſchluchzte der Tollkopf, jetzt wahrhaftig auf den Knien vor ſeinem Ideale. „Hat man mich nicht um Sie von Holzminden weggejagt? Bin ich nicht um Sie den Tag durch gelaufen? Haben mich Ihretwegen nicht der Herr von Chabot und ſeine Halunken gejagt und hängen wollen? Hab ich nicht Ihretwegen mit des Magiſters Buchius letzter Brodrinde die Nacht durch auf dem kalten Gypsboden gelegen?“
„Ein Flegel braucht Er darum doch nicht zu ſein, und wenn ich zehntauſendmal ein Engel bin — Jeſus Chriſtus, Thedel, liebſter, beſter, allerliebſter Thedel — ſie wollen wohl dießmal das Kind im Mutterleibe nicht verſchonen!“
„Deßhalb bin ich ja von Holzminden hergelaufen. Ueber meinen Leichnam geht der Weg zu Dir, meine Prinzeß. Courage, Herze, Göttin, Seraph! Und in
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„Das fragt Sie noch, Mademoiſell?“ klang es vor¬
wurfsvoll zurück durch's Schlüſſelloch. „Bei dem Spek¬
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Waſſer für Sie gehen wie Ihr Pudelhund will er.
Jeden Franzmann, der Ihr auf drei Schritte nahe kommt,
unter'm Daumen knicken will er. Riegle Sie auf,
Jungfer! Will Sie? Auf den Knien liege ich hier —“
„Reine verrückt iſt Er; aber — doch ein guter
Menſche!“ ſagte Jungfer Selinde Fegebanck, wirklich
ihre Thür öffnend und in demſelben Augenblick ihn,
mit der Fauſt in ſeinen Haaren, von ſich abdrängend.
„Herr von Münchhauſen, das bitt' ich mir aber aus —“
„Engel!“ ſchluchzte der Tollkopf, jetzt wahrhaftig
auf den Knien vor ſeinem Ideale. „Hat man mich
nicht um Sie von Holzminden weggejagt? Bin ich
nicht um Sie den Tag durch gelaufen? Haben mich
Ihretwegen nicht der Herr von Chabot und ſeine Halunken
gejagt und hängen wollen? Hab ich nicht Ihretwegen
mit des Magiſters Buchius letzter Brodrinde die Nacht
durch auf dem kalten Gypsboden gelegen?“
„Ein Flegel braucht Er darum doch nicht zu ſein,
und wenn ich zehntauſendmal ein Engel bin — Jeſus
Chriſtus, Thedel, liebſter, beſter, allerliebſter Thedel
— ſie wollen wohl dießmal das Kind im Mutterleibe
nicht verſchonen!“
„Deßhalb bin ich ja von Holzminden hergelaufen.
Ueber meinen Leichnam geht der Weg zu Dir, meine
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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